VW: Kein Abschied vom Verbrenner
13. März 2018Nicht an den Firmensitz in Wolfsburg, sondern in die deutsche Hauptstadt Berlin hatte der VW-Konzern geladen, um seine Bilanz für das abgelaufene Geschäftsjahr 2017 zu erläutern. Dort, auf der Prachtstraße "Unter den Linden", hat das Unternehmen seit längerer Zeit eine Repräsentanz, in der Kunst, Kultur und vor allem Autos gezeigt werden.
Was auffiel und anders war bei der Pressekonferenz vor gut 150 Journalisten aus aller Welt: Wo sonst ein Präsidium in der Art eines Politbüros hoch oben thronte, war es dieses Mal nur ein kleines Podium mit drei Plätzen: Einer für den Vorstandschef, einer für den Finanzchef und einer für den Kommunikationschef. Eine neue Bescheidenheit nach außen, wohl auch gedacht als Zeichen der Demut vor den Millionen von getäuschten Kunden.
Die aber sind - trotz Dieselbetrug und Affenversuchen - dem Konzern mit seinen insgesamt zwölf Marken erstaunlich treu geblieben. Ähnlich urteilt NoldLB-Autoanalyst Frank Schwope: "Die Kunden scheinen den Dieselskandal weitgehend verziehen zu haben."
Goldgerändertes Zahlenwerk
In der Tat lassen sich die beeindruckenden Bilanz-Kennzahlen, die VW bereits vor einiger Zeit in Kurzform veröffentlicht hatte, kaum anders erklären. Knapp 231 Milliarden Euro Umsatz - plus sechs Prozent. Eine Verdoppelung de Reingewinns auf über elf Milliarden Euro. Ein neuer Rekord mit 10,7 Millionen verkauften Fahrzeugen. Exorbitante Zunahme auf diversen wichtigen Märkten: China plus 16 Prozent, Russland plus 21 Prozent, Brasilien plus 45 Prozent. Und obwohl der Konzern mittlerweile mehr als 25 Milliarden Euro zu Bewältigung der Dieselkrise aufgewendet hat, sitzen die Wolfsburger auf einem finanziellen Polster von über 22 Milliarden Euro.
Geld, das das Unternehmen mit seinen über 120 Werken rund um die Welt und seinen 640.000 Beschäftigten dringend gebrauchen kann. Denn die Welt des Automobils befindet sich in einer Phase des dramatischen Umbruchs. Der Verbrennungsmotor ist ins Gerede gekommen, den Diesel sehen viele als Schmuddelkind. Fahrverbote drohen in Städten, nicht nur in Deutschland. Der elektrische Antrieb scheint derzeit das Mittel der Wahl als Ausweg aus dieser Misere. VW hat auf diese Entwicklung schon vor einiger Zeit reagiert und sich eine sogenannte "Roadmap E" verpasst.
E-Auto-Offensive weltweit
Da werden mittlerweile die Strukturen sichtbar. Einige Modelle mit-Elektroantrieb oder Hybrid haben die diversen Marken schon im Angebot, bis 2025 will VW rund drei Millionen E-Autos pro Jahr bauen. Bei den angestrebten Absatzzielen entspräche das rund einem Viertel des gesamten Angebots. Dazu braucht es freilich Fabriken, in denen die E-Autos gebaut werden können - und jede Menge Batterien.
Vorstandschef Matthias Müller kündigte in Berlin nun an, dass bis Ende 2022 weltweit 16 Standorte batterieelektrische Fahrzeuge produzieren sollen. Das Vorzeigewerk entsteht gerade im sächsischen Zwickau, dort soll schon ab dem kommenden Jahr die Serienproduktion eines reinen E-Modells namens I.D. vom Band laufen.
Zudem, so Müller weiter, habe man Kooperationen mit Batterieherstellern in Europa und China geschlossen, die derzeit einen Umfang von 20 Milliarden Euro haben. In Nordamerika stehe man kurz vor einer entsprechenden Vereinbarung.
Kein Abschied vom Verbrenner
Läutet VW also das Ende von Diesel- und Otto-Motor ein? Vorerst jedenfalls nicht, sagt Konzernchef Müller: "Die werden noch für Jahrzehnte eine wichtige Rolle spielen." Entsprechend steckt das Unternehmen in die konventionellen Antriebe allein in diesem Jahr 20 Milliarden Euro, über die nächsten fünf Jahr satte 90 Milliarden.
Dies geschehe parallel zu den Investitionen in neue Antriebsformen, aber auch in digitale Projekte und autonome Fahrzeuge. Das alles sei eine positive Folge der Dieselkrise (Müller nannte das Problem mehrfach beim Namen und benutzte nicht das verschämte Wort von der "Dieselthematik"): "Sie (die Dieselkrise) hat Veränderungen möglich gemacht, die bei uns vorher nicht denkbar gewesen wären." Jetzt aber sei Volkswagen "wieder in der Offensive".
Dem stimmt NordLB-Experte Frank Schwope zu: Er geht davon aus, dass VW die Verkaufszahlen im laufenden Jahr um fünf Prozent steigern kann, auf dann mehr als elf Millionen Fahrzeuge. Damit dürften die Wolfsburger die Nummer Eins in der Welt bleiben - was allerdings dem Vorstandschef Matthias Müller, wie er extra in seine Rede einschob, "herzlich egal" ist.
Nicht ganz so egal ist dem Vorstand allerdings ein möglicherHandelskrieg mit den Vereinigten Staaten. Hier baue man auf den Dialog und hoffe auf eine politische Einigung, zu möglichen Belastungen machte der Konzern aber keine Angaben.