Das trockene Deutschland
21. April 2019Normalerweise blüht Ende Mai auch im Norden von Thüringen der Raps. Doch die strahlend gelben Felder wird man dort in diesem Frühling vergeblich suchen. In einigen Regionen des Bundeslands sei die Wintersaat im Frühling wieder umgepflügt worden, berichtet André Rathgeber vom Bauernverband Thüringen. Die Raps-Pflanzen hätten sich schlecht entwickelt. Statt die Gefahr von Ernteausfällen in Kauf zu nehmen, habe mancher Bauer die Fläche lieber für andere Saaten freigemacht.
Der Grund für das mangelnde Wachstum: Der Boden ist zu trocken, viel zu trocken, immer noch. Vor allem in den tieferen Bodenschichten ab 60 Zentimetern besteht dieses Problem fast deutschlandweit, sagt Corina Schube, Agrarmeteorologin beim Deutschen Wetterdienst DWD.
Pro Quadratmeter 200 bis 300 Liter Wasser zu wenig
Zwar habe es im vergangenen Winter normal viel geregnet. So fielen von Dezember bis Februar deutschlandweit 210 Liter Regen pro Quadratmeter. Das langjährige Mittel liegt mit 180 Litern sogar darunter. Aber für einzelne Regionen sagt der deutschlandweite Durchschnittswert wenig aus, gibt Schube zu bedenken. So habe man im März im Schwarzwald stellenweise 300 Liter Regen pro Quadratmeter gemessen, in Teilen Thüringens dagegen gerade einmal 25 Liter.
Fast überall gelte: "Die Regenfälle des Winters konnten das enorme Defizit, das der extrem heiße und trockene Sommer 2018 geschaffen hat, einfach nicht ausgleichen. Wir haben im Boden pro Quadratmeter zwischen 200 und 300 Liter Wasser zu wenig." Permanent ausgetrockneter Boden - ein Problem, das man vor allem aus den trockenen Regionen der Subtropen kennt, aber nicht aus Deutschland, schon gar nicht in diesem Ausmaß.
Verbreitete Waldbrandgefahr zu Ostern
Diese Dürre wird nun auch für den Wald gefährlich. Bis auf die Küstenregionen und den Südwesten herrscht in ganz Deutschland Waldbrandgefahr, im nördlichen Osten sogar "hohe" bis "sehr hohe": Warnstufen vier und fünf.
"Ein stabiles Hochdruckgebiet bringt extrem trockene Luft aus dem Nordosten mit", sagt Meteorologin Schube. Dazu steigen die Temperaturen kräftig an, im Rheinland sind stellenweise 26 Grad Celsius vorhergesagt. Der warme Wind sauge die Feuchtigkeit regelrecht aus den oberen Bodenschichten heraus.
Besonders hoch ist die Brandgefahr in Nadelwäldern: Fichte, Tanne, Kiefer und Co gedeihen am besten auf leichten, durchlässigen Böden, die allerdings auch am schnellsten austrocknen. Und der Wald hat noch ein Problem: Durch die massiven Sturmschäden der vergangenen Jahre, erklärt Utz Hempfling, Landesforstpräsident von Sachsen, liege viel abgestorbenes Holz und Laub in den Wäldern, das besonders leicht brennt. An Waldbesucher und Betreiber von Osterfeuern appelliert Hempfling: "Helfen Sie mit, unsere Wälder zu schützen!"
Dürre- statt Regenprognose
Angesichts der anhaltenden Trockenheit könnte im nördlichen Thüringen nach dem Raps nun auch der Winterweizen gefährdet sein. Fällt in den kommenden Wochen nicht ausreichend Regen, drohen Ernteeinbußen. "Die Landwirte hier hoffen auf Regen, schönen dauerhaften Regen über mehrere Tage. Ein Tag Regen bringt gar nichts", sagt Rathgeber vom Bauernverband.
