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Vorgezogene Wahlen: Wie geht das?

22. Mai 2005

Die Bundesregierung will nach dem Debakel in NRW die Bundestagswahlen auf Herbst dieses Jahres vorziehen. Nötig ist dafür ein mehrstufiges Verfahren, bei dem der Bundespräsident eine wichtige Rolle spielt.

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Helmut Schmidt (Mitte) stellte die VertrauensfrageBild: AP

Der Bundeskanzler kann durch Antrag an das Parlament überprüfen lassen, ob er noch die Zustimmung der Mehrheit der Abgeordneten hat. Dieser Antrag des Kanzlers wird als Vertrauensfrage bezeichnet. Zwischen der Vertrauensfrage und der Abstimmung im Bundestag müssen 48 Stunden liegen.

Der Artikel 68 des Grundgesetzes sieht Wahlen vor Ablauf der Legislaturperiode dann vor, wenn der Bundeskanzler im Parlament diese Vertrauensfrage verliert.

"Findet ein (solcher) Antrag ... nicht die Mehrheit der Mitglieder des Bundestags, so kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers binnen einundzwanzig Tagen den Bundestag auflösen."

Die Bedeutung des Wörtchens "kann"

Eine Schlüsselrolle kommt dabei dem Wort "kann" zu. Es liegt nämlich im Ermessensspielraum des Bundespräsidenten, ob er dann den Bundestag auflöst. Dabei muss er entscheiden, ob die Absicht des Kanzlers im Sinne des Grundgesetzes ist.

Nach Angaben eines Sprechers noch keine Entscheidung getroffen, wie er sich zu der von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) angestrebten vorgezogen Bundestags-Neuwahl stellen will. Der Bundespräsident müsse die Umstände erst sorgfältig prüfen und werde sich danach äußern, sagte Sprecher Martin Kothe der Nachrichtenagentur Reuters am Sonntag in Berlin.

Als weitere Variante böte sich noch das Konstruktive Misstrauensvotum an. Innerhalb der 21 Tage Frist, in der der Bundespräsident entscheidet, ob er den Bundestag auflöst, könnte theoretisch der Bundestag mit Hilfe eines Konstruktiven Misstrauensvotums einen neuen Kanzler wählen (Artikel 67). Das setzt aber voraus, dass es einen Kandidaten für das Amt des Bundeskanzlers gibt, der die Mehrheit der Bundestagsmitglieder auf sich vereinigen kann.

Die Vertrauensfrage in der Geschichte der Bundesrepublik

Bislang ist die Vertrauensfrage im Deutschen Bundestag vier Mal gestellt worden:

1. Am 20. September 1972 brachte Bundeskanzler Willy Brandt einen solchen Antrag ein. Er hatte kurz zuvor ein konstruktives Misstrauensvotum überstanden, aber nach einigen Parteiübertritten keine Mehrheit im Parlament mehr. Brandt verlor mit 233:248 Stimmen. Die vorzeitige Neuwahl am 19. November 1972 gewannen SPD und FDP mit 45,8 beziehungsweise 8,4 Prozent der Stimmen.

2. Am 5. Februar 1982 stellte Kanzler Helmut Schmidt die Vertrauensfrage. Mit 269:224 Stimmen bewiesen ihm SPD und FDP das Vertrauen - trotz wirtschafts- und beschäftigungspolitischer Differenzen unter den Koalitionspartnern. Der Bundestag wurde nicht aufgelöst. Noch im selben Jahr allerdings brach dieses Regierungsbündnis. Zur Ablösung Schmidts durch Helmut Kohl führte aber nicht die Vertrauensfrage. CDU/CSU und FDP machten stattdessen von dem Instrument des konstruktiven Misstrauensvotums: Sie schlugen dem Parlament Kohl als Kanzlerkandidaten vor, den dieses am 1. Oktober 1982 denn auch mit 265:235 Stimmen wählte.

3. Am 17. Dezember 1982 stellte Kohl die Vertrauensfrage in der erklärten Absicht, der Bundestag möge ihm das Misstrauen aussprechen. Kohl "verlor" mit 8:218 Stimmen, weil 248 Unions- und FDP-Abgeordnete sich enthielten. Auf diese Weise wurden Neuwahlen herbeigeführt. Die Koalition aus CDU/CSU und FDP war sich sicher, dass sie die Bundestagswahl gewinnen würden, und wollte sich so vom Volk legitimieren lassen. Das geschah bei der Wahl am 6. März 1983 auch. CDU/CSU und FDP erhielten 48,8 und 7,0 Prozent der Stimmen.

4. Im November 2001 stellte auch Schröder bereits einmal die
Vertrauensfrage und verband damit das Votum über den Einsatz von 3900 Bundeswehrsoldaten im Anti-Terror-Kampf im Zusammenhang mit der Operation "Enduring Freedom". Schröder bekam damals zwei Stimmen mehr als erforderlich. (stl)