Waffen gegen IS-Terroristen
1. September 2014Die Sondersitzung des Bundestages über die geplanten Waffenlieferungen in den Irak hat am Montagnachmittag mit einer Schweigeminute angefangen: Am 1. September 1939 löste Deutschland mit seinem Überfall auf Polen den Zweiten Weltkrieg aus. 75 Jahre später debattieren die Abgeordneten über die Entscheidung der Bundesregierung, Waffen in den Nordirak zu liefern, um die kurdischen Kämpfer bei ihrem Kampf gegen den Vormarsch der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS, ehemals ISIS) zu unterstützen.
Eine Entscheidung, die - so Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) - "weitreichend" ist. Schließlich bedeutet sie die Abkehr von einem Grundsatz der deutschen Außenpolitik, der seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges gilt: nämlich, keine Waffen in Kriegs- und Krisengebiete zu liefern. Merkel verteidigte die Entscheidung mit dem "unvorstellbar grausamen" Vorgehen der Kämpfer des "Islamischen Staates". In den von der sunnitischen Extremistengruppe eroberten Gebieten in Syrien und im Irak rufen IS-Kämpfer den Gottesstaat aus, bedrohen, foltern und ermorden religiöse Minderheiten und Andersdenkende.
Die Regierung habe vor der Wahl gestanden, kein Risiko einzugehen und letztlich die Ausweitung des IS hinzunehmen, so Merkel - oder aber "die zu unterstützen, die gegen den grausamen Terror kämpfen". Deutschland habe jetzt die Chance, das Leben von Menschen zu retten und weitere Massenmorde im Irak zu verhindern: "Diese Chance müssen wir nutzen." Zudem drohe eine Destabilisierung der gesamten Region, die sich auch auf Deutschland und Europa auswirken könne, betonte Merkel mit Blick auf deutsche Dschihadisten, die in den Reihen der Terrorgruppe IS kämpfen.
Oppermann: Nothilfe für Rettung von Menschenleben
Am Sonntagabend hatte die Bundesregierung beschlossen, den irakischen Kurden unter anderem Panzerfäuste, Gewehre, Handgranaten und Munition aus vorhandenen Beständen der Bundeswehr zu liefern. Die USA unterstützen die kurdischen Kämpfer im Nordirak bereits mit Waffenlieferungen und Luftschlägen auf IS-Kämpfer. Auch andere westliche Staaten liefern bereits Waffen.
Deutschland könne nicht nur passiv zuschauen und anderen die Verantwortung für den Kampf überlassen, so Thomas Oppermann. "Das wäre nicht angemessen", erklärte der SPD-Politiker. Die Waffenlieferungen seien eine "Nothilfe für die Rettung von Menschenleben".
Gysi: Waffen könnten in falsche Hände gelangen
Gregor Gysi, Fraktionsvorsitzender der größten Oppositionspartei Die Linke, kritisierte die deutschen Waffenlieferungen hingegen als "völlig falsch". Wenn der Irak etwas genug habe, dann seien es Waffen. Es sei davon auszugehen, dass deutsche Waffen auch in die Hände von Kämpfern des "Islamischen Staates" gelangen könnten: Denn die kurdischen Peschmerga-Kräfte würden ihre Waffen oft kampflos dem IS überlassen. "Auf die Waffenverwendung haben Sie keinen Einfluss." Wer Waffen liefere, der riskiere, dass sie bei den Dschihadisten enden, so seine Parteikollegin Ulla Jelpke.
Auch die Grünen sprachen sich nach Angaben von Anton Hofreiter mehrheitlich gegen Waffenlieferungen aus. "Die Risiken überwiegen den kurzfristigen Nutzen der Waffen", betonte der Fraktionschef. Niemand könne kontrollieren, "wo die Waffen landen". Deutsche Waffen könnten zum Treibstoff für innerirakische Konflikte werden. Hofreiter sprach sich für eine politische Lösung für die Region aus: Nur wenn die irakische Regierung alle Volksgruppen berücksichtige, würden sich die sunnitischen Stämme, die zum Teil gemeinsam mit dem "Islamischen Staat" kämpfen, aus diesem Bündnis lösen.
Im Anschluss an die Debatte stimmte eine Mehrheit der Parlamentarier für einen Entschließungsantrag, mit dem die schwarz-rote Koalition die Entscheidung der Bundesregierung, Waffen zu liefern, unterstützt. Der Antrag hat nur symbolische Bedeutung: Ein echtes Mitspracherechte hat das Parlamenten bei den Waffenlieferungen nicht.