Deutschlands internationale Studierende
13. November 20192,87 Millionen Studierende gibt es in Deutschland. Rund zehn Prozent kommen aus dem Ausland. Mit diesen Zahlen ist die Präsidentin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), Margret Wintermantel, zufrieden. "Die grenzüberschreitende Mobilität von Studierenden, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und die internationalen Kooperationsprojekte, die der DAAD fördert, sind ein großer Erfolg", sagt sie im Gespräch mit der Deutschen Welle. Deutschland ist nach den USA, Großbritannien und Australien das beliebteste Gastland für Studierende weltweit. Was noch fehle, so Wintermantel, sei eine deutschlandweite Strategie zur Integration der Studierenden.
Dem Thema Studium widmet sich aktuell auch der deutsche öffentlich-rechtliche Rundfunk. Die ARD-Themenwoche "Zukunft Bildung" beschäftigt sich vom 9. bis zum 16. November mit Bildungsalltag, Diversität, Digitalisierung, Sprache und Bildung im Vergleich.
Anfangsschwierigkeiten an deutschen Hochschulen
Maimouna Ouattara kommt von der Elfenbeinküste und promoviert an der Universität Potsdam. Sie fühlt sich gut integriert. Als Vorsitzende des Bundesverbandes Ausländischer Studierender berät sie internationale Studierende vor allen Dingen in Rechtsfragen und wehrt sich im Bundesverband gegen die Einführung von Studiengebühren für außereuropäische Studierende. Sie kennt die Vorteile, in Deutschland zu studieren. "Die Studierenden kommen unter anderem, weil sie hier eine gute Bildung genießen und mit dem deutschen Abschluss mehr Chancen auf dem internationalen Markt haben", sagt sie. Ein weiterer Pluspunkt: Die meisten Universitäten erheben keine Studiengebühren. Doch Ouattara kennt auch die Probleme. Sie kann sich noch gut an die schwierigen Anfänge ihres Studiums in Deutschland erinnern. "Ich habe zwar einen Sprachkurs gemacht, aber bei der ersten Vorlesung war ich aufgeschmissen", sagt sie im Gespräch mit der DW. "Ich wusste zum Beispiel nicht, wie man sich Notizen macht oder Mitschriften von Vorlesungen anfertigt."
Die Abbrecherquote ist zu hoch
In einer fremden Kultur mit einer anderen Sprache und der Bürokratie zurechtzukommen, ist nicht so einfach. Viele fühlen sich da allein gelassen. Die Abbrecherquote ausländischer Studierenden liegt nach wie vor bei rund 41 Prozent. Zu hoch, findet Margret Wintermantel. "Wir müssen dafür sorgen, dass sich der Studienerfolg ausländischer Studierender verbessert. Wir können ja nicht dauerhaft hinnehmen, dass junge Menschen zu uns kommen, ihr Studium hier dann abbrechen und frustriert wieder nach Hause zurückkehren." Die Studierenden bräuchten mehr Unterstützung, mehr Beratung und die Universitäten natürlich auch entsprechende finanzielle Mittel.
Allein bei den Sprachkursen gibt es mehr Bedarf als Plätze. Auch an der Otto-von-Guericke Universität in Magdeburg ist das so. Hier studiert Akram Elborashi Medizin. Der Ägypter (im Titelfoto oben im grünen T-Shirt) engagiert sich bei IKUS, einem Zusammenschluss von Studierenden, die anderen bei der Integration helfen. Elborashi organisiert zum Beispiel Exkursionen mit internationalen und deutschen Studierenden. "Ich kümmere mich auch um interkulturelle Probleme in den Wohnheimen und helfe bei der Übersetzung zwischen Hausmeistern und Bewohnern." Leider würden da nicht viele Deutsch sprechen. "Die kostenlosen Deutschkurse sind ja immer voll, da gibt es lange Schlangen."
Der Rektor der Otto-von-Guericke-Universität, Jens Strackeljan, kennt das Problem. Er setzt sich sehr für die Internationalität seiner Hochschule ein und unterstützt die Studierenden unter anderem mit Hilfe von DAAD-Programmen. So kümmert sich die Universität gezielt um syrische Flüchtlinge. Nach vorbereitenden Maßnahmen konnten jetzt zehn von ihnen ein Studium aufnehmen.
