Warum Cannabis Heißhunger auslöst
12. Februar 2024Das Rauchen von Cannabis kann den Appetit anregen - das ist bekannt. Aber wie genau das vor sich geht und warum dieses Wissen durchaus nützlich sein kann, haben neue Forschungsergebnisse aus den USA gezeigt.
Die Forschenden der Washington State Universität setzten Ratten und Mäuse Cannabisdampf aus, um so bestimmte Gehirnregionen zu stimulieren, die mit Appetit zu tun haben. Dann beobachteten sie das Fressverhalten der Nagetiere, beispielsweise wie oft sie fraßen.
Donald Abrams, Onkologe an der Universität von Kalifornien in San Francisco, war nicht an der Studie beteiligt. Er hält die Ergebnisse für eine nützliche Ergänzung zu bereits bestehenden Forschungen, die sich mit der medizinischen Anwendung von Cannabis beschäftigen.
"Ratten sind keine Menschen", sagt Abrams, "aber als jemand, der in den 60er Jahren studiert hat, weiß ich, dass Cannabis den Appetit anregt." Offenbar das Ergebnis eines Selbstversuchs. Die neuen Forschungserkenntnisse könnten beispielsweise Menschen helfen, die sich einer Krebsbehandlung unterziehen müssen und keinen Appetit haben. Dabei ist es gerade für sie wichtig, genug zu essen, damit sie bei Kräften bleiben.
Cannabis aktiviert spezifische Neuronen
Doch zurück zur Studie: Die Forschenden setzten die Ratten und Mäuse einer vergleichbaren Cannabismenge aus, die auch Menschen beim Konsum durchschnittlich rauchen. Das Fressverhalten der Ratten und Mäuse zeigte, dass sie häufiger nach Nahrung suchten, nachdem sie Cannabisdampf geatmet hatten.
Dann untersuchten die Forschenden bei den Mäusen die neuronale Aktivität. Dabei stellten sie fest, dass das Cannabis eine kleine Gruppe spezifischer Neuronen im Hypothalamus aktivierte. Der Hypothalamus kontrolliert den Appetit, kontrolliert aber auch andere Funktionen wie Körpertemperatur und Stimmung.
Werden diese spezifischen Neuronen aktiviert, löst das eine Kaskade von neuronalen Signalen aus, die mit Motivation und Bewegung verbunden sind. Das ist es, was uns Menschen dazu bringt, vom Sofa aufzustehen, um in den Küchenschränken nach Süßkram und Chips zu suchen. Bei den Ratten und Mäusen in der Studie war das nicht viel anders - auch sie gingen auf Nahrungssuche.
Wie die Chemikalien in Cannabis den Appetit beeinflussen
Die Forschenden analysierten daraufhin die Wechselwirkung zwischen den Chemikalien in Cannabis und der Gehirnaktivität, die mit Appetit und Nahrungsaufnahme zusammenhängt. Cannabis setzt Chemikalien frei, die als Cannabinoide bekannt sind: Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD).
THC und CBD lösen Neuronen im Hypothalamus aus, die ein Protein namens Cannabinoid-1-Rezeptor (CB1-Rezeptor) hervorbringen. Man weiß, dass dieser Rezeptor den Appetit steigert und die Suche nach Nahrung anregt.
Die neue Studie ergab, dass der Hypothalamus deutlich mehr Zellen mit dem CB1-Rezeptor aktivierte, sobald die Mäuse Nahrung sahen. Die Forschenden schalteten daraufhin die entsprechenden Neuronen bei einigen Mäusen aus und konnten beobachteten, dass das Cannabis den Appetit dann deutlich weniger stimulierte.
Medizinisches Cannabis soll den Appetit anregen
Forschende untersuchen schon seit einiger Zeit die appetitanregenden Eigenschaften von Cannabis. Man hofft, medizinisches Cannabis beispielsweise bei Menschen einsetzen zu können, die sich einer Chemotherapie unterziehen müssen und deshalb kaum Appetit verspüren oder bei Menschen, die unter Magersucht leiden.
Entsprechend wurden Medikamente auf synthetischer Basis entwickelt. Sie sollen die Wirkung von Cannabis imitieren. In einigen Studien - zum Beispiel zur Behandlung von Magersucht - wirkten die Medikamente jedoch nicht zuverlässig.
Nach Michelle Sexton, Forscherin an der Universität von Kalifornien in San Diego (USA), könne dies daran liegen, dass die Medikamente oral eingenommen wurden, was möglicherweise nicht so wirksam ist wie das Rauchen von Cannabis. Per E-Mail teilte Sexton der DW mit, dass "die Beweise für die Auswirkungen von verdampftem Cannabis auf den Appetit nicht ausreichend untersucht sind."
In den USA und einigen anderen Ländern, darunter auch Deutschland, ist Cannabis nach wie vor eine verbotene Substanz. Selbst in US-Bundesstaaten wie Colorado und Kalifornien, wo Cannabis in lizenzierten Verkaufsstellen erhältlich ist, wird es nicht für den medizinischen Gebrauch akzeptiert.
Abrams aber sieht durchaus eine positive Wirkung. "Cannabis ist die einzige Therapie gegen Übelkeit, die gleichzeitig den Appetit steigert. Es ist auch gut gegen Schmerzen, Schlaflosigkeit, Angst und Depressionen, also etwas, das ich Menschen, die mit Krebs leben und auch für ihr Leben nach der Erkrankung häufig empfehle", so Abrams. Seit 40 Jahren empfehle er es, dürfe es aber nicht verschreiben.
Dieser Beitrag wurde aus dem Englischen adaptiert.