"Wüstenblume" - ein Film über weibliche Genitalverstümmelung
25. September 2009Ihre Füße stecken in Flip-Flops, auf dem weißen T-Shirt prangt die Aufschrift "Respect" und die wachen Augen kokettieren gekonnt mit den Kameras. Wenn das Supermodel in ihr aufblitzt, wirkt Waris Dirie jugendlich, unbeschwert. Doch seit über zehn Jahren hat die gebürtige Somalierin eine besondere Mission: Sie kämpft gegen weibliche Genitalverstümmelung. Die Welt wisse mittlerweile um das Problem, sagt Dirie, aber das sei ihr nicht genug. "So viele Länder haben die Initiative ergriffen, um gegen die Genitalverstümmelung zu kämpfen, die Menschen wehren sich. Es gibt mittlerweile so viele Organisationen, die sich engagieren, aber ich bin noch lange nicht zufrieden, weil ich zehn Jahre nach meinem ersten Besuch in Berlin immer noch über dasselbe Thema sprechen muss", so Dirie.
Realer als ein Märchen
Ihre Lebensgeschichte wirkt wie die moderne Version des Märchens vom Aschenputtel. Vom Nomadenkind aus der Wüste zum Topmodel in New York, von der analphabetischen Putzfrau zur politischen Rednerin vor der UNO. Nun wurde "Wüstenblume" also verfilmt, mit dem äthiopischen Model Liya Kebede in der Hauptrolle und Waris Dirie als Co-Produzentin: "Dieser Film zeigt nicht genau mein Leben, aber es ist ein toller Film über weibliche Genitalverstümmelung und vermittelt die Botschaft und hat die Leidenschaft, den Zuschauer aufzurütteln." 1997, auf dem Höhepunkt ihrer Modelkarriere, beschloss Dirie in einem Interview mit zwei Starjournalistinnen, ihr wahres Schicksal zu erzählen und das Ritual der Verstümmelung an jungen Frauen publik zu machen. Die heute 44-Jährige löste damit weltweit eine Welle von Mitgefühl und Protest aus. UN-Generalsekretär Kofi Annan ernannte sie zur UN-Sonderbotschafterin (1997-2002).
Somalias trauriger Rekord
Laut Weltgesundheitsorganisation WHO leiden knapp 92 Millionen afrikanische Mädchen und Frauen, die älter als neun Jahre sind, an den Folgeschäden von weiblicher Genitalverstümmelung. Waris Dirie –ehemals UN-Sonderbeauftragte – ist eine davon. Weitere etwa drei Millionen Mädchen in Afrika sind jährlich in Gefahr, beschnitten zu werden. Dieses grausame Ritual soll die sexuelle Lust der Frau verhindern. Viele sterben bei der qualvollen Prozedur, die anderen leiden meist ihr Leben lang unter Schmerzen und Traumata. Experten der WHO gehen davon aus, dass in Waris Diries Heimatland Somalia 98 Prozent der Frauen zwischen 15 und 49 Jahren beschnitten sind. Damit führt Somalia die Liste an.
Aufklärungskampagnen zeigen Wirkung
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützt seit gut zehn Jahren lokale Akteure in den west- und ostafrikanischen Ländern Benin, Burkina Faso, Kenia, Mali und Mauretanien und versucht dort, ein Zeichen gegen die Genitalverstümmelung zu setzen. In Benin habe es eine lange Aufklärungskampagne gegeben, so Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) und das Ergebnis "war das Abschwören derjenigen, die im Land bisher die Praxis betrieben haben und auch der lokalen Autoritäten". Bei einem Treffen mit Waris Dirie sicherte Wieczorek-Zeul ihr Gelder zu, um "Wüstenblume" als Aufklärungsfilm großflächig in Afrika zeigen zu können. Um Mut zu machen.
Der Unterhaltungswert kommt nicht zu kurz
Doch zeigt der Film nicht nur die schwierigen und grausamen Momente, sondern vermittelt auch eine ganz eigene Fröhlichkeit, die der deutschen Regisseurin Sherry Hormann sehr am Herzen lag. Es sei ihr ganz wichtig gewesen, "dieses Fröhliche, dieses Cindarella-Moment, wofür Waris ja auch auf der ganzen Welt bekannt ist, mit in diesen Film reinzubringen". Und sei es eben auch ein Entertainment-Film, der junge Menschen ins Kino locken wolle. Vielleicht wird der Film "Wüstenblume" sein Publikum wachrütteln. Bleibt zu hoffen, dass er auch diejenigen erreicht, die weibliche Genitalverstümmelung bisher dulden oder praktizieren.
Autorin: Ricarda Otte
Redaktion: Katrin Ogunsade