Trump treibt Republikaner auf die Palme
12. August 2016Um zu begreifen, wie massiv Donald Trump republikanischen Politikern schadet, die das Pech haben, sich gleichzeitig mit dem ungeliebten Präsidentschaftskandidaten zur Wahl stellen zu müssen, muss man nur auf John McCain schauen. Denn im November wählen die Amerikaner nicht nur einen neuen Präsidenten oder eine neue Präsidentin, sondern auch ein neues Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats. In beiden Kammern verfügen die Republikaner derzeit über die Mehrheit.
Und John McCain, langjähriger Senator aus dem US-Bundesstaat Arizona und einer der international bekanntesten Kongressabgeordneten, kämpft - wie er selbst einmal sagte - wegen Trump möglicherweise den Kampf seines Lebens. Oder wie es der Kongressexperte Bruce Oppenheimer von der Vanderbilt University ausdrückt: McCain befindet sich, wie viele um die Wiederwahl kämpfende Republikaner, in einer "sehr unangenehmen Position".
Denn McCain muss einen fast unmöglichen politischen Spagat versuchen zwischen Trump-Unterstützern auf der einen und traditionellen Republikanern sowie politischen Wechselwählern auf der anderen Seite. Im gerade laufenden parteiinternen Vorwahlkampf greift ihn eine Herausforderin, die stolz auf den ihr von den Medien verliehenen Titel "Lady Trump" ist, von rechts an. Im anschließenden Hauptwahlkampf wird McCain dann von seiner demokratischen Kontrahentin von links attackiert werden. Dies klingt nicht nur wie eine umfassende Verlierer-Situation, es ist auch eine.
Seine Wiederwahl im Blick gab McCain, republikanischer Präsidentschaftskandidat 2008 und ehemaliger Gefangener in Vietnam, im Mai zähneknirschend seine Unterstützung für Donald Trump als Präsidentschaftskandidat bekannt. Er tat dies, obwohl Trump sich zuvor über McCains Status als Kriegsheld lustig gemacht hatte. Trump hatte gesagt, er bevorzuge Menschen, "die sich nicht gefangen nehmen lassen".
Öffentlicher Streit
Zwar hält sich MCCain immer wieder zurück, um Trumps Anhänger nicht zu verprellen. Doch diese an Selbstverleugnung grenzende Zurückhaltung gelingt nicht dauerhaft. Denn immer wieder zwingt das Verhalten des republikanischen Präsidentschaftskandidaten den Senator aus Arizona schlicht zum offenen Widerspruch.
Als Trump kürzlich die Eltern eines getöteten US-Soldaten islamischen Glaubens beleidigte, musste McCain ihn öffentlich zurechtweisen, wollte er seine eigene Biographie und Glaubwürdigkeit nicht vollständig verraten. Trumps Retourkutsche kam prompt. Er liebäugelte öffentlich damit, im Vorwahlkampf McCains parteiinterne Rivalin zu unterstützen. Auf Druck der Partei gab er aber schließlich nach und sprach sich für McCain aus.
Aber es ist nicht nur Trumps beleidigende Rhetorik und sein aggressiver Stil, der viele Republikaner zur Verzweiflung treibt. Es ist auch der Inhalt seiner Aussagen. "Seine zwei Top-Prioritäten sind Handelsabkommen und Einwanderung", sagt Steven Smith von der Washington University in St. Louis, Autor mehrere Bücher über den US-Kongress. "Und genau bei diesen Themen zwingt er die Republikaner dazu, andere Positionen einzunehmen als in der Vergangenheit. Für die Republikaner wird das ein sehr ernstes Problem."
Denn die Republikaner, mehr noch als die Demokraten, waren seit Jahrzehnten die stärksten Befürworter des Freihandels. "Und jetzt haben wir einen möglichen Präsidenten Trump, der die bestehenden Freihandelsabkommen auflösen und neue aushandeln will", betont Smith. Um Trumps Position zu unterstützen, müssten viele republikanische Kongressabgeordnete ihre bisherige Haltung revidieren - ein persönlich schmerzhaftes und politisch gefährliches Manöver.
Kompromissloser Kurs
Bei der Einwanderungsfrage hat Trump seine Partei ebenfalls in die Ecke gedrängt. Konservative Republikaner fordern zwar seit langem eine härtere Haltung gegenüber illegaler Einwanderung, gleichzeitig haben sich jedoch auch zahlreiche moderate Republikaner für eine umfassende Einwanderungsreform ausgesprochen.
Zwar war die Partei schon vor Trump über Einwanderung tief gespalten. Aber genau wie beim Thema Handelsabkommen hat Trump bei der Einwanderungsfrage durch seine Beleidigungen gegenüber Mexikanern und seinem Versprechen, eine Mauer zu bauen, die Gräben nicht nur weiter vertieft. Mit seiner Haltung zwingt er die republikanischen Kongresskandidaten gleichzeitig auch dazu, eindeutig Position zu beziehen - Kompromiss ausgeschlossen.
"Diese ganzen Probleme wären viel weniger dramatisch, wenn Trump die Präsidentschaftswahl verliert oder sogar deutlich verliert", sagt Smith. "Die Republikaner müssen sich dann natürlich über die nächste Präsidentschaftswahl Gedanken machen, aber es wird deutlich einfacher, mit diesen Themen umzugehen, wenn sie dabei keinen Präsidenten ihrer eigenen Partei im Weißen Haus haben, der weiter diese nicht-traditionellen republikanischen Themen vorantreibt."
