Ist die Hisbollah zu mächtig für ein Verbot?
1. Dezember 2019Nein, einen Beschluss, den politischen Arm der Hisbollah in Deutschland zu verbieten, gebe es nicht, heißt es aus verschiedenen Bundesministerien einhellig. Damit widersprachen die Regierungsverteter einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel", in dem zu lesen war, das Auswärtiges Amt und die Bundesministerien für Inneres und Justiz hätten sich auf ein Betätigungsverbot der libanesischen Schiiten-Miliz in Deutschland geeinigt. Die USA hatten ein solches Verbot im September gefordert.
Grundsätzlich, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes, befürworte der deutsche Außenminister Heiko Maas, dass Deutschland "alle geeigneten und wirksamen Maßnahmen" ergreife, "um entschieden gegen kriminelle und terroristische Machenschaften auch der Hisbollah vorzugehen." Tatsächlich ist der militärische Arm der Miliz in Deutschland seit langem verboten, der politische aber nicht. Wie passt das zusammen?
Die Geschichte der Hisbollah
Die Hisbollah wurde 1982 während des libanesischen Bürgerkriegs als Zusammenschluss schiitischer Milizen gegründet. Ihr Entstehen verdankt sie ganz wesentlich den iranischen Revolutionsgarden, die sie während der folgenden Jahre mit Ausbildern und Waffen im Kampf gegen Israel unterstützten, dessen Armee den Südlibanon besetzt hatte.
Aufgrund ihres Netzes aus sozialen Einrichtungen ist die Hisbollah vor allem bei der verarmten schiitischen Bevölkerung in Beirut und im Südlibanon populär. Ihre Anerkennung dort gründet auch auf dem Umstand, dass sie die israelische Armee im Jahr 2000 zum Abzug aus dem Libanon zwang. Ihr Image als Landesverteidigerin führte dazu, dass sie nach dem Ende des Bürgerkriegs 1990 als einzige Konfliktpartei ihre Waffen behalten durfte.
In Deutschland ist die Hisbollah vor allem während des vom Iran ausgerufenen "Al-Kuds-Tags" sichtbar. Dieser fordert die so genannte "Befreiung" Jerusalems von den "zionistischen" Besatzern, Israel also.
In Deutschland ist, wie in den meisten anderen EU-Staaten, nur der militärische Arm der Hisbollah verboten; der politische Arm hingegen ist erlaubt. Ein vollständiges EU-weites Verbot scheiterte in Brüssel vor allem am Widerstand Frankreichs. Bereits vor einigen Jahren war in Deutschland ein Hisbollah-Spendenverein verboten worden.
Folgen eines Verbots für die Beziehungen zum Libanon
Ein Verbot der Hisbollah dürfte die Beziehungen zum Libanon belasten, da die Organisation über ihren politischen Arm seit 1992 in der libanesischen Nationalversammlung vertreten ist. Aus der Parlamentswahl 2018 ging sie mit 13 Mandaten hervor. Damit stellt sie rund zehn Prozent der libanesischen Parlamentsabgeordneten. In der nach monatelangen Verhandlungen gebildeten Koalition von Ministerpräsident Hariri war sie, bis zu dessen Rücktritt im Oktober dieses Jahres, mit drei Ministerposten vertreten.
Ein Verbot der Hisbollah wäre also auch ein Affront gegen jede libanesische Regierung, in der die Organisation vertreten wäre. Die Regierung sähe sich zumindest in Teilen kriminalisiert und dürfte kaum bereit sein, das hinzunehmen. Da die Hisbollah zudem engste Beziehungen zum Mullah-Regime in Teheran hat, dürfte ein Verbot sich auch auf die deutsch-iranischen Beziehungen auswirken. Offen ist allerdings, welches Gewicht die Führung in Teheran dem Verbot beimessen würde. Aufgrund des wieder neu aufgelegten US-Embargos ist der Iran auf gute Beziehungen zu Deutschland wie überhaupt der Europäischen Union angewiesen.
Auswirkungen des Verbots innerhalb von Deutschland
Käme es zu einem Verbot, wären in Deutschland sämtliche Aktivitäten der Hisbollah illegal. Die Fahne der libanesischen Miliz - ein grünes Gewehr auf gelbem Grund - dürfte nicht mehr gezeigt werden. Zwar wäre nicht ausgeschlossen, dass die Hisbollah eine Nachfolgeorganisation gründen könnte. Die müsste aber einen anderen Namen tragen - und verlöre so einen wichtigen, wenn nicht den wichtigsten Bestandteil ihrer "Marke" mit erheblicher propagandistischer Kraft.
Wenig ändern dürfte das Verbot hingegen an der Weltsicht der Hisbollah-Anhänger. Diese zu ändern, wäre die eigentliche Herausforderung. Auch ihr stellt sich die Bundesregierung offiziell: "Zum Kampf gegen politisch oder religiös motivierte und extremistische Gewalt gehören dabei zum einen sicherheitspolitische Aufgaben", heißt es im Strategiepapier der Bundesregierung zur Extremismusprävention und Demokratieförderung. "Aber zur Sicherheit für die Menschen in unserem Land gehören auch präventive Angebote, die demokratisches Handeln stärken, sowie Maßnahmen, die Radikalisierungsprozesse hemmen. Nur wenn sicherheitsorientierte, präventive und demokratiefördernde Maßnahmen Hand in Hand gehen, kann der Kampf gegen jegliche Formen von Extremismus und für die Demokratie erfolgreich sein."
Ein Verbot würde allerdings die juristischen Voraussetzungen für eine stärkere Handhabe gegen die Hisbollah schaffen. "Die Hisbollah finanziert sich mit Kriminalität, Autoschieberei, Geldwäsche. Deutschland ist für sie ein Rückzugsraum, in dem sie Gelder einwirbt", zitierte die "Frankfurter Rundschau" im Juni dieses Jahres den CDU-Bundestagsabgeordneten Marian Wendt, der für ein vollständiges Verbot der Organisation eintritt. Die Hisbollah mache nicht nur Propaganda, sie sei eine militärisch-terroristische, hochkriminelle Organisation, zitiert das Blatt den Parlamentarier weiter. Ein Verbot brächte aus Sicht Wendts Vorteile. So könne man etwa Überweisungen und Mietzahlungen unterbinden oder Clanstrukturen und Netzwerke aufklären.
Der Verfassungsschutzbericht 2018 widmet sich auf zwei Seiten auch der Hisbollah, ohne ihr aber konkrete Straftaten oder Gesetzesverstöße vorzuwerfen. Allerdings: "Es muss damit gerechnet werden, dass die 'Hizb Allah' auch außerhalb des Nahen Ostens weiterhin terroristische Aktionen gegen Israel oder israelische Interessen plant. In Deutschland pflegen die Anhänger der 'Hizb Allah' den organisatorischen und ideologischen Zusammenhalt unter anderem in örtlichen Moscheevereinen, die sich in erster Linie durch Spendengelder finanzieren."