Warum Großraumbüros Unsinn sind
3. Dezember 2016Viele Menschen kennen das aus eigener Erfahrung: Man will sich auf seine Arbeit konzentrieren, aber am Nebentisch diskutieren zwei Kollegen angeregt über das neueste Projekt und ein dritter Kollege telefoniert seit einer halben Stunde lautstark mit einem wichtigen Kunden. Ist es meine Schuld, wenn ich da abgelenkt bin?
Nein, ist es nicht, bestätigt jetzt eine Studie aus Japan. Hintergrundlärm hält vom Denken ab - vor allem dann, wenn es sich dabei um Unterhaltungen handelt, die mit der Arbeit zu tun haben. Ein Forscherteam um Takahiro Tamesue von der Yamaguchi-Universität in Japan ließ Versuchspersonen Aufmerksamkeitstests am Computer absolvieren und beschallte sie währenddessen entweder mit Sprachaufnahmen oder mit bedeutungslosen stimmähnlichen Geräuschen. Die Freiwilligen schnitten in den Tests sehr viel schlechter ab, wenn sie gleichzeitig mit richtiger Sprache statt mit Geräuschen konfrontiert waren.
Tamesue stellt seine Ergebnisse diese Woche bei einem Treffen der Akustischen Gesellschaft der USA in Honolulu auf Hawaii vor.
Veränderte Gehirnwellen
"Unterhaltungen im Umfeld stören oft den Geschäftsbetrieb in Großraumbüros", sagt Tamesue. Seine Studie legt nahe, dass nicht nur der Geräuschpegel selbst die Mitarbeiter davon abhält, sich zu konzentrieren - es geht darum, was andere sagen. Die Unterhaltung eines Kollegen über etwas, das mit der Arbeit zu tun hat, stört mehr als der Autobahnlärm, der von draußen hereinschallt - auch dann, wenn beides gleich laut ist. Selbst das Arbeiten in einem lauten Café, wo Menschen sich über alles mögliche andere unterhalten, kann daher produktiver sein als im Großraumbüro.
Tamesue und seine Kollegen maßen die Gehirnwellen der Freiwilligen in einem Elektroenzephalogramm (EEG), während sie deren Aufmerksamkeit in Computertests überprüften. Zwei EEG-Signale - welche die Antwort des Gehirns auf einen Reiz darstellen beziehungweise die selektive Aufmerksamkeit des Probanden - waren sehr viel geringer, wenn die Versuchspersonen während der Aufgabe anderen Menschen beim Sprechen zuhören mussten. Laut den Forschern zeigt das, dass die selektive Aufmerksamkeit und das Erinnerungsvermögen der Freiwilligen beeinträchtigt war. Musik hatte übrigens dieselbe Wirkung.
Grippe und Stress für alle!
Arbeitgeber von heute sind eifrig dabei, altmodische Einzel- und Doppelbüros in Großraumbüros umzubauen, um Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitern zu fördern. Doch Forscher haben schon mehrmals gezeigt, dass Großraumbüros vermutlich nicht der richtige Weg sind. "Ein Großraumbüro ist der idealste Ort der Welt, um Menschen von der Arbeit abzuhalten", schrieb Karrierecoach Martin Wehrle kürzlich auf "Spiegel online." "Großraumbüros wirken sich auf die Produktivität der Mitarbeiter aus wie ein Ameisenbär auf den Ameisenhaufen."
Im Jahr 2000 fanden der Psychologe Gary Evans von der Cornell University in Ithaca, USA, und seine Kollegen erhöhte Konzentrationen des Stresshormons Adrenalin im Urin von Menschen, die in Großraumbüros arbeiten. Diese Mitarbeiter waren auch weniger motiviert, ihre Arbeit zu tun. Dänische Forscher berichteten im Jahr 2011, dass sich Großraumbüromitarbeiter öfter krank melden. Ob das am Stress lag oder daran, dass sich Krankheitserreger in Großraumbüros leichter verbreiten, bleibt offen.
2008 sichteten Vinesh Oommen und seine Kollegen von der Queensland University in Australien in einer Metastudie sämtliche wissenschaftlichen Daten über Großraumbüros und schlussfolgerten, dass Großraummitarbeiter "mit einer Palette an Problemen konfrontiert sind wie Verlust der Privatsphäre, Verlust der Identität, geringe Leistungsfähigkeit, zahlreiche gesundheitliche Probleme, Reizüberflutung und geringe Arbeitszufriedenheit".
Viele Menschen, die in Großraumbüros arbeiten, haben schon längst gespürt, dass sie nicht so gut arbeiten können. Die jetzt vorgestellte Studie der japanischen Forscher liefert dafür auch einen wissenschaftlichen Beweis.