Top-Manager in Abgas-Skandal belastet
30. September 2015Die öffentlich-rechtlichen Sender WDR, NDR und die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) berichten unter Verweis auf interne Untersuchungen bei dem Automobilkonzern, dass der inzwischen beurlaubte damalige Chef der Aggregate-Entwicklung der Marke VW und spätere Markenvorstand Heinz-Jakob Neußer (Artikelbild) 2011 den Hinweis eines Motorentechnikers auf Manipulationen abgetan habe. Das habe der Techniker nach Angaben aus Unternehmenskreisen bei einer Befragung durch die Konzernrevision ausgesagt. Dieser VW-Beschäftigte soll außerdem sinngemäß erklärt haben, seine Informationen über mögliche illegale Praktiken seien von Neußer offenbar nicht ernst genommen worden.
Inzwischen wurde der Aufsichtsrat von Volkswagen nach Informationen des Medien-Rechercheverbundes von "SZ", NDR und WDR über die Aussage des Technikers und weitere Erkenntnisse der Konzernrevision informiert.
Wie die drei Medien weiter berichten, erklärte der VW-Konzern auf Anfrage, derzeit laufe ein "intensiver Aufklärungsprozess". Erst wenn sich ein "klares Bild" ergeben habe, könnten Details zum Handeln einzelner Personen genannt werden.
Die Nachrichtenagentur dpa berichtet unter Berufung auf Konzernkreise, dass die Entscheidung zum Einbau der Manipulationssoftware in Dieselfahrzeugen bereits in den Jahren 2005 und 2006 gefallen sein soll - und zwar in der Motorenentwicklung in der VW-Zentrale in Wolfsburg.
Erneutes Krisentreffen der obersten Konzernaufseher
Zur Aufarbeitung des Skandals will das Präsidium des VW-Aufsichtsrates, das die Aufklärung der Affäre koordiniert, an diesem Mittwoch zusammenkommen. Dann soll ein Zwischenbericht der internen Prüfer auf dem Tisch liegen. Noch unklar ist, ob im Anschluss an die voraussichtlich in Wolfsburg stattfindende Sitzung mit einer Erklärung zu rechnen ist.
Der jetzt beschuldigte Neußer ist einer der drei Spitzenmanager im VW-Konzern, die wegen der Abgas-Affäre inzwischen beurlaubt wurden. Er war als Entwicklungsvorstand der Marke VW zuletzt direkt unter dem Konzernvorstand tätig, den Martin Winterkorn bis zu seinem Rücktritt vor einer Woche leitete.
Audi im Visier der Ermittler
Die Staatsanwaltschaft Ingolstadt hat im VW-Abgas-Skandal ein Prüfverfahren gegen die Volkswagen-Tochter Audi eingeleitet. Anschließend werde auf Basis der Faktenlage entschieden, ob auch ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden müsse, sagte Oberstaatsanwalt Wolfram Herrle den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Auch könne derzeit die Frage nicht beantwortet werden, ob gegen mögliche Verantwortliche im Audi-Management ermittelt werden müsse.
Herrle betonte, seine Behörde sei gleich nach Bekanntwerden des VW-Skandals aktiv geworden und stehe in engem Austausch mit den Kollegen in Braunschweig. Die Staatsanwaltschaft der niedersächsischen Stadt hatte am Montag gegen Ex-VW-Chef Winterkorn ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Bei Audi sind nach Angaben des Konzerns mehr als zwei Millionen Fahrzeuge mit manipulierten Dieselmotoren ausgestattet. Ingolstadt ist der Stammsitz der VW-Tochter.
Vor rund eineinhalb Wochen war bekannt geworden, dass Volkswagen in den USA mit Abgaswerten von Dieselfahrzeugen bei Tests betrogen hatte. Die entsprechende Software kann dafür sorgen, dass im Testbetrieb deutlich weniger gesundheitsschädliche Stickoxide gemessen werden als im regulären Betrieb. Laut VW wurde die Software in rund elf Millionen Autos weltweit verbaut. Allein bei der Kernmarke Volkswagen sollen weltweit fünf Millionen Dieselfahrzeuge zurückgerufen werden.
qu/kle (afp, dpa, SZ, NDR)