Wann setzt die US-Notenbank die Droge ab?
26. Oktober 2015Keiner rechnet damit, dass auf der Fed-Sitzung am Mittwoch (28.10.2015) der erste Zinsschritt seit sieben Jahren erfolgt. "Man hat seit der letzten Sitzung noch nicht viele ökonomische Daten bekommen", sagt Bernd Weidensteiner von der Commerzbank. Von daher könnten sich die US-Währungshüter seiner Meinung nach dafür entscheiden, sich weiterhin beide Optionen offen zu halten.
Sorgen bereitet der US-Notenbank vor allem China - die zweitgrößte Volkswirtschaft auf der Welt. Seit Sommer kommen von dort fast nur schlechte Nachrichten. Steigende Zinsen könnten einigen hochverschuldeten Lokalregierungen im Land und Unternehmen den Todesstoß geben und die gesamte Weltwirtschaft ins Wanken bringen, befürchten auch Ökonomen des Internationalen Währungsfonds und warnen vor einer zu frühen Zinsanhebung.
Angst vor neuen Turbulenzen
In einer globalisierten Welt darf eine wichtige Notenbank bei der Zinssetzung eben nicht nur auf das eigene Land schauen, sondern muss die gesamte Weltwirtschaft im Blick behalten. Hinzu kommt, dass in der Vergangenheit allein Ankündigungen der Fed, Staatsanleihekäufe zu reduzieren, zu Verwerfungen in den Schwellenländern führten, weil Investoren sofort begannen, ihr Geld von dort abzuziehen. Die Folge: "Die Währungen haben abgewertet und es gab eine gewisse Unruhe an den Finanzmärkten in diesen Ländern", sagt Bernd Weidensteiner gegenüber der DW.
Die Turbulenzen könnten noch stärker ausfallen, sollte die Notenbank der USA tatsächlich an der Zinsschraube drehen und das Ende der ultralockeren Geldpolitik einleiten. Zwei Probleme sieht der Commerzbank-Experte dann auf die Schwellenländer kommen: Erstens: Die Schulden in Dollar würden teurer, weil die einheimische Währung abwerte; "zweites Problem ist natürlich, dass dann möglicherweise der Kapitalabfluss aus diesen Ländern sehr stark einsetzt, was dann die inländischen Investitionen in Gefahr bringt."
Brasilien ist das eigentliche Sorgenkind
Gefährdet sei aber nicht China, glaubt Ansgar Belke von der Universität Duisburg-Essen: "China wird zum Jahresende hin stabiler werden. Auch Indien ist nicht anfällig. Es gibt aber andere Länder, die derartigen Schocks ausgesetzt sind. Dazu zählt auf alle Fälle Brasilien." Die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas hat nicht nur ein großes Haushaltsloch zu stopfen, auch das hohe Leistungsbilanzdefizit macht das Land verwundbar. Zudem droht die Wirtschaft zu stagnieren.
Im Vergleich zu Brasilien befindet sich China in einer recht komfortablen Situation. Zwar steigt das Bruttoinlandsprodukt nicht mehr so rasant, es wächst aber weiter. Der Handelsbilanzüberschuss erreichte im September mit über 60 Milliarden Dollar den Höchstpunkt seit einem Jahr. Das lässt die billionenschwere Devisenreserve weiter anwachsen. Insofern tauge China nicht dauerhaft als Grund, um die Zinsen nicht anzuheben, meint Bernd Weidensteiner, Fed-Experte bei der Commerzbank.
Dass der US-Notenbank bisher der Mut fehlte, liege auch am weltweiten Trend: "Der allgemeine Trend ist ja eher, dass man die Zinsen, wenn man es kann, noch weiter senkt beziehungsweise die unkonventionellen Maßnahmen wie QE ausweitet, was die EZB vielleicht wieder tun wird", so Weidensteiner.
Das Risiko des Nichthandelns
Dass Geld umsonst zu haben ist, daran haben sich Politiker wie Akteure an den Finanzmärkten längst gewöhnt. Das süße Gift lähmt den Reformwillen der Politik und betäubt das Risikobewusstsein der Investoren. Die Gefahr, dass sich durch das viele Geld gigantische Blasen bilden, wächst von Tag und Tag.
Das scheint auch Janet Yellen mehr Kopfschmerzen zu bereiten als die Sorge um Schwellenländer. Zudem boomt die US-Wirtschaft, die Vollbeschäftigung ist in Sicht. Wenn der Leitzins nicht jetzt erhöht wird, wann dann?
Beide Experten gehen davon aus, dass sich die Zentralbank in Washington Ende Dezember zu einer Zinswende durchringen wird. Es wird aber nur ein kleiner Schritt sein, was bedeutet, dass die Droge des billigen Geldes noch lange verabreicht werden wird. Nur die Dosis wird kleiner.