Schäuble wird 70
18. September 2012Seit Herbst 2009 ist Wolfgang Schäuble der wichtigste Minister in Angela Merkels Regierungsteam. In der schwarz-gelben Koalition ist er neben der Kanzlerin das größte politische Schwergewicht: Als aktuelle Nummer zwei der deutschen Politik ist der Finanzminister auch in die große internationale Politik involviert und auf allen wichtigen Konferenzen präsent. An diesem Dienstag (18.09.2012) feiert der Vollblutpolitiker Schäuble seinen 70.Geburtstag.
Für seine Verdienste um die europäische Einigung bekam er im Mai dieses Jahres in Aachen den Karlspreis. In den vergangenen 30 Jahren habe er in besonderer Weise zur Stabilisierung der Währungsunion beigetragen, so die konkrete Begründung.
Krönung einer politischen Karriere
Bei den bisherigen Bemühungen um die Euro-Rettung ist der gelernte Jurist aus Freiburg im Breisgau auch auf dem europäischen Parkett einer der führenden Köpfe. Beim Management der Schuldenkrise gilt Wolfgang Schäuble als graue Eminenz - sowohl in Berlin als auch in Brüssel. Viele der bis jetzt beschlossenen Maßnahmen tragen seine Handschrift. Eine zentrale Rolle spielt er nach wie vor bei den Beratungen über die Euro-Rettungsschirme. An der Seite der Kanzlerin handelt er den Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin aus.
Biografie wie ein Polit-Krimi
Schäubles politische Biografie liest sich wie ein Polit-Krimi. Von allem ist etwas dabei: Intrigen, harte Schicksalsschläge, Skandale. Dubiose Koffer vollgestopft mit Bargeld, die gab es auch. Doch der Reihe nach:
Als Walter Ulbricht 1961 die Berliner Mauer bauen lässt, legt Wolfgang Schäuble sein Abitur ab und tritt in die Junge Union ein. 1972 - Willy Brandt ist Bundeskanzler - kandidiert Schäuble zum ersten Mal für den Deutschen Bundestag. Er gewinnt seinen Wahlkreis Offenburg, der an der Grenze zu Frankreich liegt, und hält ihn - bis heute.
Etwa zehn Jahre danach, 1981, beginnt eine langjährige, sehr intensive Zusammenarbeit mit Deutschlands Rekord-Kanzler Helmut Kohl. Er macht Schäuble 1984 zum Minister im Kanzleramt. Als Chef der Machtzentrale der früheren Bonner Republik wird Schäuble deutschlandweit bekannt.
Im November 1989 fällt die Mauer in Berlin. Schäuble ist Verhandlungsführer der Bundesrepublik beim Ringen um den Einigungsvertrag mit der DDR. Nun ist er als Manager der deutschen Einheit am Werk. Sie ist dann - nicht einmal zwölf Monate später - am 3. Oktober 1990 auch vollbracht.
Attentat in Süddeutschland
Doch nur wenige Tage danach wird der Politiker Opfer eines Attentats. Schäuble schaut buchstäblich dem Tod in die Augen. Am 12. Oktober 1990 schießt im Gasthof "Bruder" im badischen Oppenau ein Psychopath auf ihn. Schäuble wird schwer verletzt. Er ist seitdem ab dem dritten Brustwirbel an abwärts gelähmt und auf einen Rollstuhl angewiesen. Mit eiserner Disziplin nahm er trotz seiner Behinderung sechs Wochen nach dem Attentat seine Amtsgeschäfte als Innenminister wieder auf.
1998 schafft er es nicht, seinen Förderer Helmut Kohl von der Kanzler-Kandidatur abzuhalten. Kohl verliert und zieht Schäuble politisch mit nach unten.
Im Januar 2000 räumt Schäuble ein, 1994 eine Spende in Höhe von 100.000 D-Mark von einem Rüstungslobbyisten entgegengenommen zu haben. Es kommt heraus, dass auch Schäuble im Parlament nicht die ganze Wahrheit gesagt hatte. Ein Fehltritt, den er sich nie verziehen hat und für den er später auch öffentlich um Entschuldigung bittet.
Im Februar 2000 tritt Wolfgang Schäuble als Chef der CDU/CSU-Fraktion im deutschen Parlament zurück. Aus den einstigen Freunden Kohl und Schäuble werden im Zuge der Affäre erbitterte Feinde.
Später holt Angela Merkel Schäuble zurück ins Regierungsboot. Nach der Wahl 2005 entsteht in Berlin eine Große Koalition und Schäuble fällt das Innenressort zu. Vier Jahre danach, im Oktober 2009, wird der Protestant aus der süddeutschen Provinz überraschend zum neuen Finanzminister ernannt.
Europäer aus innerer Überzeugung
Europa ist Wolfgang Schäubles politische Leidenschaft. Er setzt sich vehement für den Integrationsprozess ein. Besonders wichtig ist ihm dabei die deutsch-französische Achse. Er selbst spricht Französisch, und das Zusammenwachsen von Europa hat er in seiner südbadischen Heimat sozusagen gleich vor der Haustür beobachten können.
Der Euro "ist eine stabile Währung, und wenn wir nicht schwere Fehler machen, wird er es auch in der Zukunft bleiben", betont er immer wieder. Hauptursachen der Euro-Turbulenzen seien ein "Mangel an Regulierung der Finanzmärkte" und "das Übermaß an Staatsverschuldung" gewesen.
Doch aus diesen Fehlern kann man lernen. "Bisher ist Europa aus jeder Krise gestärkt hervorgegangen. Das wird auch dieses Mal der Fall sein", gibt sich Schäuble zuversichtlich und fügt hinzu: "Wir werden in zehn Jahren eine Struktur haben, die sehr viel stärker dem entspricht, was man als politische Union bezeichnet." Das ist Schäubles Ziel.