Am Ende entscheiden nicht immer die Wähler
26. April 2016Er gab schriftlich sein Ehrenwort, dass er für Donald Trump stimmen wird. Das brachte ihm ein Foto zusammen mit Trump ein. Marc Scaringi zeigt es auf seinem Computerbildschirm in seiner Kanzlei, im Erdgeschoss eines nüchternen Büroklotzes am Stadtrand von Harrisburg, der Hauptstadt von Pennsylvania. Tiefe Decken und Kunstlicht prägen die Räume, dazu schwere Ledermöbel und goldgerahmte Gemälde von Schlachtschiffen. Ein Rauschen durchzieht die Räume. Keine Klimaanlage, sondern "White Noise", erklärt die Empfangsdame. "Hintergrund-Rauschen", damit man keine Unterhaltungen mithören kann. Bei den Vorwahlen an diesem Dienstag wird sich zeigen, ob Scaringi als Delegierter für die Republikaner Anfang Juli zum Nominierungsparteitag fährt.
"Normalerweise steht bis Pennsylvania der Nominierte fest", sagt Matthew Levendusky, Dozent für Politikwissenschaft an der Universität Pennsylvania. Nicht so in diesem Jahr, wo es noch nicht klar ist, ob Donald Trump die erforderliche Mehrheit an Delegiertenstimmen erhält. Pennsylvania könnte in diesem Jahr das sprichwörtliche Zünglein an der Waage sein. "Es gibt eine seltsame Eigenheit im Wahlrecht Pennsylvanias, das, glaube ich, vor diesem Jahr nur ein paar Politikwissenschaftler wirklich verstanden haben", so Levendusky.
Größere Freiheit als in jedem anderen Staat
Insgesamt fahren 71 Delegierte aus dem nordöstlichen Bundesstaat zum Nominierungsparteitag der Republikaner. Nur jeder Vierte ist dabei an den Willen der Bevölkerung gebunden. Alle anderen können völlig frei entscheiden, für wen sie dort stimmen. Egal, wer in der Vorwahl die Mehrheit erhielt. Das sind mehr als aus jedem anderen US-Bundesstaat.
In Marc Scaringis Distrikt stehen 15 Personen zur Wahl für drei Delegiertenplätze. "Normalerweise ist es nicht gerade sehr erstrebenswert, Delegierter zu sein, man hat Ausgaben, um zum Parteitag zu kommen. Aber bei diesen Wahlen ist es die erstrebenswerteste Stelle überhaupt." Der 45-jährige Scaringi stellt sich zum ersten Mal zur Wahl. Warum jetzt? "Ich dachte, das Establishment, also die sehr mächtigen Männer und Frauen in der Republikanischen Partei, würde alles in ihrer Macht stehende tun, um Donald Trump die Nominierung zu versagen." Er wolle eine starke Stimme für Trump sein, da er mag, was Trump zu den Kernthemen Immigration, Handel und Außenpolitik sagt.
Von Trump persönlich empfohlen
Hinter Mark Scaringi stehen Fotos seiner vier kleinen Kinder, an der Wand hängen Abdrücke der Hände und Füße mit Sprüchen zum Vatertag. Scaringi steckt viel Enthusiasmus in seine Kandidatur, hat Fernseh- und Radiowerbung geschaltet, betreibt intensiv eine Facebookseite und redet auf Podien. Sollte Trump Präsident werden, würde er aber nicht für ihn arbeiten. Seine Familie und seine 40 Angestellten halten ihn in Harrisburg.
Am Wahltag werden Trump-Unterstützer vor den Wahlbüros Karten verteilen, auf denen Trump seine Empfehlung für Scaringi und zwei andere Kandidaten ausspricht, die sich mit ihrer Unterschrift zu ihm bekannt haben. Für die Wähler sei es aber schwierig, denn nur wenige Kandidaten sagten klar, für wen sie letztlich abstimmten, sagt Matthew Levendusky von der Universität Philadelphia.
Positive Entwicklung für Partei
Charles Gerow ist Chef einer Kommunikationsfirma mit Sitz in einem historischen Stadthaus im Zentrum von Harrisburg. Die Manschetten an seinem Hemd tragen seine Initialen. Er kandidiert im selben Distrikt wie Scaringi. Gerow steht politisch Ronald Reagan nahe. Er hat 25 Jahre lang für ihn gearbeitet - vor, während und nach seiner Amtszeit als Präsident. Auch dessen Beerdigung hat Gerow mit organisiert. Eine Wand ist voll bestückt mit gerahmten Fotos von Reagan und seiner Frau, handsigniert mit Widmung. Mit "Lieber Charly" beginnt ein Brief. "Reagan war ein Mann mit Prinzipien. Aber es wird nie wieder jemanden geben wie ihn. Wir müssen nach einer neuen Generation von Führungspersonen suchen."
Mit der Entwicklung seiner Partei ist der 60-Jährige dennoch zufrieden: "Es ist das erste Mal, seit ich mich erinnern kann, dass die Partei nicht einfach den Nächsten in der Reihe nominiert." Die Energie, der Enthusiasmus und das Interesse an den republikanischen Vorwahlen seien in diesem Jahr auf einem Rekordlevel. Laut Gerow wirkt sich das letztlich positiv auf das Land aus.
In den deckenhohen Bücherregalen stehen aufgereiht rund 50 Tassen eines regionalen Fernsehsenders - jede steht für einen Besuch als Studiogast. Ein lokales Magazin nannte ihn "Harrisburgs politisch am besten vernetzten Konservativen".
Hauptsache Hillary Clinton schlagen
"Beim Nominierungsparteitag werde ich im ersten Wahlgang den wählen, der bei den Vorwahlen die meisten Stimmen aus der Bevölkerung bekommen hat", verspricht er. Wenn es im ersten Wahlgang zu keiner Entscheidung komme, wolle er frei entscheiden: "Ich stimme für die Person ab, von der ich glaube, dass sie Hillary Clinton am besten schlagen kann." Der Wille des Wählers bei der Vorwahl von Pennsylvania spielt dann doch keine Rolle mehr. Insgesamt finden an diesem Dienstag Vorwahlen in fünf US-Bundesstaaten statt: Neben Pennsylvania sind das Connecticut, Delaware, Maryland und Rhode Island.