Deutschland braucht Zuwanderer
Die Universität Magdeburg ist überwiegend technisch naturwissenschaftlich ausgerichtet und gilt als besonders weltoffen. Von 14.000 Studierenden kommen über 3000 Studierende aus 106 Nationen. "Das macht die Integrationsarbeit nicht einfach", sagt Strackeljan der DW. Die größte Gruppe bilden 950 indische Studierende, die in Magdeburg eine eigene Community haben. Der Unterricht in den Masterstudiengängen findet auf Englisch statt.
Jens Strackeljan möchte vermeiden, dass die Asiaten nur unter sich bleiben und versucht, mehr Inder für Bachelor-Studiengänge zu gewinnen. Dort lernen sie von Anfang an Deutsch. "Wenn wir es nicht schaffen, genug Sprachkurse anzubieten, dann ist eine Anschlussfähigkeit an den Arbeitsmarkt in Sachsen-Anhalt quasi ausgeschlossen", weiß der Rektor. Und das, obwohl gerade im Osten Deutschlands die Firmen händeringend nach Arbeitskräften suchen.
"Unsere Gesellschaft braucht ja mehr gut ausgebildete Leute, auch qualifizierte Zuwanderer in vielen Bereichen, beispielsweise bei neuen Technologien wie der künstlichen Intelligenz und generell in den ingenieurwissenschaftlichen Fächern", bestätigt Margret Wintermantel vom DAAD. "Dafür müssen sie auch den Weg in unseren Arbeitsmarkt finden können."
Magdeburg soll bunter werden
Doch Integration heißt nicht nur, Fachkräfte mit Sprachkursen in die Wirtschaft zu bringen. Es geht auch darum, in der Gesellschaft anzukommen, sich dort wohlzufühlen. Rektor Jens Strackeljan hat da gute Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit der Stadt Magdeburg gemacht. In Planung ist ein Welcome-Center mitten in der City für spezielle Fragen der wissenschaftlichen Neuankömmlinge. "Es soll ein offener Treff werden, der zeigt: Ihr seid hier willkommen", sagt Strackeljan. "Dadurch werden die international Studierenden auch verstärkt sichtbar."
Strackeljan möchte Magdeburg bunter machen. Er sieht seine Verantwortung nicht nur für die Universität, sondern auch für die Gesellschaft. Gerade in einer alternden Gesellschaft sei die Universität eine Möglichkeit, junge Leute in die Stadt zu holen und sie auch dort zu halten.
Vor dem Hintergrund, dass die rechtspopulistischen Parteien in Sachsen-Anhalt und gerade erst wieder in Thüringen außergewöhnlich viele Wählerstimmen bekommen haben, sei das allerdings keine leichte Aufgabe. Die ausländerfeindliche Haltung der Populisten schreckt internationale wie nationale Studierende gleichermaßen ab.
Der Druck von Rechts schreckt ab
Nach einer Veranstaltung der Universität im Jahr 2017, in der auch die "junge Alternative", die Hochschulinitiative der rechtspopulistischen Partei AfD (Alternative für Deutschland), zu Wort kommen sollte, kam es zum Eklat zwischen Anhängern und Gegnern. Strackeljan bekam Morddrohungen aus dem rechten Lager. "Das war schon übergriffig", erzählt der Rektor. Man habe sein Auto manipuliert, so dass sich ein Vorderreifen löste. "Außerdem gab es Schmierereien am Haus, wo man sich schon fragt, bleibt man jetzt bei der Linie." Letztendlich hat er sich entschieden, sich nicht einschüchtern zu lassen und seine Universität weiterhin weltoffen zu gestalten.
Akram Elborashi hatte bisher keine fremdenfeindlichen Erlebnisse. Er ist gerne in Deutschland und will auch nach dem Studium bleiben. In Magdeburg hat er seine Freunde - und später im Beruf sei er abgesichert, sagt er: "Man ist in Deutschland gut versichert, auch wenn man in den USA als Arzt mehr Geld verdienen würde." Es gebe eine Krankenversicherung, eine Pflegeversicherung und man bekäme später seine Rente. Nur die Bürokratie, die werde er wohl nie verstehen. "Hier gibt es Ärztemangel. Deutschland braucht mich", ist er überzeugt, "also warum soll ich weggehen?"