70. Geburtstag von Lech Walesa
Er hat den Kommunismus in Polen bezwungen. Jetzt blickt der ehemalige Arbeiterführer auf Jahrzehnte zurück, in denen er mitwirkte, die Welt zu verändern.
Rebell, Friedensnobelpreisträger, Staatspräsident a. D.
Er zwang den polnischen Kommunismus in die Knie und hat die Welt verändert. Polens ehemaliger Gewerkschaftsführer und späterer Präsident wurde vielfach für seine politische Lebensleistung geehrt. Am 29. September feiert Lech Walesa runden Geburtstag.
Streikführer
Im Sommer 1980 breitete sich eine Streikwelle über ganz Polen aus, ausgelöst durch eine Erhöhung der Fleischpreise. Walesa, der seit 1967 als Elektriker auf einer Danziger Werft arbeitete, hatte wegen seiner Aktivitäten in der illegalen freien Gewerkschaftsbewegung schon im Gefängnis gesessen und stand unter Beobachtung. Am 14. August stellte er sich auf der Lenin-Werft an die Spitze der Bewegung.
"Solidarität"
Nach der Besetzung der Danziger Werft folgten in ganz Polen Arbeiter dem Beispiel der Streikenden. Walesa war es, der für die neu gegründete Gewerkschaft "Solidarnosc" mit der Regierung verhandelte. Die beispiellose anti-sozialistische Bewegung der Arbeiter entwickelte sich schnell zu einer zehn Millionen Mitglieder starken, unabhängigen Organisation.
Kirchlicher Segen
Auch nach Jahrzehnten kommunistischer Herrschaft hielt ein großer Teil der Polen der Katholischen Kirche die Treue und verweigerte sich dem vom Staat propagierten Atheismus. Und die einflussreiche polnische Kirche stärkte den streikenden Dock-Arbeitern von Anfang an den Rücken. An der Seite des katholisch erzogenen Walesa stand immer wieder Pfarrer Henryk Jankowski.
Kampf um eine freie Gewerkschaft
Die Streikwelle wurde am 31. August 1980 durch ein Abkommen zwischen dem Streikkomitee und der Regierungskommission beendet, das die Garantie des Streikrechts, die Gründung einer unabhängigen Gewerkschaft, soziale Verbesserungen und die Freilassung politischer Häftlinge vorsah. Im November wurde die Solidarnosc durch ein Gerichtsurteil in Warschau endgültig legalisiert.
Vom Anführer zum Häftling
Walesa blieb bis zum Dezember 1981 Vorsitzender des "Nationalen Koordinationskomitees der Gewerkschaft Solidarnosc". Nachdem Parteichef und Ministerpräsident Jaruzelski das Kriegsrecht verhängt hatte, verschwand Walesa für fast ein Jahr in einem "Regierungserholungsheim" nahe der sowjetischen Grenze, wo er unter Hausarrest stand.
1983: Friedensnobelpreis
Das US-Magazin Time erklärte Walesa 1982 zum Mann des Jahres. Andere Auszeichnungen folgten. Als Walesa 1983 der Friedensnobelpreis verliehen wurde, befürchtete er, die kommunistische Regierung würde ihn bei seiner Rückkehr nicht mehr nach Polen einreisen lassen. Seine Frau Danuta und sein 13-jähriger Sohn Bogdan nahmen deshalb Urkunde und Medaille stellvertretend für ihn in Oslo entgegen.
Ein gestifteter Preis
Hunderte Gläubige waren Zeuge, als Lech Walesa in der südpolnischen Stadt Tschenstochau, einem der bedeutendsten Wallfahrtsorte der katholischen Kirche, seinen Nobelpreis der Schwarzen Madonna widmete. Das Preisgeld stiftete er der ins Exil vertriebenen "Solidarnosc".
Herausforderung der Regierung
Schon 1983 hatte Walesa beantragt, auf die Danziger Werft zurückkehren zu dürfen. Doch bis 1987 stand der Gewerschaftsführer unter ständiger polizeilicher Beobachtung. Die Solidarnosc organisierte trotzdem zwischen 1981 und 1988 immer wieder Streiks und Demonstrationen der Gruben-, Werft- und Transportarbeiter.
Als Präsident vereidigt
1989 erzwang die Streikwelle einen Runden Tisch, an dem Walesa den Vertretern der kommunistischen Führung gegenübersaß. In halbfreien Parlamentswahlen fuhr die Opposition einen überwältigenden Sieg ein. Lech Walesa legte am 22. Dezember 1990 vor der polnischen Nationalversammlung seinen Eid als Präsident ab.
Papst und Verfassung
Schon im Juni 1983, bei einem Besuch des polnischen Papstes Johannes Paul II. in seiner Heimat, traf Walesa Karol Wojtyla in einer Berghütte in Südpolen. Acht Jahre später kann er ihm als erster post-kommunistischer Präsident die Hand küssen. Dabei hält er in seiner Linken die erste Ausgabe der 200 Jahre alten polnischen Verfassung.
Rückzug in Würde
Ende 1995 hatte Walesa die Unterstützung der Bevölkerung verloren und wurde als Präsident nicht wiedergewählt. Die Würdigung der Welt blieb ihm jedoch erhalten, und ihre führenden Persönlichkeiten kamen in rascher Folge: Selbst der Dalai Lama verbeugte sich vor dem Mann, der in Polen für den großen Wandel gekämpft hatte.
Deutsch-polnische Freundschaft
In Deutschland wird Walesa als Wegbereiter der Einheit gewürdigt. Bei den Feierlichkeiten zum 20. Jahrestag des Mauerfalls am 9. November 2009 ist er ein lebendes Symbol der deutsch-polnischen Aussöhnung.
Angeschlagene Ikone
In Polen wird Lech Walesa heute auch kritisch gesehen, unter anderem wegen seiner diskriminierenden Äußerungen über Homosexuelle. Auch ein Film des berühmten Regisseurs Andrzej Wajda, der in diesem Jahr auf dem Filmfestival in Venedig vorgestellt wurde, zeigt den einstigen Weggefährten nicht makellos.
Vielfach geehrt
Er ist einen weiten Weg gegangen, vom einfachen Elektriker zum Nobelpreisträger und Präsidenten. Jetzt blickt er - mit Ehrendoktorwürden und vielfachen Auszeichnungen überhäuft - auf mehr als drei Lebensjahrzehnte zurück, in denen er den politischen Wandel Polens organisierte.