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Warum der Ölpreis verrückt spielt

Mischa Ehrhardt Frankfurt am Main
21. April 2020

Was für Zeiten: Käufer bekommen Rohöl geschenkt und dazu noch eine Prämie. Liegt das nur am Coronavirus oder an den Besonderheiten des Ölmarktes? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

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Wenn der Graph ins Minus rutscht - Null Dollar für ein Fass Öl
Bild: Reuters/D. Ruvic

Was ist an den Ölmärkten passiert?

Die Ölpreise waren bereits in den vergangenen Wochen wegen der Corona-Krise drastisch gefallen. Zudem gab es Uneinigkeit zwischen dem OPEC-Kartell und anderen Ölförderstaaten. Nun sind zu Wochenbeginn bestimmte Verträge für die Lieferung von Öl fällig geworden. Nur sind die Läger voll - es gab also keine oder zu wenige physische Abnehmer. Das hat am Montagabend den Ölpreis für das amerikanische WTI-Öl in den negativen Bereich gedrückt.

Wie kommt der Preis zustande?

Ölpreise basieren vor allem auf dem Prinzip von Angebot und Nachfrage. Deswegen bleibt mit dem weltweiten wirtschaftlichen Stillstand durch die Pandemie die Nachfrage aus und die Preise fallen sprichwörtlich ins Bodenlose. Denn Firmen bestellen weniger Öl, Fluggesellschaften lassen ihre Flotten am Boden und Verbraucher bleiben zu Hause und fahren weniger Auto. 

Welche Ölverträge haben den Preisschock ausgelöst?

Es sind sogenannte Termingeschäfte für den Monat Mai, die zum heutigen 21. April ausgelaufen sind. Das heißt, wer an diesem Tag den Vertrag in der Hand hat, dem gehört die zugehörige Öl-Lieferung. Die fließt in vorhandene Ölspeicher - und für deren Nutzung muss man zahlen. Nun soll im Mai geliefert werden, aber die Ölspeicher sind schon voll. Der Preis für die verbliebenen Speicher steigt. Deswegen sind Anleger aus den Verträgen geflüchtet: Sie wollten sich nicht die Finger verbrennen. Die Papiere wurden quasi augenblicklich wertlos und fielen sogar in den negativen Bereich.

Ölfeld in Saudi-Arabien
Noch wird abgefackelt: Ölfeld in Saudi-ArabienBild: picture-alliance/dpa/A. Haider

Ist der Absturz das Werk von Spekulanten?

Ja und nein. Terminverträge können für Spekulanten attraktiv sein. Einfach gesagt sind sie Wetten auf den Preisverlauf in Zukunft, bei denen man gewinnen und verlieren kann. Damit haben sich in diesem Fall involvierte Spekulanten gründlich verzockt. Viele Firmen müssen ihre Geschäfte aber am Rohstoffmarkt absichern. Dazu dienen die Warentermingeschäfte, die es auch für zum Beispiel Weizen und Kaffeebohnen gibt. Sie bieten grundsätzlich verlässliche und kalkulierbare Preise für die Zukunft. Nur will in dieser Situation kaum jemand das physische Öl haben, das zur Lieferung in diesen Verträgen vorgesehen ist.

Warum hat der Absturz nur das amerikanische WTI-Öl getroffen?

WTI-Öl hat die Eigenschaft, ziemlich eindimensional gespeichert zu werden. Denn die Pipelines enden in Oklahoma. Dort steht der weltgrößte Ölspeicher und dorthin wird geliefert. In der Speicherstadt Kushing aber sind die Lager schon gut gefüllt. Der verbliebene Speicher kostet jetzt schon rund zehn Dollar pro Fass. Und vermutlich wird der Preis weiter steigen. Die europäische Nordseesorte Brent hat mehr Alternativen bei der Auslieferung.

Warum fährt man die Ölförderung nicht einfach herunter?

Grundsätzlich stehen Ölquellen mehr oder minder unter Druck. Einmal angestochen, fließt der Schmierstoff der Weltwirtschaft. Vor allem in der aus Umweltsicht umstrittenen Fracking-Technik in den USA ist ein Stopp der Produktion schwer zu bewerkstelligen. Auch deswegen werden zurzeit auch die Öltanker auf den Weltmeeren genutzt - sie dienen als schwimmende Ölspeicher.

Wenn man Auto fahren könnte, wäre es jetzt gerade ziemlich günstig...
Wenn man Auto fahren könnte, wäre es jetzt gerade ziemlich günstig...Bild: picture-alliance/dpa/J. Büttner

Welche Konsequenzen hat das für Mineralölkonzerne?

Die geraten zunehmend in Schieflage, sollten die Preise weiter so niedrig bleiben. Das wiederum kann sich dann etwa in Form von Kreditausfällen und Arbeitslosigkeit bemerkbar machen. In den USA steht die gesamte Fracking-Branche mit den Tiefpreisen am Rande des Abgrunds. Denn hier rechnen Beobachter damit, dass die Unternehmen mindestens einen Preis von 50 Dollar pro Fass brauchen, um über die Runden zu kommen.

Warum kauft Trump jetzt Öl?

Um sich in Szene zu setzen. Der US-Präsident hat angekündigt, 75 Millionen Barrel zu kaufen, um die Preise zu stützen und damit die nationale Reserven aufzufüllen. Nur liegt die weltweite Nachfrage pro Tag in ähnlicher Höhe. Donald Trump's Aktion ist also allenfalls ein Tropfen Öl auf einem heißen Stein. Wirkungsvoller ist da schon die Einigung der OPEC mit anderen Ölstaaten wie Russland, die Fördermenge täglich um 10 Millionen Barrel herunter zu fahren.

Allerdings meinen die meisten Experten, dass das bei weitem nicht reicht, um den Nachfrageausfall auszugleichen. Ölförderstaaten wie Saudi-Arabien und Russland jedenfalls geraten zunehmend unter Druck, weil sie aus den Öleinnahmen zum Großteil ihre Staatshaushalte finanzieren.

Was bedeutet das alles für Benzin- und Heizöl-Preise?

Leider gar nicht viel. Denn hierzulande liegt der Anteil der Steuern und Abgaben am Ölpreis bei weit über der Hälfte. Zwar ist auch die europäische Ölsorte Brent zu Wochenbeginn weiter drastisch gefallen, liegt aber noch bei rund 21 Dollar pro Fass. Die Preise für Heizöl und an den Tankstellen könnten bei diesen Tiefständen zumindest verzögert noch etwas fallen.