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ReiseAfrika

Virtuell unterwegs in Afrika zu Corona-Zeiten

Silja Fröhlich
20. Juli 2020

Lust auf eine Safari in Kenia? Afrikanische Länder locken Touristen aus aller Welt mit virtuellen Touren und geben einen Vorgeschmack auf die Zeit nach COVID-19. Doch kann dies das tatsächliche Reisen ersetzen?

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Fotosafari in Kenia
Analoge Safari im Samburu-Reservat in KeniaBild: imago/Westend61

Am Horizont der afrikanischen Savanne geht langsam die gleißende Sonne auf. Vor ihr zu erkennen sind die Silhouetten einer Elefantenfamilie, die auf der Suche nach dem nächsten Wasserloch durch das Grasland wandern. Impalas und Zebras bahnen sich ihren Weg durch die Wildnis, die Vögel zwitschern, die sich anbahnende Hitze des Tages ist beinahe spürbar. Die Szene im Sabi Sand Game Reserve in Mpumalanga, eines der bekanntesten Safarigebiete Südafrikas, ist sehr real. Aber eben nur fast - denn die Touristen, die den Anblick genießen, sitzen nicht im Safari-Jeep, sondern zu Hause an ihren Smartphones und Tablets. Der besondere Reiz der virtuellen Safari: Sie findet live statt, und wie im echten Leben ist jede Pirschfahrt anders.

Ein Ranger ist im Live-Stream einer Safari im Wildreservat Ol Pejeta zu sehen
Im kenianischen Wildreservat Ol Pejeta kann man mit Rangern auf virtuelle Safari gehenBild: picture-alliance/dpa/O. Pejeta

Seit Beginn der Corona-Pandemie ist die Tourismusbranche in sämtlichen afrikanischen Ländern in sich zusammengebrochen, Nationalparks und Hotels bleiben leer, von Touristen keine Spur. Denn die sitzen weltweit zu Hause fest. Doch afrikanische Touristenverbände haben sich etwas ausgedacht, um Reiselustigen in Zeiten von COVID-19 auch digital mit Eindrücken Afrikas zu versorgen. Virtueller Tourismus ist auf dem Vormarsch.

Virtuell über Südafrika hinweggleiten

Auf Safari gehen in Kenia, durch die Wüste Namib in Namibia spazieren, Paragliding in Südafrika oder am Rande der Victoria Falls an der Grenze zwischen Sambia und Simbabwe stehen. Für virtuelle Touristen wie Juan Santiago aus der spanischen Hauptstadt Madrid ist das nun auch von zu Hause aus möglich. Schon ein paar Mal war er zu dieser Jahreszeit in Kenia, um die Wanderung der Gnus in der Maasai Mara zu beobachten, die oft als "Achtes Weltwunder" bezeichnet wird. Doch dieses Jahr ist alles anders - stattdessen besucht Santiago virtuell den Nairobi-Nationalpark.

"Wenn die Safari gut geleitet wird, dann hat man das Ambiente, das der Nationalpark Nairobi bietet, auch zu Hause. Alles geschieht in Echtzeit", erklärt er. "Selbst wenn meine Familie nach dem Coronavirus ohne mich in Kenia auf Tour geht, kann ich sie virtuell mit dieser Technologie begleiten."

Eine Chance für Afrikas ausgebremste Tourismusbranche?

Kenia hat durch das Ausbleiben der Touristen seit dem ersten COVID-19-Fall im Land bereits Einbußen von mehr als 750 Millionen US-Dollar verzeichnet. Daher hat die Tourismusbehörde Kenias im Juni eine Live-Stream-Kampagne als Teil der Kampagne #TheMagicAwaits ins Leben gerufen. So soll die Welt ein Vorgeschmack auf das bekommen, was sie in Kenia erwartet, wenn das Land wieder offen für Besucher ist, erklärt Betty Radier, Geschäftsführerin des Kenya Tourism Board.

Ein arikanischer Elefant läuft mit erhobenem Rüssel über einen Feldweg, ein Geländewagen mit Touristen im Hintergrund
Konventionelle Safaris sind vor allem im östlichen und südlichen Afrika ein wichtiger DevisenbringerBild: picture-alliance/blickwinkel/R. & S. Hoffmann

"Menschen sind online unterwegs und suchen nach Orten, zu denen sie reisen könnten. Das ist eine großartige Gelegenheit für uns, uns als Reiseziel live zu präsentieren," erklärt sie im DW-Interview. 16 unterschiedliche Ziele in Kenia werden live gestreamt. 

Ein Vorgeschmack auf die Zukunft

Auch in Südafrika funktioniert das Konzept. So hat beispielsweise die Tourismusbehörde von Kapstadt die Kampagne "We are worth waiting for" gestartet. Besucher sollen die Stadt virtuell genießen, einschließlich Touren auf der Gefängnisinsel Robben Island und dem Tafelberg. 

