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Politik

Ein Kommunalpolitiker von Interesse

Kay-Alexander Scholz
20. Dezember 2019

Der Fall des CDU-Politikers Robert Möritz beschäftigt die deutschen Medien seit einer Woche. Nun hat die Affäre um dessen rechtsextreme Verbindungen eine interessante Wendung genommen. Was noch dahinter steckt.

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Kreispolitiker Möritz tritt aus CDU aus
Bild: picture-alliance/dpa/CDU-Kreisverband Anhalt-Bitterfeld

Die Nachricht kam überraschend. "Um weiteren Schaden von der Partei abzuwenden und politische Diskussionen zu befrieden", werde er aus der Partei austreten. Verfasser dieser Zeilen, über die deutsche Medien berichten, ist der Kommunalpolitiker Robert Möritz aus Sachsen-Anhalt. Er möchte ein "persönliches Zeichen setzen". "Manchmal bedarf es der Besinnung auf die wahren Prioritäten im Leben." Er fühle sich aber den Werten seiner Partei, den Christdemokraten von der CDU, zutiefst verbunden und vertrete diese "vollumfänglich".

Bekannt gewordene Verbindungen Möritzs ins rechtsextreme Milieu samt entsprechendem Tattoo auf dem Arm hatten die CDU und die gesamte Koalition in seinem Bundesland ins Wanken gebracht. Möritz kommt mit seinem Rücktritt einem Ultimatum zuvor, dass erst am Vorabend von seiner Landes-CDU bei einer Pressekonferenz in Magdeburg gestellt worden war. 

CDU unter Druck: Wie umgehen mit der AfD?

Über das, was derzeit politisch in Magdeburg passiert, der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt, würde wahrscheinlich anders berichtet werden, wäre da nicht die Erinnerung an das "Magdeburger Modell". 1994 wagten die Sozialdemokraten (SPD) hier eine Minderheitsregierung und stützten sich auf die damalige PDS, die aus der DDR-Regierungspartei hervorgegangen war.

Deutschland Magdeburg Weihnachtsbeleuchtung
Der Fall Robert Möritz hatte das vorweihnachtliche Treiben in Magdeburg mächtig gestörtBild: DW/K.-A. Scholz

Heutzutage regieren die Christdemokraten - sie könnten das Gleiche vorhaben, nur mit der "Alternative für Deutschland" (AfD). Über ein neuartiges Magdeburger Modell im rechten Lager wird schon länger getuschelt. Die jetzige Koalition aus CDU, SPD und Grünen war schon bei ihrer Gründung 2016 in Teilen der CDU unbeliebt. Immer wieder gibt es seither Nadelstiche vor allem in Richtung der Grünen und positive Signale an die AfD. Die Bundes-CDU hat zwar jegliche Zusammenarbeit mit der AfD verboten. Das hielt führende Köpfe der CDU-Fraktion in Magdeburg aber nicht davon ab, im Sommer in einem Positionspapier eine Öffnung hin zur AfD zu fordern. Vor allem auf Ebene der machtvollen Kreischefs finden sich dafür Sympathisanten. Sie sorgten jüngst auch dafür, dass das Verbot einer Zusammenarbeit auf eine förmliche Koalition beschränkt wurde. Auf der anderen Seite hat die AfD einen Kurswechsel vollzogen und will jetzt "regierungsfähig" werden.

Krisentreffen in Magdeburg

Bei Holger Stahlknecht, CDU-Parteichef und langjähriger Landesinnenminister, laufen diese Flügelkämpfe zusammen. Er will sich trotzdem nicht in die rechte Ecke drängen lassen. "Dass wir der rechte Flügel der Bundes-CDU sind, ist Quatsch", verteidigte er auf der Pressekonferenz seine Politik. Die CDU sei eine "Partei der Mitte", einen "Rechtsruck" gebe es nicht. Allerdings brauche die CDU Antworten für diejenigen, die schon jetzt AfD wählten. Und das sind - wie im Rest Ost-Deutschlands auch - mehr als 20 Prozent. Würde die CDU den konservativen Flügel nicht einbinden, dann "gehen die geschlossen zur AfD", warnte Stahlknecht.

Treffen der CDU-Kreisvorsitzenden in Magdeburg, Holger Stahlknecht
Holger Stahlknecht: CDU-Chef in Sachsen-AnhaltBild: picture-alliance/dpa/K.-D. Gabbert

Der Pressekonferenz war ein Krisentreffen der CDU vorausgegangen. Denn der Fall hatte landesweit Schlagzeilen gemacht. Die Grünen hatten die CDU unter Druck gesetzt, die sich zunächst nur zögerlich von Möritz distanziert hatte und ihm eine "zweite Chance" geben wollten. Wie ernst die Lage war, zeigte auch die Anwesenheit von Ministerpräsident Rainer Haseloff, der aber nicht gefilmt werden wollte.

Man einigte sich darauf, Möritz zu bitten, sich von seinem Verhalten bei einem erneuen Krisentreffen mit der CDU-Landesführung zu distanzieren und sich zu den Werten der CDU zu bekennen. Das Treffen hätte nach Weihnachten, am 28. Dezember stattfinden sollen. Auch sein Tattoo hätte Möritz bis dahin entfernen müssen, als "Mindestvoraussetzung", so Stahlknecht. Dann sollte entschieden werden, ob ein Parteiaustrittsverfahren eingeleitet wird oder nicht. Die Meinungen darüber seien unter den Kreischefs weiterhin geteilt gewesen.

Abstand halten

Ein Parteiaustrittsverfahren wäre eine komplizierte und langwierige Sache geworden. Das hängt mit dem deutschen Parteiengesetz zusammen, gilt also für alle Parteien. Grob lässt sich sagen: Reinkommen ist einfach, ein Rauswurf geht nur sehr schwer. Beispiel CDU: Aus der Bundesgeschäftsstelle in Berlin heißt es auf Nachfrage, ein Kandidat dürfe nur nicht "Mitglied einer konkurrierenden Partei oder politischen Organisation" sein. Über Anträge entschieden werde im jeweiligen Kreisvorstand. Ein Rauswurf laufe nach einem "förmlichen Ausschlussverfahren". Hier entscheiden partei-interne Gerichte, Widerspruch ist möglich. Maßgeblich sei, ob ein "konkreter Schaden" für die Partei eintrat. Eine Statistik über erfolgte Parteiaustritte aber liege nicht vor, hieß es. Durch Möritz' Austritts-Ankündigung hat sich die Diskussion darüber nun erledigt. 

Bei der Bundes-CDU war man während der gesamten Affäre auf Abstand bedacht. Die Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer hatte auf die Zuständigkeit des Landesverbandes verwiesen. So kurz vor Weihnachten dürften nun alle Beteiligten aufatmen, dass eine Lösung gefunden wurde und es zu keiner weiteren politischen Eskalation kam.