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Warnung an saudische Bloggerszene

Kersten Knipp8. Juni 2015

Das oberste saudische Gericht hat die Strafe gegen den Blogger Raif Badawi bestätigt. Nun muss er damit rechnen, dass die zeitweilig ausgesetzten Peitschenhiebe wieder aufgenommen werden. Trotzdem gibt es auch Hoffnung.

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Raif Badawi Amnesty International Demo
Bild: Getty Images/AFP/T. Schwarz

Die Strafe sei rechtmäßig: So hat es das oberste saudische Gericht entschieden, das über das Urteil gegen den saudischen Blogger und Menschenrechtler Raif Badawi zu befinden hatte. Dieser war im vergangenen Jahr zu zehn Jahren Haft, 1000 Peitschenhieben sowie einer Geldstrafe von 240.000 Euro verurteilt worden.

Badawi wurde mit dem "Deutsche Welle Freedom of Speech Award" ausgezeichnet. Den Preis wird DW-Intendant Peter Limbourg auf dem Deutsche Welle Global Media Forum an Ensaf Haidar, die Ehefrau des inhaftierten Bloggers, überreichen.

Die Richter der vorhergehenden Instanz hatten ihr Urteil damit begründet, Badawi habe sich des Straftatbestands der "Beleidigung des Glaubens" schuldig gemacht. Des Weiteren beschuldigten sie ihn, er habe islamische Würdenträger lächerlich gemacht und "die Grenzen des Gehorsams" überschritten. Später wurde auch der Vorwurf der "Apostasie", des Abkommens vom Glauben, erhoben.

Gegen die nun ausgesprochene Bestätigung des Urteils kann keine Berufung mehr eingelegt werden. Jetzt muss Badawi damit rechnen, dass die auf 20 Einheiten von je 50 Hieben aufgeteilte Prügelstrafe wieder aufgenommen wird. Aufgrund medizinischer Bedenken war sie im Januar dieses Jahres nach den ersten 50 Schlägen ausgesetzt worden.

Pro-Badawi-Protest in Wien, 30.01.2015 (Foto: APA)
"Bloggen ist schlecht für deinen Rücken": Demonstranten in Wien spielen auf die Prügelstrafe anBild: picture alliance/APA/picturedesk.com

"Schlag ins Gesicht"

Das Urteil sei "ein Schlag ins Gesicht", erklärt Regina Spöttl, Koordinatorin für Saudi-Arabien und die Golfstaaten bei Amnesty International, im Gespräch mit der DW. Die Entscheidung des Gerichts sei ein Signal an die internationale Gemeinschaft und habe eine eindeutige Botschaft: "Mischt euch nicht in unsere Angelegenheiten ein. Wir kümmern uns um unsere Angelegenheiten und ihr euch um eure."

Das Urteil, so Spöttl, richte sich aber auch an die saudische Bevölkerung. So herrsche in dem Land eine strenge Zensur. Dieser unterlägen vor allem die Zeitungen. Das Internet hingegen habe noch Spielräume. "Jetzt hat man ein Signal gesetzt und Raif Badawi als Galionsfigur verurteilt", so Spöttl. Die Botschaft sei deutlich: "Lasst die Finger vom Internet, geht nicht auf Twitter und Facebook, auf Instagram und so weiter. Ihr seht ja, was dann passiert".

"Die Last der Theokratie"

Ende März wurden Badawis zunächst im Internet veröffentlichte Essays auch auf Deutsch publiziert. Darin zeigt er sich zwar als scharfer Kritiker des religiösen Establishments. Doch Passagen, die den Islam "beleidigen", lassen sich dort schwerlich finden. "Wer die arabische Gesellschaft beobachtet", schreibt Badawi etwa, "dem wird sich auf spektakuläre Weise zeigen, wie diese unter der Last der Theokratie ächzt und stöhnt und leidet, deren Kleriker nichts als den Satz 'Ich höre und gehorche' hören wollen." Mit solchen Sätzen stellt er die religiöse Bevormundung zwar eindeutig in Frage. Aber beleidigend sind diese nicht - ebenso wenig wie die Art und Weise, in der Badawi manche Kleriker beschreibt: "Nicht, dass jenen Predigern, die mit dem Verstand der Menschen Geschäfte treiben, der Teppich unter den Füßen weggezogen wird."

Cover des Buches von Raif Badawi
Cover des Buches von Raif BadawiBild: Ullstein

Angesichts solcher zumindest nach internationalen Maßstäben zurückhaltender Sätze war die Verurteilung Badawis weltweit auf Kritik gestoßen. Der Tatbestand der Beleidigung des Islam sei "einer der vielen Gummiparagraphen in der Rechtsprechung Saudi-Arabiens", so Regina Spöttl. "Das passt einfach auf fast alles."

Nach dem Urteil gegen Badawi hat Saudi-Arabien den Gerichten des Landes auf der Grundlage eines neuen "Terrorgesetzes" noch schärfere Sanktionsmöglichkeiten eingeräumt. Das im Februar 2014 rechtsgültig gewordene Gesetz gibt dem Staat ein Mittel gegen "terroristische Verbrechen" an die Hand. Darunter versteht die saudische Legislative unter anderem folgende Delikte: Versuche, "die öffentliche Ordnung des Staates zu stören", "die Sicherheit der Bevölkerung oder des Staates zu destabilisieren", "die nationale Einheit zu bedrohen", oder "den Ruf oder das Ansehen des Staates zu schädigen". Auf diese dehnbaren Begriffe stützen die saudischen Richter viele ihrer Urteile.

"Besonders giftiger Islamismus"

Die nun erfolgte Bestätigung des Urteils gegen Badawi hat weltweit Kritik hervorgerufen. So forderte die EU-Kommission, auf den Vollzug der Körperstrafe zu verzichten: "Körperliche Bestrafung ist nicht hinnehmbar und läuft der Menschenwürde zuwider. Wir rufen die saudi-arabischen Behörden erneut auf, jegliche weitere körperliche Bestrafung von Herrn Badawi auszusetzen".

Auch die englische Tageszeitung "The Guardian" äußerte sich zur Urteilsbestätigung. Das Urteil sei "ein brutaler Beweis öffentlicher Einschüchterung". Das Land, so die Zeitung weiter, "ist Quelle eines besonders giftigen Islamismus, fanatischer Prediger und junger Männer, die durch ihre Kampfbereitschaft den Westen und den Nahen Osten bedrohen."

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel vor seinem Flug nach Saudi Arabien im Gespräch mit Unterstützern Badawis, 7.5. 2015 (Foto: dpa)
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel vor seinem Flug nach Saudi-Arabien im Gespräch mit Unterstützern BadawisBild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Denkbar ist allerdings, dass zumindest die Prügelstrafe doch nicht vollzogen wird. Die Chance sei da, sagt Regina Spöttl von Amnesty. Voraussetzung sei aber, dass sich Politiker weiterhin vehement gegen die Prügelstrafe aussprechen und auch an den König appellieren - gerade jene aus Ländern, die Geschäfte mit Saudi-Arabien machen. Mehrere Regierungen - etwa die kanadische oder die deutsche - hätten das auch bereits getan. "Und wenn das so weiter geht, dann können die Saudis womöglich irgendwann nicht mehr umhin und sagen: Wir bewegen uns. Der König hätte die Macht, Badawi freizulassen."