Warnung an Ankara
27. März 2003Geldregen für Ankara. Die Europäische Kommission will die Hilfen der Europäischen Union (EU) für die Türkei verdoppeln. Rund eine Milliarde Euro soll Ankara in den nächsten drei Jahren aus Brüssel erhalten, um die Anforderungen für einen Beitritt in die Europäische Union besser erfüllen zu können. Denn genau wie Rumänien und Bulgarien schafft es die Türkei aus eigener Kraft nicht, sich dem EU-Niveau in absehbarer Zeit anzunähern. Die EU unterstützt alle Kandidatenländer deshalb mit den so genannten Vorbeitrittshilfen aus Brüssel. Doch am Mittwoch (26.3.2003) hieß die Devise: wer Geld will, soll auch Leistung bringen.
Unmissverständliche Warnung
Der sonst so diplomatisch zurückhaltende Erweiterungskommissar Günter Verheugen schlug verbal mit der Faust auf den Tisch und sprach eine unmissverständliche Warnung an die türkische Regierung aus: "Wir erwarten, dass die Türkei als Beitrittskandidat in der Außenpolitik die fundamentalen Regeln der EU-Mitgliedsstaaten beachtet. Ich sage es ganz deutlich: jedes Eindringen türkischer Truppen in den Irak ist unerwünscht." Damit kritisierte er einen möglichen türkischen Einmarsch in den Nordirak, der in den ersten Tagen nach Beginn des Krieges gegen den Irak am Donnerstag (20.3.2003) scheinbar bevorstand. Die Türkei hätte dann aktiv an Kampfhandlungen der USA und ihrer Verbündeten im Krieg gegen den Irak teilgenommen. Außerdem betonte Verheugen, jegliche Diskussion um ein Einrücken der türkischen Armee in den Nordirak zu humanitären Zwecken sei überflüssig.
Durch die Vorbeitrittshilfen der EU sollen die reformbereiten Kräfte in der Türkei ermutigt werden. Der neue Vorschlag zur Beitrittspartnerschaft enthält neben den Vorbeitrittshilfen auch eine genaue Auflistung der Kriterien, die die Türkei bis Ende 2004 erfüllen muss, wenn sie will, dass die EU-Kommission ihren Beitrittswunsch positiv betrachtet: Abschaffung der Folter, Garantie der kulturellen Rechte, Versammlungsfreiheit, Meinungsfreiheit und genaue Kontrolle des Militärs. Die neuen Hilfsgelder sind ein klares Signal an die Türkei, nicht vom Weg nach Europa abzuweichen, und keine Alleingänge im Irak zu unternehmen.
EU soll eigene Strukturreformen angehen
Ebenfalls ein Signal, allerdings diesmal für die EU-Nationen: der unabhängige Bericht über die Auswirkungen der Erweiterung. Wim Kok, ehemaliger Premierminister der Niederlande, stellte die Ergebnisse der Untersuchung vor, und betonte vor allem eines: die Vorteile der Erweiterung überwögen die Kosten, Hindernisse und Risiken. Allerdings müsse die EU endlich die fälligen Strukturreformen angehen, forderte Kok: "Wir brauchen institutionelle Reformen, um die Entscheidungsprozesse in einer EU mit 25 Mitgliedern zu erleichtern." Die Erweiterung könne die europäische Wirtschaft ankurbeln. Aber das werde nur passieren, wenn die EU dem Wachstum Priorität einräume, so dass die Schere zwischen neuen und alten Mitgliedern sich schließt, so der Niederländer.
Der Arbeitsmarkt zum Beispiel, sagte Kok, müsse so reformiert werden, dass neue Jobs geschaffen und nicht nur alte geschützt würden. Außerdem fordert der Bericht eine Änderung in der Agrarpolitik der EU, und deutet an, Subventionen in den alten Mitgliedsstaaten müssten verringert werden. Auch im Bereich Justiz und in der Partnerschaft mit den europäischen Nachbarn soll die EU die Zusammenarbeit vertiefen. Während die EU also innenpolitisch bestehende Kooperationen ausbauen will, setzte sie auch außenpolitisch ein deutliches Signal: die Türkei muss sich an die EU-Spielregeln halten, wenn sie Mitglied werden will.