VW und Mercedes: Beispiele des Umbruchs
30. September 2005
Wie sich doch die Bilder gleichen: Bei Mercedes wie bei Volkswagen haben zwei neue Männer das Steuer in die Hand genommen. Beide, Dieter Zetsche bei den Schwaben und Wolfgang Bernhard bei den Wolfsburgern, haben auf der Frankfurter Autoschau vor zwei Wochen freudestrahlend schicke neue Modelle präsentiert. Danach war Schluss mit lustig: Der eine rang der Volkswagen-Belegschaft harte Zugeständnisse ab, um einen neuen Geländewagen kostengünstiger im Stammwerk und nicht im billigeren Werk in Portugal zu bauen. Der andere verkündete mal eben den Abbau von 8500 Arbeitsplätzen in Deutschland. Und anschließend sprachen beide Manager als ob sie früher im gleichen Knabenchor gesungen hätten: "Das war erst der Anfang." Womit sie wohl Recht haben.
Rasanter Umbruch für die Standorte in Europa
Deutschlands Automobilindustrie steht am Anfang eines rasanten Umbruchs. Schon gibt es ernst zu nehmende Studien, die das Ende der Massenproduktion am Standort Deutschland innerhalb der nächsten 15 Jahre vorher sagen. Ein durchaus denkbares Szenario, wenn man das Beispiel Großbritannien nimmt: Dort hat mit dem Traditions-Unternehmen Rover der letzte eigenständige britische Hersteller die Bühne der Weltwirtschaft verlassen. Die Reste haben gerade die Chinesen aufgekauft. Von dort, aus Asien - vor allem aus China, Indien und längst schon aus Japan und Korea - droht die meiste Gefahr für die im Vergleich dramatisch teureren Standorte in Westeuropa.
Kostendruck heißt das in der Manager-Sprache. Um diesen Druck irgendwie auszugleichen, haben die Chefetagen scheinbar alle nur das eine Rezept: Den Belegschaften wird gedroht, die Fertigung an billigere Standorte zu verlagern. Dann wird verhandelt, und am Ende steht die Einigung auf neue Tarifverträge: Länger und flexibler arbeiten - für weniger Geld. Milliardenschwere Fehlentscheidungen in den Chefetagen gab es in den vergangenen Jahren bei Volkswagen und Mercedes reichlich. Sie bleiben ungesühnt. Doch die Belegschaften haben keine Wahl: Sie schlucken die Einbußen, wenn sie im Gegenzug eine Garantie für ihren Arbeitsplatz bekommen. Die Globalisierung hat die Fließbänder zwischen Sindelfingen und Wolfsburg längst erreicht.
Jobs gestrichen, von den Beschäftigten gefeiert
Dieter Zetsche und Wolfgang Bernhard haben noch mehr gemeinsam als ihre Auftritte der vergangenen Tage: Beide haben gemeinsam die schwer angeschlagene US-Tochter des Daimler-Konzerns, Chrysler, saniert. Dort wurden 26.000 Jobs gestrichen und mehrere Werke geschlossen. Dennoch feierten die Beschäftigten in Detroit ihren Chef Zetsche, als der sich zurück nach Deutschland verabschiedete: Ohne diesen knallharten Sanierungskurs würde es Chrysler heute nicht mehr geben. Jetzt sind beide Männer in Deutschland im Einsatz. Denn nun müssen die beiden in Stuttgart und Wolfsburg die Fehler ihrer allzu visionären Vorgänger ausbügeln. Da kommen harte Zeiten auf die Mitarbeiter zu.
Die Börse hat das in den vergangenen Tagen schon mal belohnt. Die Aktienkurse der beiden Konzerne erreichten Höchststände wie schon lange nicht mehr. Ob das von Dauer ist, wird sich zeigen. Weil aber die Börsianer immer auf die Zukunft wetten, zeigt es zumindest eins: Es tut sich was am Standort Deutschland. Die Unternehmen machen ihre Hausaufgaben, die Firmenkassen sind prall gefüllt, die Neigung zu investieren nimmt wieder zu. Auch drängt wieder ausländisches Kapital nach Deutschland. Dem wäre nicht so, wenn die Bedingungen sich nicht deutlich gebessert hätten in den letzten Jahren. Es ist die Zeit der Zetsches und Bernhards.