Über Kreuz mit ihrem Kandidaten, der in den Wahlumfragen deutlich hinter seiner demokratischen Kontrahentin Hillary Clinton liegt, spielen viele republikanische Kongressabgeordnete ein doppeltes Spiel. "Trump hat sehr wenige offizielle Wahlunterstützer im Kongress, weshalb er ganz sicher nicht der Kandidat der Kongressabgeordneten ist", sagt Michele Swers, Professorin für Regierungslehre an der Georgetown University über das Verhältnis von Trump zum Kongress. Viele Kongress-Kandidaten versuchten daher einen Spagat, ergänzt sie. Sie geloben öffentliche Unterstützung für den Präsidentschaftskandidaten der Partei, ohne dabei jedoch explizit die Person Donald Trump und seine Positionen zu unterstützen.
Trump aus dem Weg gehen oder angreifen
Besonders bei den Wahlkampfauftritten vieler Kongressabgeordneten in ihren Heimatstaaten ist die tiefe Kluft zu Trump unübersehbar. Normalerweise sind gemeinsame Wahlkampfauftritte mit dem Präsidentschaftskandidaten im Heimatbezirk bei Kongressabgeordneten heiß begehrt, bieten sie doch die Möglichkeit, sich im Glanze des prominenten Gastes zu sonnen.
Nicht so bei Trump. "Wenn sie ihn beim Wahlkampf in ihren Heimatstaaten sehen, entscheiden viele von ihnen, dass sie andere Verpflichtungen haben", sagt Swers. Als Trump beispielsweise in Wisconsin, der Heimat Paul Ryans, dem Sprecher des Repräsentantenhauses wahlkämpfte, war Ryan abwesend. "Sie versuchen also, Abstand von Trump zu halten", so Swers.
Während viele Kandidaten einen delikaten Spagat zwischen zurückhaltender Distanzierung und offener Ablehnung von Trump vollführen, geht Mike Coffman einen anderen Weg. Der Republikaner aus Colorado muss in einem umkämpften Bezirk mit starkem hispanischem Bevölkerungsanteil für seine Wiederwahl werben. Um dies glaubhaft zu tun, hat er sich in einem vor kurzem veröffentlichen Online-Video offen gegen Trump gestellt. "Ich finde ihn nicht besonders toll" sagt Coffman und verspricht "wenn Donald Trump Präsident ist, werde ich ihm entgegentreten".
Republikanische Partei wird nervös
Gerade weil die republikanische Mehrheit im Repräsentantenhaus (247 zu 188) komfortabel ist und ein Mehrheitswechsel als unwahrscheinlich gilt, ist Coffmans offene Ablehnung von Trump bedeutend. Denn sie zeigt, so Oppenheimer, dass "die Republikaner sogar mit Blick auf das Repräsentantenhaus zunehmend nervös werden". Der Kampf um den Senat ist eigentlich spannender, denn hier verfügen die Republikaner nur über eine knappe Mehrheit (54 zu 46), und ein Machtwechsel ist realistischer. Derzeit gilt als wahrscheinlich, dass die Demokraten mindestens zwei oder drei Sitze hinzugewinnen werden.
Mit Trump ein wandelndes Pulverfass als Präsidentschaftskandidat zu haben, macht ein ohnehin schweres Wahljahr für die Republikaner noch viel schwerer. "Bei den Republikaner herrscht große Sorge, dass Trumps schlechtes Abschneiden in den Umfragen die republikanischen Kongresskandidaten mit herunter zieht", sagt Smith. Dies gilt laut Oppenheimer besonders für die knappen Senatsrennen, in denen Kleinigkeiten wahlentscheidend sein können.
Loslösung von Trump
Sollte Trumps derzeitiges Umfragetief anhalten, ist es daher nur eine Frage der Zeit, bevor sich die Republikaner von ihrem Kandidaten lossagen, betont Oppenheimer: "Wir werden wahrscheinlich bald folgendes Szenario erleben - und haben schon einen gewissen Vorgeschmack davon bekommen. Die republikanischen Kandidaten im Senat und Repräsentantenhaus sowie die Parteiorganisationen im Kongress werden erklären, dass Clinton die Präsidentschaftswahl gewinnen wird, und wir deshalb jetzt verhindern müssen, dass die Demokraten auch noch das Haus und den Senat gewinnen."
Eine Sache wird sich jedoch nicht ändern - unabhängig davon, ob Clinton oder Trump ins Weiße Haus einzieht oder ob die Republikaner ihre Mehrheit im Kongress verteidigen oder die Demokraten das Haus erobern. "Das grundlegende Problem der Lähmung der amerikanischen Politik bleibt bestehen", sagt Smith. Denn in einem Senat mit möglicherweise noch knapperem Mehrheitsverhältnis hat die Opposition leichtes Spiel, die Mehrheit zu blockieren. Und in einem Repräsentantenhaus mit einer wahrscheinlich geringeren republikanischen Mehrheit könnte der Einfluss des Tea-Party-Flügels noch größer werden.
"Die Polarisierung der Parteien ist nicht geringer geworden", betont Smith. Zu glauben, Clinton oder Trump - die historisch unbeliebtesten Kandidaten - könnten dies nach ihrem Einzug ins Weiße Haus ändern, ist unrealistisch, sagt Smith: "Es gibt einfach keine Anzeichen, dass einer der Präsidentschaftskandidaten die Differenzen zwischen den beiden Parteien überbrücken könnte."