Waffengeschäfte versus Menschenrechte
22. Februar 2018Fotos einer türkischen Nachrichtenagentur belegen es: Die türkische Armee geht auch mit Leopard-2-Kampfpanzern aus deutscher Produktion gegen die Kurdenmiliz YPG in Syrien vor. In Berlin reagierten viele Politiker entsetzt. Die Regierung in Ankara zeigte sich irritiert von der Kritik am Einsatz der Leopard-2-Panzer. "Wir haben sie ja für Tage wie heute gekauft, wenn wir angegriffen werden. Wann sollten wir sie denn sonst einsetzen?", wehrte Ministerpräsident Binali Yildirim die Bedenken ab.
Außerdem sei es die Aufgabe der Türkei, die Südflanke der NATO zu verteidigen, erklärte er bei einem Besuch in Berlin am 15. Februar und ergänzte: "Als NATO-Mitglied ist das auch Deutschlands Verantwortung." Die Bundesregierung bringt die türkische Offensive in Schwierigkeiten, denn eigentlich wollte sie die von Ankara gewünschte Nachrüstung der Leopard- 2-Panzer genehmigen. Nun ist davon zumindest offiziell keine Rede mehr, auch wenn Gerüchten zufolge der Deal bereits angebahnt wurde. Die endgültige Entscheidung soll die neue Bundesregierung fällen.
Rüstungsgeschäfte zwischen Deutschland und der Türkei haben eine lange Tradition: Seit den 1980er Jahren hat die türkische Regierung - neben anderen Waffen - in Deutschland Kampfpanzer vom Typ Leopard gekauft, der von den Rüstungsfirmen Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann produziert wird. Inzwischen besitzt die türkische Armee mehrere Hundert Leopard-Panzer, der als Mercedes unter den Kampfpanzern gilt. Der Leopard 2, den auch die Bundeswehr nutzt, ist die modernste Version und sehr begehrt auf dem globalen Rüstungsmarkt.
Vorfahrt für NATO-Partner
Das bloße Kaufinteresse eines anderen Landes reicht allerdings nicht, um Rüstungsgüter in Deutschland zu erwerben. Entsprechende Anfragen muss der Hersteller bei der Bundesregierung einreichen, die dann über die Genehmigung entscheidet. Bei ihren Entscheidungen orientiert sie sich an den sogenannten "Rüstungsexportrichtlinien", die die damalige rot-grüne Bundesregierung im Jahr 2000 erlassen hat.
Den Bündnispartnern in der EU und der NATO, zu denen die Türkei gehört, ist darin ein eigenes Kapitel gewidmet. Sie gelten grundsätzlich als vertrauenswürdige Empfängerländer, weshalb es über den Export von Kriegswaffen heißt: "Er ist grundsätzlich nicht zu beschränken, es sei denn, dass aus besonderen politischen Gründen in Einzelfällen eine Beschränkung geboten ist."
Mit und ohne Auflagen
So handhabte es die Bundesregierung auch in der Regel, wenn die Türkei deutsche Waffen bestellte. Einige Lieferungen waren allerdings an Auflagen geknüpft, etwa jene im Rahmen der sogenannten "NATO-Verteidigungshilfe". In diesen Fällen musste sich die Türkei verpflichten, die Waffen nur zum Zweck der Landesverteidigung und nicht im Rahmen innerstaatlicher Konflikte einzusetzen, etwa gegen die Kurden. Ob sie sich daran auch tatsächlich hielt, wurde von Beobachtern allerdings wiederholt bezweifelt. Die Lieferung der etwa 350 Leopard-2-Panzer wurde lediglich mit einer Klausel verknüpft, die den Weiterverkauf beschränkte.
Weniger Genehmigungen
In den vergangenen Jahrzehnten lieferten deutsche Firmen vorrangig Kleinwaffen, Panzer und Kriegsschiffe in die Türkei. Die Geschäfte waren rege. Angesichts des Kurdenkonflikts und der Menschenrechtslage forderten vor allem Linke und Grüne immer wieder einen völligen Stopp der Waffenlieferungen. Diese gingen aber erst nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei im Juli 2016 zurück, auf den Repressionen im Land folgten.
Aus Sorge, dass dabei deutsche Waffen zum Einsatz kommen könnten, versagte die Bundesregierung nach dem Putsch mehr Exportgenehmigungen in die Türkei als zuvor. Das brachte die Rüstungsgeschäfte aber nicht zum Erliegen: In den ersten vier Monaten des Jahres 2017 - das sind die aktuellsten verfügbaren Zahlen - erteilte sie insgesamt noch 57 Genehmigungen. Oberste Maxime scheine nicht die Menschenrechtslage zu sein, "sondern der Grundsatz, dass der Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern an den NATO-Partner Türkei grundsätzlich nicht beschränkt wird", monierte die Fraktion der Grünen im Mai 2017 in einer Anfrage an die Bundesregierung.
"Keine schmutzigen Deals"
Auch die Verhaftung deutscher Staatsbürger in der Türkei trug dazu bei, dass Rüstungsgeschäfte auf Eis gelegt wurden. Nicht ohne Grund sprach sich der Journalist Deniz Yücel vehement dagegen aus, seine Freilassung mit "schmutzigen Deals" zu verknüpfen, also der Zusage zu bestimmten Rüstungsgeschäften. Die Bundesregierung bestreitet, dass sie irgendwelche Zusagen gegeben hat. "Weder gab es saubere noch schmutzige Deals", betonte der geschäftsführende Außenminister Sigmar Gabriel. "Es hat nie einen Deal gegeben", pflichtete sein türkischer Amtskollege Mevlüt Cavusoglu bei.
Die türkische Regierung bekundete aber nach Yücels Freilassung demonstrativ und öffentlich ihr Interesse daran, gemeinsamen mit deutschen Firmen einen Kampfpanzer zu bauen - gerade so, als sei ein wichtiges Hindernis nunmehr aus dem Weg geräumt. Inzwischen warnen immer mehr Parlamentarier und Menschenrechtler davor, weitere Waffen in die Türkei zu liefern. So fordert etwa die "Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung", alle Rüstungsexporte in die Türkei zu stoppen.
Panzerbau in der Türkei
Mittelfristig strebt die Türkei an, von Waffenlieferungen aus dem Ausland unabhängiger zu werden, weshalb sie ihre eigene Rüstungsindustrie ausbaut. Geplant ist der Bau von 1000 türkischen Kampfpanzern vom Typ "Altay". Das ist aber nicht ohne Expertise aus dem Ausland, Lizenzen und Technologietransfer möglich. Hier kommen wieder deutsche Firmen wie Rheinmetall ins Spiel - und weichen auf neue Formen der Kooperation mit der Türkei aus. Zusammen mit einer der türkischen Firma hat Rheinmetall 2016 das Joint Venture "Rheinmetall BMC Defense Industry" in der Türkei gegründet. Diese Firma hat sich für die Entwicklung und den Bau des "Altay"-Panzers beworben. Solange keine Waffenteile aus Deutschland dazugekauft werden, bedarf es für diese Art des Wissenstransfers keiner Genehmigung aus Berlin.