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Wahlkampf auf Persisch

Theresa Tropper26. Februar 2016

Die Wahlen zum Parlament und Expertenrat haben begonnen, doch viele Iraner sind unsicher, ob sie abstimmen sollen. Konservative und Reformer werben dafür - denn es steht viel auf dem Spiel. Theresa Tropper aus Teheran.

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Frauen halten Plakate zur Wahl im Iran 2016 hoch (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/R. Homavandi/TIMA

Frauen im Tschador, schiitische Geistliche und junge Männer im Anzug: Mit ernsten Gesichtern blicken sie von Laternenpfählen und Hauswänden auf das Verkehrschaos auf dem Vanak-Platz im Zentrum Teherans hinab. Wie alle Plätze der Hauptstadt ist er mit Wahlwerbung zugepflastert. Konservative wie Reformisten kämpfen um die Gunst der Wähler - und darum, die Iraner überhaupt an die Urnen zu locken. "Das Land ist auf deine Stimme angewiesen", ruft auch Präsident Rohani in einer Textnachricht auf, die an alle iranischen Handybesitzer geht. "Am Freitag gestalten wir gemeinsam eine hoffnungsvolle Zukunft für unser Land."

Ein Wahlplakat wirbt für den Expertenrat (Theresa Tropper/DW)
Ein Wahlplakat für den ExpertenratBild: DW/T. Tröpper

Denn es steht viel auf dem Spiel: Im derzeitigen Parlament haben Konservative und Hardliner die Mehrheit. Und die haben zwar den außenpolitischen Entspannungskurs des Präsidenten mitgetragen, stehen vielen innenpolitischen Versprechen Rohanis aber skeptisch oder gar ablehnend gegenüber. Nach dem erfolgten Atomabkommen und dem Wegfall der Sanktionen sind sie vielmehr eifrig darum bemüht, die Entspannung in der Außenpolitik des Irans nicht zu sehr ins Innere zu übertragen. Eine Lockerung der Kleidungsvorschriften für Frauen oder der Zensur sozialer Medien wären darum im derzeitigen Parlament beispielsweise zum Scheitern verurteilt.

Mehr Unterstützung für den Präsidenten?

Mit der Wahl am Freitag könnte sich das ändern. "Ich bin überzeugt davon, dass ein Parlament gewählt wird, das mehr auf einer Linie mit dem Präsidenten ist", sagt etwa Hossein Kanani Moghadam von der Grünen Partei im Interview mit der DW. Bisher sei Rohani ohnehin mit Außenpolitik beschäftigt gewesen. "Jetzt, wo er da erfolgreich war, kann er auch andere Dinge angehen - und dabei könnte ihn ein neues Parlament unterstützen."

Wahlwerbung auf Autos im Iran (Theresa Tropper/DW)
Wahlwerbung macht auch vor Autos im Iran nicht HaltBild: DW/T. Tröpper

Kein Wunder also, dass Rohani sich im Vorfeld der Wahl dafür eingesetzt hat, dass möglichst viele der reformorientierten Kandidaten antreten dürfen und sich dafür sogar mit dem mächtigen Wächterrat angelegt hat. Der befindet gemäß der iranischen Verfassung über die Eignung von Kandidaten und hatte von den rund 12.000 Bewerbern zunächst mehr als die Hälfte aussortiert - darunter viele aus dem Lager der Opposition. Sie stimmten zu wenig mit der Verfassung der Islamischen Republik überein, so die Begründung. Rohani ermahnte das konservative Kontrollgremium daraufhin öffentlich, seine Entscheidung zumindest teilweise zu revidieren. Die Bürger dürften nicht den Eindruck bekommen, dass der Ausgang der Wahlen bereits vorab festgelegt sei.

Wählen oder nicht wählen, das ist die Frage

Ein Eindruck, der in diesen Tagen dennoch bei vielen Anhängern der Opposition vorherrscht - auch, wenn der Ausschluss von insgesamt 1500 Kandidaten tatsächlich widerrufen wurde. "Wir können nicht für die Kandidaten und die Ideen abstimmen, die wir wirklich gut finden", sagt etwa Ali und streicht sich dabei nachdenklich über seinen Schnurrbart. "Freie Wahlen sind das also nicht."

Mit seinen Freunden diskutiert der 63-Jährige bei einer Tasse Tee im Park, ob sie dennoch zur Wahl gehen sollen. "Ich bin der Meinung, wir sollten unsere Stimme abgeben", argumentiert sein Freund Hamid. Eine nicht perfekte Wahl sei besser als gar keine.

Das sehen auch die Vertreter der Reformisten selbst so. "Eine wirklich faire Abstimmung wäre es zwar nur, wenn auch tatsächlich jeder antreten dürfte, der möchte", sagt etwa Kandidat Alireza Mahjoub. Allein die Tatsache, dass es bei dieser Wahl aber eine offizielle Liste mit insgesamt 30 Reform-Kandidaten gibt, sei aber schon ein großer Fortschritt. "Beim letzten Mal waren wir nämlich nur zwei." Einen Boykott der Wahl hält er für wenig hilfreich: "Das nützt nur den Konservativen", erklärt er. Denn die hätten eine große Basis, die auf jeden Fall abstimmt. "Für uns Reformisten gilt: Je mehr von den anderen Menschen an der Wahl teilnehmen, umso besser."

Reformist Alireza Mahjoub (Theresa Tropper/DW)
Ein Boykott der Wahl bringt nichts, sagt Reformist Alireza MahjoubBild: DW/T. Tröpper

Die Wahl zum Expertenrat: noch wichtiger als das Parlament

Das gilt umso mehr, als diesmal nicht nur das Parlament neu gewählt wird, sondern auch der sogenannte Expertenrat. "Und diese Wahl ist noch wichtiger als die des Parlaments", sagt Seyed Reza Mousavinia von der Fakultät für Politik- und Rechtswissenschaften der Allameh Tabatabaei Universität. Denn das Gremium, das aus hohen schiitischen Geistlichen besteht, ist dafür zuständig, den Obersten Führer zu überwachen - und einen neuen zu wählen für den Fall, dass der derzeitige Amtsinhaber, Ayatollah Khamenei, stirbt. Der ist inzwischen 76 Jahre alt und hat selbst eingeräumt, dass er die achtjährige Amtszeit des Rates möglicherweise nicht überleben wird. Mit der Wahl seines Nachfolgers stellen die Mitglieder des Expertenrates also die Weichen für die politische Zukunft ihres Landes - möglicherweise auf Jahrzehnte.

Es ist ein Hauch von Hoffnung zu spüren auf den Straßen der Hauptstadt - Hoffnung auf Veränderung, die sich auch im Alltag der Menschen bemerkbar macht. "Die Wahl von Rohani hat schließlich vieles zum Guten verändert hier im Iran", sind sich Ali und Hamid einig. "Diese Wahlen werden ebenfalls viel verändern." Wie groß diese Veränderung aber tatsächlich ausfällt - darüber entscheiden die Iraner am Freitag an den Wahlurnen.