Xavier Naidoo zum ESC?
19. November 2015Da weiß man, was man hat, dachten offenbar die Veranstalter der ARD. Nach den Misserfolgen der letzten Kandidaten beim Eurovision Song Contest setzen sie nun auf Bewährtes. Und da kommt der Mannheimer Soulsänger Xavier Naidoo genau richtig. Er hat zwanzig Jahre Bühnenerfahrung, alle großen Festivals bespielt, bringt seit 1998 millionenfach verkaufte Alben raus.
Durchbruch an der Hand von Schwester S.
1971 als Sohn einer Südafrikanerin und eines Vaters mit deutsch-indischen Wurzeln geboren, beginnt Naidoo schon früh in Schul- und Kirchenchören zu singen. Mit 20 geht er in die USA und lernt, wie das Musikbusiness funktioniert. Nämlich nicht so, wie er es sich vorgestellt hat. Enttäuscht kehrt er nach Deutschland zurück.
In Frankfurt am Main hat sich um HipHop-Produzent Moses Pelham und Rapperin Sabrina Setlur (Schwester S.) eine Musikszene gebildet, in die Naidoo dann auch hineinrutscht: Er wird Background-Sänger beim Rödelheim Hartreim-Projekt. Lange bleibt er nicht im Hintergrund - Pelham holt ihn nach vorne und baut ihn zum Solostar auf. Seine erste Single "Frei sein" läuft zwar noch unter Sabrina Setlur (introducing Xavier Naidoo). Doch sie bringt 1997 den Durchbruch für den Sänger.
Sein erstes Album "Nicht von dieser Welt" kommt kurz danach, erreicht Platz 1 in den deutschen Albumcharts und hält sich fast zwei Jahre lang in den Top 100. Naidoo wird mit Musikpreisen überhäuft - vom Echo (mehrmals) bis zum MTV Europe Music Award. 2006 beschert er mit "Dieser Weg" der deutschen Fußballnationalelf den Soundtrack zur WM.
Zweifellos ist Naidoo ein guter Sänger. Bei seinen Texten allerdings scheiden sich die Geister. Sie klingen teils sehr religiös, er singt vom Weg, vom Licht, vom Kelch, vom Leintuch, von Liebe und Leben, von Glaube und Kraft. Seinen Namen lässt Xavier wie "Saviour" (engl.: Retter) aussprechen - das klingt nach dem leibhaftigen musikalischen Messias. Die Medien spielen mit, bezeichnen ihn als "Himmel-Stürmer" ("Stern") oder "Jesus der Hitparaden" ("Der Spiegel").
Krude Verschwörungstheorien
Umstrittener als seine Texte ist allerdings das, was er sonst noch von sich gibt. So behauptet er etwa, dass Deutschland gar kein souveräner Staat, sondern immer noch von den Alliierten des Zweiten Weltkriegs besetzt sei. Damit spielt er den sogenannten "Reichsbürgern" in die Hände, die die Existenz der Bundesrepublik Deutschland leugnen und für die nach wie vor die Gesetze des Deutschen Reiches gelten. Die und andere rechtsgerichtete Gruppen feiern den Soulsänger und nutzen seine Musik für ihre Propaganda. Rechtspopulisten und Antisemiten freuen sich auch sehr über seinen Song "Raus aus dem Reichstag", in dem er jüdische Banker verunglimpft.
Auf großes Unverständnis bei seinen Kritikern stößt auch seine These, dass die Terroranschläge des 11. September 2001 gar nicht so stattgefunden hätten wie offiziell dargestellt. Er schont auch deutsche Politiker nicht - so erstattete er 2011 Strafanzeige gegen den Bundespräsidenten und hochrangige Regierungsvertreter - wegen Hochverrats: Sie seien mit Schuld an der internationalen Finanzkrise von 2007. Die Klage wurde abgewiesen.
Mit seinen Aussagen und Thesen wolle er "Systemkritik" betreiben, versichert er - doch das will ihm keiner so richtig abnehmen. Seine Kritiker sagen, er verbreite "esoterischen Unsinn und krude Verschwörungstheorien", die er laut "Spiegel" zusammen mit Antisemitismus und Antiamerikanismus zu einer "dunklen Suppe" verrühre. Andere bezeichnen ihn lapidar als Spinner.
Der homophobe Messias
Während Xavier als Solokünstler mit seinen Balladen weiter den deutschsprachigen Soul rettet, schlägt er mit seinem Kollektiv "Die Söhne Mannheims" musikalisch etwas rockigere Töne an. Die Söhne arbeiten mit World Vision und Amnesty International zusammen und sagen über sich selbst, sie engagierten sich für "Freiheit, Liebe und Gerechtigkeit".
Den Vogel schießt Xavier Naidoo 2012 mit seinem nächsten Side-Projekt "Xavas" ab. Zusammen mit Rapper Kool Savas gibt er in einem Hidden Track auf dem Album "Gespaltene Persönlichkeit" schwer verdauliche Worte von sich, die unter anderem auch den deutschen Lesben- und Schwulenverband auf den Plan rufen: Beschrieben werden in dem Song satanische Rituale und Kinderschändung - der Vorwurf lautet, in dem Text werde dies mit Pädophilie und Homosexualität gleichgesetzt.
Für seine Ansichten hat er auch schon Anti-Preise bekommen: Im vergangenen Jahr das "Goldene Brett" für seine "rechte Verschwörungsparanoia" und in diesem Jahr den "Goldenen Aluhut" - eine Auszeichnung für besonders skurrile Theorien.
Der Retter Deutschlands beim ESC?
Nun also soll der umstrittene Soulsänger Deutschland beim nächsten Eurovision Song Contest in Stockholm vertreten. Er selbst freut sich sehr über seine Nominierung und über das Zeichen, das die ARD damit setzt: Die Welt soll ein weiteres Mal sehen, wie multikulturell Deutschland ist. Er wolle, so versichert er, so schön und so gut singen wie noch nie in seinem Leben. "Und klar, ich trete an, um das Ding nach Hause zu holen."
Auch wenn Naidoo jetzt für die ESC-Teilnahme gesetzt ist: Das Publikum hat immerhin die Möglichkeit, den Song auszuwählen. Mehrere Komponisten werden nun beauftragt, ein Stück für den Sänger zu schreiben. Im Januar soll der Song dann ermittelt werden.
Die Reaktionen im Netz zeigen großes Interesse: In den deutschen Twitter-Trends vom Donnerstag ist der Hashtag #ESC2016 an der Spitze. Die Kommentare der Twittergemeinschaft aber sprechen Bände:
Im Internet kann mittlerweile sogar eine Petition unterschrieben werden, die Xavier Naidoos Auftritt verhindern soll. Naidoo selbst setzt sich gegen die Vorwürfe zur Wehr und ließ ein Statement auf der Seite des ESC veröffentlichen.
Viele User beschweren sich außerdem darüber, dass nicht das Publikum sondern die Medien entscheiden, wer Deutschland beim ESC repräsentieren soll. Von einem Sänger mit solchen Ansichten möchten viele nicht bei einem internationalen Wettbewerb vertreten werden. Und auf Quadrasophics.com heißt es: "Die ARD bezeichnet Xavier Naidoo als Ausnahmekünstler. Hoffen wir mal, dass es stimmt und es nicht noch mehr davon gibt."