Wagner-Neuling und alte Hasen
20. Juli 2012Regie bei Wagners Frühwerk, dem "Fliegenden Holländer", führt der 31-jährige Opernregisseur und Wagnerneuling Jan Philipp Gloger, am Pult wird ihm der in Bayreuth altbekannte Dirigent Christian Thielemann zur Seite stehen. Die DW sprach mit Festspiel-Chefin Katharina Wagner über diese neue Zusammenarbeit und über die Pläne fürs Jubliäumsjahr.
DW: Frau Wagner, Jan Philipp Gloger ist als Wagner-Regisseur noch nie in Erscheinung getreten. Was hat Sie dazu bewegt, ihn nach Bayreuth zu holen?
Katharina Wagner: Wenn man sich Jan Philipp Glogers Arbeiten im Schauspiel anschaut, und die sind ja zahlreich, sieht man: Er arbeitet handwerklich wahnsinnig sauber. Außerdem hat er auch schon an der Dresdener Semper-Oper inszeniert. Konzeptionell ist seine Arbeit immer sehr gut durchdacht. Es ist auch viel Witziges dabei. Was einen bewegen sollte, einen Regisseur zu wählen, ist vor allem auch das gute Handwerk.
Alle schauen auf das Jubiläumsjahr, den neuen "Ring" vor allem. Welchen Stellenwert hat der "Holländer" im Werk Ihres Urgroßvaters?
Ich glaube, es ist ein sehr geschätztes und beim Publikum sehr beliebtes Stück. Natürlich ist es ein frühes Werk. Man kann es nicht so stellenwertmäßig einordnen.
Warum haben Sie es nun ins Programm genommen?
Die Antwort ist relativ simpel: Er war mal wieder dran. In Bayreuth wechseln sich die Stücke turnusmäßig ab. Jede Inszenierung läuft durchschnittlich fünf Jahre, und der letzte "Holländer" von Klaus Guth ist eine ganze Weile her. Es war an der Zeit, den wieder auf den Spielplan zu nehmen.
Wie sind Sie darauf gekommen, den Regisseur Gloger und den Dirigenten Thielemann zusammenzubringen?
Christian Thielemann hat seinen Vertrag für den "Holländer" viel früher, noch mit unserem Vater unterschrieben. Es fehlte nur der Regisseur. Und diese Kombination bot sich an: Beide können sehr gut miteinander. Es ist eine tolle Arbeitsatmosphäre, die mögen sich richtig.
Die Kombination "Neuling im Graben und lauter Bayreuth-Neulinge auf der Bühne" war letztes Jahr nicht ganz so erfolgreich. Glauben Sie, das Modell "alter Bayreuth-Hase im Graben und Neuling auf der Bühne" wird besser funktionieren?
Erfahrung bewährt sich in gewisser Weise immer, was nicht ausschließt, dass man auch etwas Neues ausprobiert. Auch bei einem Neuling können spektakuläre Dinge herauskommen, die sensationell gut sind. Christian Thielemann ist im Bayreuther Festspielhaus daheim und hat eine unglaubliche Erfahrung mit der Akustik des Hauses.
Er ist nicht nur bewährt, sondern auch ausgezeichnet als Dirigent. Das sind zwei Merkmale, die ihn für Bayreuth besonders wertvoll machen. Ansonsten: Manchmal können Dinge eben schief gehen in der Kunst; aber wenn man nichts wagt, wird man nie eine spektakuläre künstlerische Leistung hervorbringen. Nehmen Sie Schlingensief: Das war auch eine Wagnis, aber der künstlerische Output war großartig.
Das erwarten Sie auch von Jan Philipp Gloger?
Wissen Sie, es ist immer schwierig, etwas über einen Kollegen zu sagen. Aber ich glaube, wir werden dieses Jahr einen sehr guten "Holländer" haben. Musikalisch ist er erstklassig besetzt, und Regie ist eben immer Geschmacksache. Ich glaube, Gloger hat sehr ästhetische Bilder auf die Bühne gestellt, die theatralisch mitreißen.
Sie sind also sehr entspannt, was den "Holländer" betrifft?
Ja, auf jeden Fall. Unser Orchestervorstand sagte schon: "Es läuft alles so glatt, es ist richtig angenehm." Man kann richtig gut schlafen. Die Besetzung, die Sänger, Christian Thielemann, Jan Philipp Gloger: Alle machen eine richtig gute Arbeit.
Alle gucken auf den "Ring" im großen Jubiläumsjahr. Sind Sie da nervös?
Den Ring in Bayreuth auf die Bühne zu bringen ist immer anstrengend, weil wir alle vier Stücke auf einmal machen. Frank Castorf wird schon am ersten August dieses Jahres anfangen zu proben. Das ist immer eine sehr große Kraftanstrengung, weil man alle vier Werke gleichzeitig proben muss. Auf der anderen Seite haben wir im Jubiläumsjahr noch ein wahnsinniges Rahmenprogramm: Wir werden die Frühwerke in der Oberfrankenhalle aufführen, es gibt das Geburtstagskonzert am 22. Mai 2013. Wir werden noch einen Geburtstagsfeier haben in der Stadthalle, wo Klaus Florian Vogt singt, und wir werden einen Filmwettbewerb ausrichten. Es ist noch sehr viel zu machen. Es macht mich nicht nervös, aber es macht viel Arbeit.
Am 11. August 2012 wird der "Parsifal" in zahlreiche Kinos in Deutschland, Österreich und in der Schweiz live übertragen. Wagner im Kino: Was versprechen Sie sich davon?
Ich glaube, es ist wichtig - gerade weil wir hier so wahnsinnig ausverkauft sind -, dass wir es schaffen, die Produktionen möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen. Ich glaube, das ist im Sinne Richard Wagners, der auch wollte, dass alles von ihm gesehen wird. Und es ist immer lustig: Bei der Übertragung haben sie eine ganz andere Perspektive auf das Werk. Es ist auch für mich immer spannend.
Wird Wagners Musik damit nicht entweiht?
Nein, das glaube ich nicht. Das Festspielhaus hat eine einmalige Akustik. Es ist ein ganz anderes Erlebnis, ob sie in einem Kino sitzen oder hier. Die Kamera bringt sehr viele Dinge sehr nah, aber sie hat nicht den Weitblick, den sie im Zuschauerraum selbst bestimmen können.
Was hätte ihr Urgroßvater dazu gesagt?
Ich kann bloß hoffen, dass es ihm gefallen hätte. Es ist eigentlich seine Richtung, dass möglichst viele seine Werke mitkriegen. Und dafür sorgen wir! (lacht)
Das Interview führte Hans-Christoph von Bock
Redaktion: Suzanne Cords