Vorwürfe gegen Foxconn
1. Oktober 2013Eine monotone Akkord-Arbeit in 12-Stunden-Schichten rund um die Uhr bei einer sechs-Tage-Woche. Dazu ein gnadenloser Erfolgsdruck und ständige Produktivitätssteigerungen. So beschreiben Medien den Arbeitsalltag in Foxconns asiatischen Montagehallen, wo Computer, Smartphones und Spiele-Konsolen in kleinteiliger Handarbeit zusammengesetzt werden. Die auf knallharte Effizienz getrimmte Tochter eines taiwanesischen Mischkonzerns erzielt Spitzenprofite, soll aber nur Löhne zahlen, die kaum zum Überleben reichen. Spätestens nachdem sich vor drei Jahren 13 chinesische Mitarbeiter das Leben nahmen, ist der weltweit größte IT-Hersteller in Verruf geraten. Nun rückt Foxconn auch fern seines asiatischen Produktionsschwerpunktes in den Fokus des medialen Interesses. Diesmal mitten in Europa, wo der Konzern ebenfalls Standorte betreibt.
Reporter des deutschen Computer-Magazins c't hatten mehrere Tage lang das Werk im tschechischen Pardubice beobachtet. Sie sprachen mit dem Arbeitsamt und Betriebsräten, mit Arbeitern aus Tschechien und Wanderarbeitern, die meist aus Bulgarien, Rumänien, Vietnam und der Mongolei stammen. Nur drei Autostunden von Dresden entfernt, so berichteten sie anschließend, lasse Foxconn zu ähnlich harten Bedingungen wie in Asien Computer produzieren. "Ein Büroarbeiter macht sich keine Vorstellung davon wie anstrengend und intensiv eine solche Arbeit an einer Montagelinie ist", sagte der Reporter des Computermagazins c't Christian Wölbert der Deutschen Welle.
Sozialer Druck durch Bonussystem?
Demnach ist es nicht möglich, sich während der 12-Stunden-Schichten an der Montagelinie zu unterhalten, etwas zu trinken oder sich kurz auszuruhen. Foxconn verbiete dies zwar nicht, erläuterte Wölbert, aber teilweise sei "der verlangte Takt, also die Stückzahl, die die Arbeiter erfüllen müssen, so hoch, dass es gar nicht möglich ist, solche minimalen Ablenkungen wahrzunehmen." Inklusive der Bonuszahlungen und Überstunden verdienen die Arbeiter nach Informationen des c't Magazins an den Montagelinien 550 Euro im Monat. Das ist mehr als der tschechische Mindestlohn, entspricht aber nur 60 Prozent des landesweiten Durchschnittslohns.
Wölbert kritisiert vor allem das Bonussystem. Denn die Extrazahlungen, die jeweils bei 100 Euro monatlich liegen, seien auch davon abhängig, wie die ganze Montagelinie bewertet wird. "Das heißt, ein Einzelner kann durchaus seine Arbeit zufriedenstellend erfüllen, aber den Bonus trotzdem gekürzt bekommen, wenn die Kollegen die Norm nicht erfüllen." Dieser Darstellung widerspricht die Foxconn-Leitung. Im Gespräch mit der DW erklärte Petr Skoda, Senior Director von Fxoconns Lieferkattenmanagement, dass man sehr wohl nach individuellen Leistungen Boni zahlen würde. Skoda betonte, dass sich das Unternehmen als Mitglied der Europäischen Union verstehe und sich "an alle EU-Gesetze hält." Zudem würde der Betrieb regelmäßig von den tschechischen Behörden kontrolliert. Insofern sei man "über den Bericht sehr überrascht".
Moderne Sklaverei in der EU
Doch Christian Wölbert prangert keine Gesetzesbrüche an. Er selbst geht sogar davon aus, dass sich Foxconn weitgehend an tschechische Bestimmungen hält. "Ich würde aber hinterfragen, ob die Standards wirklich menschenwürdig sind. Ob die anstrengenden 12-Stunden-Schichten unter diesem System akzeptabel sind." In diesem Zusammenhang kritisiert er die Ausnutzung von Gesetzeslücken. Denn Teile der Fabrik in Pardubice seien von Subunternehmern betrieben worden, "die schnell gegründet werden und schnell wieder verschwinden und sich dadurch Sanktionen, die es durchaus gegeben hat, entziehen können."
Die Vorwürfe gegen Foxconn könnten ein Nachspiel auf europäischer Ebene haben. So will die EU-Parlamentarierin Jutta Steinruck von den deutschen Sozialdemokraten dafür sorgen, dass Brüssel Nachforschungen einleitet. "Ich habe eine Anfrage an den Rat und die Kommission geschrieben", sagte sie der Deutschen Welle. Steinruck, die Mitglied des EU-Ausschusses für Beschäftigung und Soziales ist, fürchtet einen Trend zur Ausbeutung von Arbeitnehmern aus armen EU-Ländern. "Moderne Sklaverei in manchen Unternehmen und Branchen in Europa sind keine Seltenheit mehr". Die EU müsse Beratungsstellen für Wanderarbeiter einrichten, "die oft die jeweilige Landesprache nicht verstehen und keinen Zugang zu Gewerkschaften haben."
Gezielte Anreize für Investoren
Möglicherweise wird Steinrucks Anfrage zu den Foxconn-Aktivitäten die EU-Mächtigen aufhorchen lassen. Denn die Zeichen mehren sich, dass der taiwanesische Konzern in Europa expandieren könnte. Die zum Teil gewaltsamen Proteste von Arbeitern in Asien und das steigende Lohnniveau in China haben dazu geführt, dass sich der Elektronikhersteller vermehrt nach alternativen Standorten umschaut. Beobachter schließen nicht aus, dass sich Foxconn auch nach Mittel- und Südosteuropa orientiert. Die Löhne liegen derzeit zwar im Durchschnitt höher als in Asien, aber neben einer guten Infrastruktur sind die Lieferstrecken zu europäischen Abnehmern kürzer und damit profitabler.
40 Kilometer von Pardubice entfernt besitzt Foxconn in Kutnà Hora bereits eine zweite Fabrik zum Bau von Servern. In der Slowakei ist der Konzern auch schon vertreten und fertigt Sony-Fernseher. Andere Elektronikhersteller haben die Region ebenfalls entdeckt. Wie das Computermagazin c't berichtet, baut Flextronics Lenovo-Computer in Ungarn und Celestia Leiterplatten in Rumänien. Auch ostwärts, in der Ukraine sind demnach Fabriken der Elektronik-Branche entstanden.
Gewerkschaften mischen sich kaum ein
In ehemaligen Ostblock-Ländern wie der Tschechischen Republik erfreuen sich ausländische Unternehmer zudem an einem arbeitgeberfreundlichen politischen Klima. Im DW-Interview erklärte Jennifer Schevardo von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, dass Mitte der 90er Jahre von der Politik gezielt Anreize geschaffen worden seien, "um ausländische Firmen anzulocken. Vor allem Steuererleichterungen oder dass man den Investoren bei Baumaßnahmen entgegenkommen ist."
Die Gewerkschaften haben kaum Einfluss. Das Engagement für Arbeiterinteressen und soziale Errungenschaften spiele nach der Zeit des Sozialismus keine so große Rolle mehr, führt die Tschechien-Expertin Schevardo aus. Außerdem stellten die Gewerkschaften keine weitergehenden politischen Forderungen. "Wer gerade viele Arbeitsplätze schafft, der darf auch ganz viel. Da wird dann nicht groß reingeredet."