Die Krankheit mit den Flecken
24. Juni 2017Winnie Harlow ist vor allem durch ihre Haut bekannt geworden: Seit ihrem vierten Lebensjahr hat sie Vitiligo. Von Natur aus ist ihre Haut recht dunkel, aber sie hat riesige weiße Flecken auf dem ganzen Körper und im Gesicht. Das Model hat die Flucht nach vorne angetreten, ist bei "Amerikas Next Topmodel" aufgetreten und hat schließlich eine Karriere auf dem Laufsteg eingeschlagen. Und plötzlich erschienen weltweit Fotos von ihr in vielen Zeitungen und Zeitschriften. Genauso plötzlich wurde die Vitiligo in die Öffentlichkeit gerückt. Eine schöne junge Frau, die aber eben anders ist und die von sich sagt: "Es gibt Menschen mit schwarzer Haut und Menschen mit weißer Haut – ich habe beides."
Wieso, weshalb, warum?
Etwa 0,5 bis zwei Prozent der Menschen weltweit sind betroffen. Entsprechend wenig Forschung gibt es. Welche Ursachen die Vitiligo hat und wie sie genau entsteht, ist noch immer unklar. Es gibt unterschiedliche Theorien, etwa, dass es in der Familie liegt oder dass es sich um eine Autoimmunerkrankung handeln könnte. Das hieße, dass die Melanozyten, körpereigene Zellen also, als vermeintlich körperfremd eingestuft und deshalb vom Immunsystem zerstört werden. Eine andere Theorie beschäftigt sich mit der Möglichkeit, dass der Stoffwechsel in der Pigmentzelle gestört ist und den Mangel an hautfärbendem Melanin verursacht. Auch Stress wird häufig als Auslöser genannt.
Sicher ist, dass bei dieser Erkrankung die Melanozyten verschwinden. Das sind die Zellen, die unsere Hautfarbe produzieren. Die Farbe selbst verschwindet also nicht aus der Haut. "Patienten mit einer Vitiligo haben häufiger ein leichtes Ekzem, ein wenig Rötung, vielleicht Juckreiz und im Rahmen dieser Hautentzündung verschwinden die Melaninzellen. Es bleibt nur noch die eigentliche Hautfarbe übrig, also ein rosa-weiß", erklärt der Dermatologe Herbert Kirchesch.
Ungewollter Blickfang
Menschen mit Vitiligo fallen auf – vor allem natürlich, wenn die weißen Flecken an Körperstellen aufrauchen, die für jeden sichtbar sind. Dazu gehören die Handrücken, die Knöchel, häufig aber treten die nicht pigmentierten Stellen auch um die Augen herum auf, also im Gesicht. Und so haben viele Betroffene erhebliche psychische Probleme, die im schlimmsten Fall sogar zu Selbstmordgedanken führen können. Das andere Aussehen schreckt Menschen oft erst einmal ab. Bei vielen gelte man von vorneherein als aussätzig, sagt Georg Pliszewski vom Deutschen Vitiligo-Bund e.V. "Eines unserer Ziele ist Öffentlichkeitsarbeit zu leisten und zu sagen: 'Leute, wir tun euch nichts, wir beißen nicht, ihr könnt euch nicht anstecken. Wenn ich einem Fremden die Hand gebe, dann merke ich, dass es da ein Zucken gibt, auch wenn es nur einige Millisekunden dauert."
Der Vitiligo-Bund
Bei Georg Pliszewski traten die ersten Hautveränderungen vor mehr als 40 Jahren auf. Es begann am Hals. "Und auf dem Rücken hatte ich ein braunes Muttermal mit einem kreisrunden weißen Punkt", erzählt er. "Aber im Winter ist die Haut ja sowieso heller. Dann aber kam der nächste Sommer. Die Fingerkuppen wurden weiß und auch die Handgelenke." Das habe sich dann immer weiterentwickelt. 1990 habe es dann auch im Gesicht angefangen.
Pliszewski weiß also sehr wohl, wovon er spricht, und er hat mittlerweile viel Erfahrung mit den Menschen, die in die Selbsthilfegruppe des Vitiligo-Bundes kommen. Er will anderen Betroffenen Mut machen, "um den Menschen gerade um diese Jahreszeit und bei diesem Wetter zu zeigen: Leute, es ist eine Vitiligo. Aber deswegen müsst ihr euch nicht verkriechen, ins dunkle Kämmerchen zurückziehen oder etwa nur nachts rausgehen."
Verschiedene Therapien, kaum Erfolge
Vitiligo ist chronisch und nicht heilbar. Der Verlauf ist bei allen Betroffenen anders. Auch das Alter, in dem die Flecken auftreten, ist sehr unterschiedlich. Nichts scheint bei dieser Erkrankung in ein Schema zu passen. Entsprechend schwierig ist es, Therapien zu entwickeln. "Man versucht, die verbleibenden Restzellen, die noch Pigment produzieren könnten, anzulocken und mit UVA-Licht zu reizen. Der Patient bekommt eine Cortisonsalbe, die er regelmäßig auftragen muss und parallel dazu die UVA-Bestrahlung, damit die verbliebenen Pigmente in den Haarwurzeln bestenfalls wieder in Gang kommen", so Kirchesch.
Immer wieder gibt es neue Therapie-Ansätze, zum Beispiel der Versuch einer Transplantation. Die aber sei sehr aufwändig, so Kirchesch. "Sie müssen im Prinzip erst einmal Pigmentzellen herstellen oder gewinnen. Man geht dazu an eine Stelle, an der die Hautfarbe nicht verblichen ist. Dann nimmt man die oberste Schicht mitsamt den Pigmentzellen, züchtet sie im Reagenzglas an und vermehrt sie. Nach etwa vier Wochen kann die oberste Hautschicht dann an besonders störenden Stellen abgefräst werden." Die gewonnenen Pigmentzellen würden dann in einer Art Gel angereichert und auf das Hautareal aufgebracht. Klappt alles, wachsen die Pigmentzellen an. "Dieses Verfahren wird aber nur im Gesicht angewendet", sagt Kirchesch.
Ein noch ungelöstes Rätsel
Aus rein medizinischer Sicht geht es bei der Vitiligo um eine weitgehend kosmetische Erkrankung. Die Weißfleckenkrankheit ist nicht ansteckend, verursacht keine körperlichen Schmerzen und hat auch keinen Einfluss auf die Lebenserwartung. Es bilden sich keine Erhöhungen oder andere Veränderungen auf der Haut. Aber: Die Farbe verschwindet. Manche haben einige wenige weiße Flecken, bei anderen sind ganze Hautareale ohne Pigmentierung.
Herbert Krichesch erinnert sich besonders an eine Patientin. Bei ihr breiteten sich die weißen Körperstellen immer weiter aus, wurden immer größer. "Als sie Mitte 40 war, sagte sie dann: 'So jetzt ist alles weg, die ganze Farbe. Ich habe jetzt keine Pigmente mehr, ich bin jetzt ganz weiß. Jetzt ist alles gut. Jetzt sieht man es nicht mehr so."