Der Geschäftsführer von Cape Town Tourism, Enver Duminy, beschreibt es als eine "Fernbeziehung": "Wir nutzen soziale Medien, um Touristen daran zu erinnern, warum sie sich einst in das Reiseziel verliebt haben", so Duminy im DW-Interview. Mit Bildernerinnern wir sie an ihre Sehnsucht und an vorherige Erlebnisse in Kapstadt, und wir hoffen, dass wir diese Liebesaffäre so fortsetzen können. Technologie ermöglicht den Transit in Raum und Zeit."

Wildreservate kämpfen ums Überleben

"Virtueller Tourismus ist eine tolle Möglichkeit, um zu schauen, ob man ein bestimmtes Reiseziel real besuchen möchte", so auch Gerald Ferreira, Gründer der Virtual Reality Company in Südafrika. Gefällt einem das Ziel nicht, kann man sich den Flug gleich sparen, und die Umwelt freut sich. "Die Leute können auch austesten, wie Abenteuertourismus aussieht, bevor sie etwa Bungeejumping ausprobieren," erklärt Ferreira einen weiteren Vorteil.

Afrikas Tourismusbranche wächst rapide

Nach Angaben der UN-Welttourismusorganisation UNWTO ließen Anfang Juni 74 Prozent der afrikanischen Regierungen keine Touristen ins Land. Vor COVID-19 war Afrika die am zweitschnellsten wachsende Region für Tourismus. Im Jahr 2018 besuchten etwa 67 Millionen Touristen aus anderen Erdteilen den Kontinent, was 38 Milliarden US-Dollar einbrachte. 2019 kamen vorläufigen Zahlen zufolge noch einmal 4,2 Prozent mehr. Für 2020 hätte Afrika mit einem Plus von drei bis fünf Prozent rechnen können.

Doch dann kam COVID-19. Nach Angaben des globalen Wirtschaftsverbands der Tourismusbranche WTTC sind allein in Afrika fast acht Millionen Arbeitsplätze im Tourismussektor verloren gegangen. Alternativen müssen her.

Doch kann virtueller Tourismus das wirkliche Reisen ersetzen? Oder könnte er der Tourismusbranche sogar nachhaltig schaden und Reisende fernhalten, die sich damit begnügen, Afrika nur virtuell zu besuchen?

 "Reisen ist in unserer menschlichen DNA"

Das glaubt Informatiker Patrick Karangwa aus Ruanda nicht. Er bietet virtuelle Touren durch Kigali an. "Ich sehe mich nicht als Konkurrent zum traditionellen Tourismus, sondern eher als Partner", sagt der 32-Jährige der DW. "Ich schaffe eine zusätzliche Informationsebene, die Leute dazu bringt, Orte zu bereisen. Es ist eigentlich ein Vorteil für die Reiseveranstalter, Hotels, Restaurants und die Branche allgemein."

Virtueller Tourismus in Ruanda

Und auch Enver Duminy in Kapstadt setzt weiter auf die Reiselust des Menschen. "Virtuelle Realität ermöglicht es, Dinge zu erleben, doch ohne sie zu berühren, zu schmecken oder zu riechen. Wir wissen, dass nichts das Physische und Reale ersetzen kann. Es steckt in unserer DNA: Wir brauchen soziale Kontakte und Erlebnisse."

in Löwe ist im Live-Stream einer Safari im Wildreservat Ol Pejeta zu sehen
Ein Nebeneffekt: Von 105 virtuellen Zuschauern dürfte sich dieser Löwe weniger gestört fühlen als von Dutzenden JeepsBild: picture-alliance/dpa/O. Pejeta

In wenigen Wochen sollen die erste Pauschaltouristen aus Europa wieder nach Ruanda kommen. Das für seinen laxen Corona-Kurs bekannte Tansania begrüßt bereits Touristen, Namibia hat seine Nationalparks wieder geöffnet.  Kenia lässt ab dem 1. August wieder Touristen ins Land, und Südafrikas Tourismusindustrie hofft, die Tore ab September 2020 öffnen zu können - ob es so kommt, ist angesichts steigender Corona-Fallzahlen ungewiss. Länder wie Uganda dürften noch etwas länger warten.

Neue Wege für den Artenschutz?

Der Tourist Juan Santiago in Madrid hat damit kein Problem. Seit Beginn der Pandemie hat er sich bereits virtuell die berühmten archäologische Entdeckungen und Sammlungen im Nationalmuseum in Nairobi angeschaut.

Auch wenn er die Länder gern selbst bereist, glaubt er an die Zukunft des virtuellen Tourismus. "Eines Tages können wir alle die Giraffen in Nairobi von der ganzen Welt aus sehen, man geht um acht Uhr morgens zur Arbeit und verfolgt die Giraffe auf Live-Bürobildschirmen", hofft Santiago. "Das wird den Naturschutz fördern, denn Naturfreunde wie ich würden dann für diese Giraffen, Nashörner oder Elefanten spenden." Wen jetzt schon die Reiselust packt, der kann nur darauf hoffen, dass bald Reisen nach Afrika wieder möglich sind. Für die, die sich auch mit virtuellen Reisen begnügen können, steht jetzt schon die Welt offen. 

Silja Fröhlich
Silja Fröhlich Redakteurin, Reporterin und Moderatorin