Aktueller Dürremonitor vom Helmholtz Zentrum für Umweltforschung
Stattdessen können lokale Starkregenfälle die frische Saat wegspülen. Sie treten in Deutschland - vor allem im Sommer - mittlerweile immer häufiger auf. Sie vorherzusagen, sei schwierig, heißt es beim Deutschen Wetterdienst. Auch deswegen setze der DWD auf eine neue Dürre-Prognose: auf die Berechnung der Bodenfeuchte.
Anders als beim Wetter seien hier Vorhersagen von bis zu sechs Wochen im Voraus möglich, weil sich der Boden deutlich träger verhalte als die Atmosphäre, erläuterte der damalige DWD-Vizepräsident Paul Becker bei der Vorstellung der Methode Ende März in Berlin. Ist eine Trockenperiode absehbar, könnten Landwirte im noch feuchten Boden rechtzeitig düngen oder aussähen. Ab 2020 soll das neue Tool im Internet zur Verfügung stehen.
Beim Deutschen Bauernverband begrüßt man die Ankündigung des DWD. Eine bessere Dürreprognose könne Betriebe unterstützen, sagt Generalsekretär Bernhard Krüsken: "Angesichts der vielen Schäden durch die Phänomene des Klimawandels, würde ich mir aber auch ortsgenauere Wetterprognosen wünschen."
Trockenstress, Stürme und Borkenkäfer
Während Starkregen vor allem der Landwirtschaft Probleme macht, bedrohen den Wald am ehesten Stürme. Die Bäume können ihnen infolge von Trockenstress immer weniger standhalten, erklärt Sebastian Schreiber vom Deutschen Forstwirtschaftsrat. So bilde die forstwirtschaftlich viel genutzte Fichte bei Trockenheit weniger Baumharz, mit dem sie sich gegen den Borkenkäfer wehre, der sich durch die Rinde bohrt.
Weniger Harz bedeutet einfacheres Spiel für den Borkenkäfer. Und das bedeutet: geschwächte Bäume, die noch schneller verdorren und beim nächsten Sturm umfallen. Auf größeren Leerflächen im Wald entweicht die Feuchtigkeit wiederum schneller aus dem Boden, und hier beginnt der Kreislauf von vorn.
Die Quadratur des Kreises
Um den Wald an den Klimawandel anzupassen, pflanzen Forstwirte schon seit Jahren wieder mehr Laubbäume, sagt Schreiber. "Die wurzeln tiefer, helfen, den Waldboden stabiler zu machen und tragen auf lange Sicht dazu bei, dass der Boden das Wasser besser speichern kann, als etwa der Boden eines reinen Nadelwalds."
Aber auch hier steht man angesichts zunehmender Bodentrockenheit vor der Quadratur des Kreises: Junge Bäume haben kurze Wurzeln, an die Feuchtigkeit in den tieferen Bodenschichten reichen diese noch nicht heran. In der Folge verdorren die neu gepflanzten Kulturen bei Trockenheit wesentlich schneller als alte Bäume. 500 Millionen Jungbäume seien im Hitzesommer 2018 vertrocknet, berichtet Schreiber.
Um den Wald gegen die Auswirkungen des Klimawandels fit zu machen, setze die Forstwirtschaft auf strukturreiche Mischwälder: "Das bedeutet, alte Bäume werden nicht geschlagen sondern stehengelassen, es wachsen möglichst viele Baumarten nebeneinander, damit Schädlinge (die meist auf eine Art spezialisiert sind – Anm. d. Red) nicht das ganze Waldgebiet zerstören und es gibt immer wieder Inseln, in denen Alt- und Totholz liegengelassen wird."
Solche urwaldähnlichen "Inseln" bieten Lebensraum für verschiedene Tierarten, die ebenfalls für ein Gleichgewicht im Wald sorgen. Es klingt fast paradox - so trägt der Klimawandel dazu bei, dass es nun auch im Wirtschaftswald wieder heißt: zurück zur Natur!