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Die Zukunfts-Konferenz

Hendrik Heinze18. Juni 2013

Priester und Presseleute, Kölnerinnen und Kenianer: Beim traditionell bunten "Global Media Forum" in Bonn diskutieren 2000 Teilnehmer zu Wasser und zu Land über die Grenzen des Wachstums.

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Teilnehmer des Global Media Forum 2012 im Sitzungssaal (Foto: DW/K. Danetzki)
Bild: DW/K. Danetzki

Wie wollen wir eigentlich leben? Nein, ganz im Ernst: Wie soll das eigentlich alles weitergehen? Mit einem Wirtschaftssystem, in dem wenig auf Gerechtigkeit, aber alles auf Wachstum ausgerichtet ist. Einem Planeten, der - so glauben es viele - mehr gedankenloses Wachstum gar nicht aushalten kann. Und schließlich mit den Medien und ihrer wichtigen Rolle: Irgendwie muss Europa ja erfahren von den Leidtragenden der derzeitigen Weltordnung in, sagen wir, Bangladesch.

Und durch irgendjemanden müssen die Näherinnen in Südasien ja erfahren, was im Rest der Welt gedacht wird über ihre Arbeitsbedingungen und ihr immer häufiger überschwemmtes Land. Und wenn die Medien den ersten Teil ihrer Arbeit getan haben, dann kommt - wiederum vermittelt durch Medien - mit Glück etwas in Gang: ein Austausch, vielleicht sogar eine Lösung.

Alter Bundestag wird zum Ort der Begegnung

Wie wollen wir eigentlich leben und wirtschaften: Auf diese Fragen wollen vom 17. bis 19. Juni die Teilnehmer des Bonner Global Media Forum (GMF) Antworten suchen. "Das GMF ist im Grunde eine Plattform, auf der wir Menschen unterschiedlicher Professionen zusammenbringen", sagt DW-Intendant und GMF-Veranstalter Erik Bettermann. "Menschen, die sonst normalerweise nicht miteinander direkt kommunizieren - also aus den Medien, der Wirtschaft, der Politik und der Entwicklungszusammenarbeit."

Das Programm des Global Media Forum begünstigt diesen Austausch. Möglichst offen soll es zugehen, sagt Bettermann: "Als Veranstalter haben wir davon abgesehen, alles inhaltlich durchzustrukturieren. Sondern wir haben sehr viele Arbeitsgruppen, in denen alle Beteiligten die Chance haben, ihre Ideen, ihre Positionen darzustellen. Und das macht vielleicht das Besondere aus."

Noam Chomsky (Foto: KHALIL MAZRAAWI/AFP/Getty Images)
GMF-Stargast und Eröffnungsredner: Noam Chomsky, einer der bedeutendsten Intellektuellen der GegenwartBild: KHALIL MAZRAAWI/AFP/Getty Images

So sieht es auch Elke Holst, Wissenschaftlerin aus Berlin und Teilnehmerin am GMF. Sie freut sich auf die Veranstaltungen, "in denen unterschiedliche Kulturen zusammenkommen, und man erkennen kann, wie unterschiedlich die Vorlieben und die Situationen in den jeweiligen Ländern sind."

Mehr als 50 Programmpunkte gibt es, 40 davon Arbeitsgruppen. Viel zu diskutieren also für die etwa 2000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die zur sechsten Auflage des GMF in den einstigen Plenarsaal des deutschen Parlaments in der früheren Bundeshauptstadt Bonn kommen. Motto der englischsprachigen Tagung: "The future of growth - economic values and the media", oder auf deutsch: "Die Zukunft des Wachstums - Wirtschaft, Werte und die Medien".

Wachstum: Nötig? Grün? Um jeden Preis?

Die Grenzen des wirtschaftlichen Wachstums gerieten zum ersten Mal 1972 ins Blickfeld einer größeren Öffentlichkeit. Damals veröffentlichte die Gelehrtenvereinigung "Club of Rome" ihre bahnbrechende Studie zum Thema. Gut 40 Jahre später hat sich an dessen Brisanz nichts geändert - und viele sehen diese Grenzen erreicht, wenn nicht überschritten. "Braucht es für steigenden Wohlstand zwingend Wachstum?", fragt Intendant Bettermann im Vorwort des Tagungsheftes.

