Der Weg der Waffen nach Syrien
9. Oktober 2014Krieg ist nicht nur ein grausames und blutiges, sondern auch ein aufwendiges Geschäft. Waffen, Munition, Sold für die Kämpfer, Logistik - all das ist teuer. Selbst der begrenzte amerikanische Militäreinsatz gegen den sogenannten "Islamischen Staat" verschlingt stündlich 312.000 US-Dollar, so die amerikanische Nichtregierungsorganisation "National Priorities Project".
Doch trotz der hohen Kosten und der Schwierigkeit der Beschaffung: Drei Jahre nach Beginn des Bürgerkrieges fehlt es in Syrien an vielem, aber nicht an Waffen. Das Land entwickelte sich zu einem Zentrum des Waffenhandels - und Schmuggels.
Über welche Wege der Nachschub erfolgt und in welchen Mengen lässt sich dabei nur schwer verfolgen, betont Pieter Wezeman vom Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI. Russland und der Iran würden das Assad-Regime weiter mit Waffen versorgen, wobei Russland schwere Waffen und Kampfjets aber offenbar zurückhalte, so Wezeman.
Die verschiedenen Rebellengruppen hätten sich zunächst aus den wohl gefüllten Arsenalen der syrischen Armee bewaffnet: Teils, weil desertierende Soldaten ihre Ausrüstung mitgenommen hätten. Teils, weil sie Waffendepots erobern konnten. Später hätten sich die Rebellen auf dem Schwarzmarkt eingedeckt, etwa im Libanon: Dort lagern nach jahrzehntelangen Konflikten Waffen in großen Mengen. Auch aus prall gefüllten libyschen Beständen sind nach dem Sturz des früheren Machthabers Muammar al-Gaddafi Waffen nach Syrien gelangt.
Lieferungen auf verschlungenen Wegen
Vor allem aber, so Wezeman, hätten Saudi-Arabien, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate und auch Jordanien Rebellengruppen mit Kriegsgerät unterstützt. Dass die Waffen dabei auf verschlungenen Wegen geliefert werden und schnell die Hände wechseln, zeigt Eliot Higgins am Beispiel der Panzerabwehrrakete M79. Higgins betreibt unter dem Pseudonym Brown Moses die investigative Webseite #link:https://www.bellingcat.com/:Bellingcat# und sagt, dass diese Waffen gegen den Willen ihrer Lieferanten sogar in die Hände des IS gelangt sind.
Saudi-Arabien hatte die Panzerabwehrraketen mutmaßlich 2013 in Kroatien gekauft, mit einem jordanischen Flugzeug nach Jordanien geflogen und von dort aus über die Grenze nach Syrien geschmuggelt. Dort sollen sie Kämpfern der Freien Syrischen Armee übergeben worden sein. Mittlerweile sind M79-Raketen in den Händen kurdischer Kämpfer. Die haben sie im Kampf gegen IS erobert.
Waffenuntersuchung im Kampfgebiet
Das ist belegt durch die Arbeit der Londoner Nichtregierungsorganisation #link:http://www.conflictarm.com/:Conflict Armament Research#, CAR. Experten von CAR hatten zwischen Mitte Juni und Anfang August in Nordsyrien und im Nordirak Zugang zu Waffen, die kurdische Kämpfer in überrannten IS-Stellungen fanden. Diese haben sie auf ihre Herkunft untersucht. Für James Bevan, den Direktor von CAR steht fest, dass der IS den Großteil seiner Waffen auf dem Schlachtfeld erbeutet hat: "Das spiegelt sich in den Waffen und der Munition wider, die wir dokumentiert haben", berichtet Bevan aus dem Nordirak. "Dabei ist die wichtigste Quelle die irakische Armee. Von dort kommt eine Mischung aus irakischer Ausrüstung und Gerät, das die USA der irakischen Armee zur Verfügung gestellt haben", so der Londoner Konfliktforscher.
Was die CAR-Forscher besonders beeindruckt hat: Das Tempo, mit dem der IS erbeutete Waffen an andere Frontabschnitte bringt: Bereits zwei Wochen nach dem Fall von Mossul im Nordirak tauchten dort erbeutete Waffen bei IS-Kämpfern im 500 Kilometer entfernten Kobane im Norden Syriens auf. Ebenso vermerkt der CAR-Bericht: Systematisch seien bei IS-Waffen die Seriennummern mit Schneidbrennern entfernt worden. Damit wird es unmöglich, die Lieferketten zu verfolgen und zu erkennen, an welchem Punkt die Waffen von legitimen Lieferungen abgezweigt wurden.
Vielzahl an Bezugsquellen
In einem zweiten Bericht untersucht CAR die Herkunft von IS-Munition. Zwischen Mitte Juli und Mitte August sammelten CAR-Experten im Kampfgebiet rund 1700 Schuss Munition ein. Überraschend: die Bandbreite der aufgefundenen Munition. Die Patronen kamen aus 21 Ländern und wurden zwischen 1945 und 2014 hergestellt. Ein Zeichen für die Vielzahl an Bezugsquellen des IS. Und auch hier: Ein knappes Fünftel der erbeuteten Munition kam aus US-Beständen.
Aus Sicht von SIPRI-Experte Wezeman zeigt das deutlich die Risiken von Waffenlieferungen: Es bestehe immer die Gefahr, dass sie in den falschen Händen enden. James Bevan von CAR ergänzt, diese Gefahr werde multipliziert, wenn man eine schwache Truppe ausrüste, die möglicherweise vom Gegner überrannt werde.
Auch aus diesen Gründen waren die westlichen Staaten bislang zurückhaltend mit Waffenlieferungen an syrische Rebellengruppen. Die USA hatten zunächst nur sogenannte "nicht tödliche Ausrüstung" geliefert, etwa Nachtsichtgeräte oder Kommunikationsgerät. Vor einem Jahr aber begann die CIA mit der Lieferung von leichten Waffen. Und derzeit will sich das Weiße Haus vom Kongress 500 Millionen Dollar zur Bewaffnung und Ausbildung von moderaten Rebellengruppen für den Kampf gegen IS genehmigen lassen.
Der Vormarsch des IS hat daneben auch Deutschland und anderen westliche Länder zu umstrittenen Waffenlieferungen veranlasst - für die Kurden im Nordirak. Neun Länder Europas haben Lieferungen an die Peschmerga zugesagt oder schon abgewickelt. Sogar Albanien ist mit dabei und liefert über 20 Millionen Schuss Munition für Schnellfeuergewehre. Die Zukunft wird zeigen, wo dieses Material landen wird.