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Wahl in Tokio "kein Votum für Atomenergie“"

Martin Fritz10. Februar 2014

Bei der Neuwahl des Gouverneurs der Hauptstadt Tokio haben die Gegner der Atomenergie in Japan eine Niederlage erlitten. Trotzdem ist die neu angefachte Debatte über den Kurs der Energiepolitik damit nicht beendet.

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Shinzo Abe und Yoichi Masuzoe nach den Wahlen Tokio 2014 (Foto: AFP/Getty Images)
Bild: Jiji Press/AFP/Getty Images

Japans konservativer Regierungschef Shinzo Abe (3. v. l. im Foto oben) atmete sichtbar auf, nachdem der frühere Gesundheitsminister Yoichi Masuzoe mit großem Abstand zum neuen Gouverneur von Tokio gewählt wurde: "Jetzt können wir Hand in Hand wunderbare Olympische Spiele 2020 vorbereiten." Seine eigentliche Freude dürfte jedoch der Niederlage des Kandidaten Morihiro Hosokawa gegolten haben. Der Ministerpräsident des Jahres 1993 hatte versucht, die Gouverneurswahl zu einem Referendum über Atomenergie zu machen. Prominente Hilfe kam dabei vom populären Junichiro Koizumi, ein anderer Premierminister, der von 2001 bis 2006 regierte.

Doch die Strategie von Hosokawa und Koizumi ist nicht aufgegangen. Denn in Umfragen spricht sich zwar eine Mehrheit der Japaner für einen Ausstieg aus der Atomkraft aus. Aber die Energiepolitik steht in der Rangliste der wichtigen Themen bei vielen relativ weit unten. Den Tokioter Wählern lagen Arbeitsplätze und Wirtschaft, Überalterung und soziale Wohltaten mehr am Herzen als die Energiepolitik. Der 65-jährige Masuzoe erhielt jedenfalls mehr Stimmen als die beiden Anti-Atomkraft-Kandidaten - Hosokawa sowie Menschenrechtsanwalt Kenji Utsunomiya - zusammen.

Schrittweise weniger Atomstrom

Masuzoe hatte der Kampagne seiner Rivalen mit dem Versprechen, Tokios Abhängigkeit von der Atomkraft schrittweise zu verringern, den Wind aus den Segeln genommen. Er werde den Anteil von Strom aus erneuerbaren Energien von derzeit sechs Prozent in Tokio erhöhen, erklärte Masuzoe. Laut einer Umfrage des TV-Senders NHK unterstützte eine knappe Mehrheit der Wähler diese Haltung. Der 76-jährige Hosokawa räumte seine Niederlage ein. Er sehe jedoch eine Lücke zwischen dem Ergebnis und dem Enthusiasmus der Bürger, den er im Wahlkampf gespürt habe.

Klarer Wahlsieg: Yoichi Masuzoe von der LDP (Foto: AFP/Getty Images)
Klarer Wahlsieg: Yoichi Masuzoe von der LDPBild: Jiji Press/AFP/Getty Images

Auch Atomkraft-Gegner Koizumi will nicht aufgeben: "Das Ergebnis ist bedauerlich, aber ich werde mich auch in Zukunft anstrengen, einen Staat mit Null Atomkraft zu erreichen", erklärte der 72-Jährige, der sich nach der Atomkatastrophe von Fukushima vom Saulus zum Paulus gewandelt hat. Seine eigene Pro-Atom-Haltung während seiner Zeit als Premierminister erklärt Koizumi damit, dass er von den Stromkonzernen über die Sicherheit der Kraftwerke belogen worden sei.

Debatte um Atomkraft neu entfacht

Aus der Sicht der AKW-Gegner stellt sich das Wahlergebnis nicht als ein Votum für Nuklearenergie dar. So war die Wahlbeteiligung von 46 Prozent vor allem wetterbedingt ungewöhnlich niedrig. Der Autor Satoshi Kamata verwies auf den schlecht organisierten Wahlkampf von Hosokawa und Koizumi, während die regierende LDP und ihr Verbündeter Neue Komeito ihre komplette Wahlmaschine angeworfen hätten. Die Hosokawa-Kampagne habe einen großen Beitrag dabei geleistet, dass wieder über die Gefahren der Atomkraft geredet werde, schrieb Kamata in der liberalen Zeitung Asahi.

Morihiro Hosokawa Wahlen Tokio (Foto: AFP/Getty Images)
Ex-Premier Morihiro Hosokawa drang mit seiner Anti-Atom-Botschaft nicht durchBild: KAZUHIRO NOGI/AFP/Getty Images

Dennoch dürfte sich die Regierung Abe darin bestärkt fühlen, den Neustart der 48 abgeschalteten Reaktoren voranzutreiben. Im neuen Energieplan, dessen Verabschiedung Abe auf die Zeit nach der Tokioter Wahl verschoben hatte, wird die Atomenergie voraussichtlich als wichtige und grundlegende Energiequelle definieren. Wegen der Liberalisierung des Strommarkts ab dem Frühjahr könnte die Regierung jedoch darauf verzichten, einen prozentualen Anteil von Atomstrom festzulegen. Bis zum Fukushima-Unfall stammte 30 Prozent des Stroms aus der Kernspaltung. Nach Angaben von Industrieminister Toshimitsu Motegi erwägt die Regierung auch, dass drei bereits begonnene AKW-Bauprojekte vollendet werden dürfen.

Hohe Hürden für Neustarts

Doch in der Praxis warten noch einige Hindernisse für die ersten Wiederinbetriebnahmen. Die Sicherheitsüberprüfungen von 16 Reaktoren, die von den Stromkonzernen seit dem vergangenen Sommer beantragt wurden, ziehen sich nämlich in die Länge. Die neue Atomaufsichtsbehörde hat für diese Aufgabe nur 90 Mitarbeiter. Sie behandeln die Genehmigungen so, als ob die Kraftwerke eine zweite Betriebserlaubnis bräuchten, und gehen entsprechend gründlich vor. Außer der Regierung müssen danach noch die lokalen Behörden und Politiker zustimmen. Bis zum ersten Neustart dürften daher noch einige Monate vergehen.

Japans Industrieminister Toshimitsu Motegi in Fukushima (Foto: Reuters)
Industrieminister Toshimitsu Motegi (mit rotem Helm) unterstützt eine weiterhin führende Rolle des Fukushima-Betreibers TEPCO in der Atomindustrie des LandesBild: Reuters

Bereits in zwei Wochen - am 23. Februar - findet die nächste Schlacht um Atomenergie in Abes Heimatprovinz Yamaguchi statt. Anders als in Tokio geht es dort konkret um Atomkraft, nämlich um die Genehmigung eines AKW-Neubaus in Kaminoseki. Im weiteren Jahresverlauf finden Wahlen in den Präfekturen Ishikawa und Ehime statt, wo jeweils Atomkraftwerke stehen. Im Herbst wählen die Menschen von Fukushima einen neuen Gouverneur. Amtsinhaber Yuhei Sato verlangt den Abbau aller Atomreaktoren in der Präfektur. Das soll auch für die vier intakten Reaktoren im AKW Fukushima Daini ein Dutzend Kilometer südlich der havarierten Kraftwerke gelten.