Sollte dieses Wachstum "grün" sein, wie es sich Bonns Bürgermeister in seinem Grußwort wünscht? Und wie hoch soll der Preis sein, den wir alle für dieses Wachstum bezahlen? Versuche einer Antwort gibt es am Mittwochmorgen (19.06.2013), unter anderem von Reiner Hengstmann, Direktor für Umwelt- und Sozialstandards der Textilfirma Puma sowie vom Begründer des alternativen Nobelpreises, Jakob von Uexküll.

Ganz anders gehen ein US-amerikanischer Forscher und eine russische Wirtschaftsjournalistin das Thema am Dienstagnachmittag an: Ist die Fokussierung auf das Bruttoinlandsprodukt - und damit auf das Wirtschaftswachstum - eigentlich noch angemessen? Oder ist es Zeit für andere Maßstäbe, etwa das "Bruttonationalglück"?

Wissenschaftlerin Elke Holst spricht in ihrem Workshop am Dienstagnachmittag über Geschlechter-Aspekte des Wachstums. "Das ist sehr wichtig", sagt sie. "In den Positionen, in denen Entscheidungen getroffen werden - und in denen damit auch die Richtung des Wachstums besprochen wird - da ist es meistens so, dass Männer an der Spitze stehen." Holst ist sich sicher: Wären Vorstände stärker mit "Menschen unterschiedlicher Lebenswirklichkeiten" besetzt, mit Frauen etwa oder Angehörigen von Minderheiten, die Wirtschaftswelt - und das Wachstum - sähen anders aus.

Wüsten-Experte trifft chinesischen Dissidenten

Li Chengpeng (Foto: Li Ruihe)
Erhält einen Bobs-Award: Li Chengpeng aus ChinaBild: Li Ruihe

Andere Redner stellen das Wachstum als solches nicht in Frage: "Je gesünder und stärker Menschen sind, desto mehr können sie zu wirtschaftlichem Wachstum beitragen", heißt es am Montag. Ebenfalls am Montag geht es schließlich um Energieversorgung und Wirtschaftswachstum, es sprechen ein katholischer Geistlicher aus Nigeria und eine indische Forscherin. Eine Begegnung, die zeigt, in welchem Geist die GMF-Macher ihr Forum gestalten wollen: Da trifft der Spezialist für Telemedizin von den Philippinen die Menschenrechtlerin aus dem Tschad, der Pressechef eines Handelskonzerns den Staatsminister für Kultur, die junge Senatorin aus Kenia den US-Starlinguisten, der Spezialist für Wüstenbildung den chinesischen Dissidenten.

Fragt man DW-Intendant Erik Bettermann, verdienen zwei Teilnehmer-Gruppen besondere Erwähnung. Zum einen seien das die Vertreter der "Rebroadcaster" - jene weltweit fast 5000 TV- und Radio-Stationen also, die Programminhalte der DW ausstrahlen. Der Austausch mit ihnen sei der Deutschen Welle wichtig, sagt der Intendant. "Für uns als deutschen Auslandsrundfunk ist das GMF ein ganz wichtiges Treffen, auf dem wir auch darüber nachdenken, was unsere direkte Aufgabe ist, und aus dem wir Anregungen ableiten und neue Schwerpunktsetzungen." Und auch auf die Gewinnerinnen und Gewinner der Bobs-Awards freut sich Bettermann. Der DW-Preis für Online-Aktivismus wird am Dienstagabend verliehen.

Ein weißes Passagierschiff liegt am Bonner Rheinufer (Foto: DW)
Keiner entkommt, alle lernen sich kennen: Fester Bestandteil ist die Bootsfahrt für alle TeilnehmerBild: DW

Leinen los, gelöste Stimmung

Und wer sich bei all dem noch immer nicht begegnet, tut es ganz sicher auf der Bootsfahrt aller Teilnehmer auf dem Rhein. "Da sind alle an Bord und man kann mit jedem reden", sagt Bettermann. "Das ist ein riesiger Kommunikationsplatz. Und ich kann mich nicht entsinnen, dass mir einer zum Schluss mal gesagt hat, ich habe den und den treffen wollen und habe ihn nicht getroffen."