Vorteile der Erderwärmung
18. Dezember 2009Die Antwort auf die Frage, ob die Erderwärmung nicht auch gewisse Vorteile bringen könnte, lautet zunächst einmal: Ja, sie könnte. Allerdings muss hinzugefügt werden, dass die Menschheit für die Hoffnung, diese Vorteile zu nutzen, einen sehr hohen Preis zahlen müssten.
Grönland könnte zum neuen Eldorado der Ölförderer werden. Der Verkauf von Bohrrechten läuft bereits. Und die zu Dänemark gehörende halbautonome Insel könnte tatsächlich wieder "grünes Land" werden, mit ganzjähriger Landwirtschaft und Viehzucht – und vielleicht sogar wieder Weinanbau? Der Preis dafür: "Land unter" bei Nutzflächen anderswo, denn der abgeschmolzene Eispanzer würde den Meeresspiegel um bis zu sieben Meter ansteigen lassen.
Russland könnte sich über eisfreie Häfen im Norden freuen und vor allem über eine schiffbare Nordost-Passage vom Nordpolarmeer zur Beringstraße. Der Vorteil für Reedereien liegt auf der Hand: Kürzere Wege bedeuten schnellere Transporte und geringere Kosten. Zudem hätte Russland besseren Zugang zu den Bodenschätzen in der Arktis. Immerhin werden dort 25 Prozent der weltweiten Öl- und Gas-Vorräte vermutet, und Russland hätte wegen seiner langen arktischen Küste hier territoriale Vorteile. Seine Claims über und unter Wasser hat Moskau bereits abgesteckt.
Ganz umsonst käme ein derartiger Gewinn aber auch nicht: Die Erderwärmung, die all den Reichtum in greifbare Nähe rückt, lässt gleichzeitig den Dauerfrostboden in Sibirien schmelzen. Und das hat fatale Folgen: Dortige Förderanlagen versinken im Schlamm, gleiches gilt für Häuser, Straßen und Pipelines, denen der Permafrost bislang sicheren Halt bot.
Eine ähnliche Kosten-Nutzen-Abwägung ergibt sich für Kanada und die Vereinigten Staaten. Zwar könnte eine eisfreie Nordwestpassage die Schifffahrtsrouten von der amerikanischen Ostküste nach Ostasien deutlich verkürzen und damit die Transporte verbilligen. Und auch die vor Nordamerika liegenden arktischen Rohstoffe wären besser zugänglich. Wie im Falle Sibiriens würde aber der geschmolzene Dauerfrostboden auch in Alaska und Kanada für neue Probleme sorgen. Und dazu gehört neben den Risiken für die vorhandene Infrastruktur die Tatsache, dass sich der über Jahrtausende gefrorene Boden in großflächige Sümpfe verwandeln könnte. Aus denen würde dann das bislang gefrorene klimaschädliche Methangas freigesetzt und in großen Mengen in die Atmosphäre entweichen.
Autor: Hartmut Lüning
Redaktion: Kay-Alexander Scholz