Visegrad-Staaten boykottieren Migrationsgipfel
21. Juni 2018Die Staaten der sogenannten Visegrad-Gruppe haben scharfen Protest gegen den für Sonntag einberufenen Sondergipfel zur EU-Flüchtlingspolitik eingelegt. Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki bezeichnete das Treffen in Brüssel als "inakzeptabel". "Wir werden daran nicht teilnehmen, denn sie wollen einen Vorschlag wieder aufwärmen, den wir bereits abgelehnt haben", sagte der polnische Regierungschef nach einem Treffen mit seinen Kollegen aus Tschechien, der Slowakei, und Ungarn in Budapest. Daran nahm zudem der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz teil.
Orban: "Keine gesamteuropäischen Panikhandlungen"
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban sagte, das von Deutschland angeregte Treffen verstoße gegen die Gepflogenheiten in der EU. Das angemessene Format sei der EU-Gipfel in der kommenden Woche. "Wir verstehen, dass es Länder gibt, die mit innenpolitischen Problemen ringen, aber das darf zu keinen gesamteuropäischen Panikhandlungen führen", fügte Orban hinzu. Orban spielte auf den Konflikt von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ihrem Innenminister Horst Seehofer an. Aus seiner Sicht hat dieser zur Einberufung des Asyl-Sondergipfels durch Merkels Verbündeten, den EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker, geführt.
Seehofer hat Merkel eine Frist bis Anfang Juli eingeräumt, um eine Lösung der Flüchtlingsfrage auf EU-Ebene zu erreichen. Andernfalls will er die Abweisung aller bereits in anderen EU-Ländern registrierten Flüchtlinge an deutschen Grenzen anweisen. Merkel besteht dagegen auf einem in der Europäischen Union abgestimmten Vorgehen.
Visegrad-Staaten gegen Umverteilung von Flüchtlingen
Orban bekräftigte nach dem Visegrad-Treffen, dass die Überwachung der Außengrenzen der Europäischen Union verstärkt werden müsse. Zudem sollten Flüchtlinge jenseits der EU-Grenzen die Bearbeitung ihrer Asylanträge abwarten. Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei verfolgen eine harte Linie in der Flüchtlingspolitik und weigern sich, eine Umverteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU umzusetzen.
An dem Mini-Gipfel in Brüssel wollen - nach derzeitigem Stand - die Staats- und Regierungschefs von Deutschland, Frankreich, Italien, Griechenland, Malta und Spanien teilnehmen. Sie sind stark von Flüchtlingsbewegungen betroffen.
Italien kritisierte unterdessen, dass es bei den Vorbereitungen zu dem Mini-Gipfel zur Migration von den EU-Partnern übergangen worden sei. Regierungschef Giuseppe Conte schrieb auf Facebook, er würde nicht zu dem Treffen kommen, wenn es dort eine schriftliche Abschlusserklärung gebe. Dies habe er auch Kanzlerin Merkel in einem Telefonat gesagt. Regierungssprecher Steffen Seibert bestätigte der Deutschen Presse-Agentur das Telefonat. Zum Inhalt wollte er sich jedoch nicht äußern, dieser sei vertraulich.
Conte: Auch Merkel gegen Abschlusserklärung
Conte zufolge hat Merkel ihm darin zugesagt, dass der Entwurf einer Erklärung für das Treffen, der am Mittwoch öffentlich geworden war, "beiseite gelegt" werde. Über die am Sonntag in Brüssel diskutierten Fragen müsse beim EU-Gipfel Ende Juni weiter verhandelt werden. "Das Treffen wird nicht mit einem geschriebenen Text abschließen", sondern nur mit einem Überblick über die angesprochenen Fragen, so Conte weiter.
Italiens Regierung hatte auch inhaltlich Widerstand gegen den Entwurf der Erklärung gezeigt. Vor allem die Diskussion über Rücknahmeabkommen wird in Italien kritisch gesehen. Italien pocht auf die Überwindung der Dublin-Regeln und eine europäische Antwort darauf, dass gerettete Bootsflüchtlinge zum Großteil nach Italien gebracht werden.
sti/uh (afp, dpa, rtr)