Viel Geld für kein Öl
9. Juli 2008Das Angebot, das der ecuadorianische Präsident der Welt im vergangenen Jahr unterbreitete, schien auf den ersten Blick alles andere als unwiderstehlich. Ecuador, so erklärte Staatschef Rafael Correa, wolle ein großes Urwaldgebiet im Osten des Landes unangetastet lassen. Die Naturschutzregion solle erhalten bleiben und die ansässigen Ureinwohner dort weiter leben können. Mehrere hundert Millionen Kubikmeter schwefelhaltiger, schwarzer Schlamm, der darunter lagert, sollten unter der Erde bleiben, wenn, ja wenn die internationale Gemeinschaft bereit wäre, dem Land jährlich 350 Millionen Dollar zukommen zu lassen - für die nächsten 13 Jahre.
Eine ungewöhnliche Offerte, mit Sicherheit aber keine wahnwitzige: Zum Ende der ersten Frist Ende Juni 2008, die Ecuador der Welt für eine Entscheidung gegeben hat, zeichnet sich ab, dass Correas Angebot im Ausland tatsächlich ernst genommen wird. Denn der unterirdische Schlamm ist Erdöl und trotz seiner unterirdischen Qualität wertvoll genug, um ihn zu fördern. Möglich machen dies die hohen Weltmarktpreise für den Rohstoff.
Mehreres spricht allerdings dagegen, im ecuadorianischen Yasuni-Nationalpark ein weiteres Ölfass aufzumachen. Darunter die besonders hohe Artenvielfalt in dem Weltbiosphärenreservat - auf einem Hektar finden sich so viele Baumarten wie auf dem gesamten nordamerikanischen Kontinent. Auch die Rechte verschiedener dort lebender Indianer-Völker sind berührt. Vor allem aber ist es die Klimaschutzdebatte, die mehrere Regierungen im Norden dazu drängt, auf Rafael Correa zuzugehen.
Deutschland interessiert, will mehr Zeit
Die Bundestagsabgeordnete Ute Koczy von Bündnis90/Die Grünen ist die Initiatorin eines fraktionsübergreifenden Antrags, der Ende Juni im Bundestag einstimmig angenommen wurde. Der Antrag begrüßt das Angebot Ecuadors und fordert von der Bundesregierung, sich bei der Regierung in Quito für eine Verlängerung der Frist einzusetzen. Die hat Ecuador mittlerweile bis zum Herbst verlängert. Doch noch mehr Zeit sei notwendig, meint Koczy. "Bevor irgendwer etwas zahlt, muss erst mal über die Struktur entschieden werden." Wie würde ein entsprechender Treuhandfond aussehen, wer würde ihn verwalten?, fragt sie. Voraussetzung sei auch eine unabhängige Bewertung der betroffenen Ölressourcen sowie der ökologische Nutzen ihrer Nichterschließung.
Spanien hat bereits vier Millionen Euro zugesagt. Auch Belgien, Italien und Norwegen sind interessiert. Unterstützung kommt ebenso von mehreren internationalen Stiftungen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Der Weg zu einem Deal ist dennoch weit, von einem Erreichen der 350 Millionen Dollar Zusage ganz zu schweigen. Und selbst die Summe sei nur die Hälfte dessen, was dem Andenstaat durch die Nichterschließung verloren ginge, sagt die Regierung Ecuadors.
Neues Modell für Klimaschutzpolitik?
Das Versprechen der ecuadorianischen Regierung, den internationalen Millionenbetrag in den Umwelt- und Klimaschutz zu investieren, stärkt Präsident Correas Angebot zusätzlich als ein neuer Weg, mit dem globalen Klimaproblem umzugehen. Die allgemeine Idee, dass sich Entwicklungsländer das Unterlassen klimaschädlicher Aktivitäten bezahlen lassen, sei nicht neu, sagt Gernot Klepper vom Kieler Institut für Weltwirtschaft. "Das konkrete Angebot Ecuadors zwingt die Industrieländer jetzt aber Farbe zu bekennen." Wie viel ist ihnen der Klimaschutz wirklich wert? Könnte das Angebot des Andenstaats Vorbild für den globalen Klimaschutz sein? Um das zu beurteilen, müsse Correas Angebot umfassend betrachtet werden, sagt Klepper. Es gehe nicht nur um die Kohlendioxid-Einsparung, die sich daraus ergibt, dass das Öl nicht in den weltweiten Brennstoff-Kreislauf eingebracht wird. "Noch wichtiger ist die Menge an Kohlendioxid, die von dem darüber liegenden bislang unangetasteten Urwaldgebiet absorbiert wird." Wie viel das in der rund 200.000 Hektar großen Region tatsächlich ausmacht, ist nicht einfach zu ermitteln.
Druck auf Correa wächst
Bei dem betroffenen Gebiet handelt es sich um die Ishpingo-Tambococha-Tiputini (ITT)-Region. Dies ist einer von mehreren "Blocks" im Yasuni-Nationalpark, die für die Ölförderung abgesteckt sind. Bis auf den ITT-Block wird in den anderen angrenzenden Gebieten bereits Öl gefördert. Im ITT-Block lagern geschätzt rund eine Milliarde Barrel Öl - rund ein Fünftel der gesamten Reserven des Landes. Bei weltweiten Rekordölpreisen, die zudem weiter steigen, wächst daher der Druck auf Präsident Correa immer mehr, auch im ITT-Block nach Öl zu bohren.
Doch Präsident Correa hat bereits Fakten geschaffen, die auch die Welt überzeugen helfen sollen. Zu Beginn des Jahres hat Ecuador einen eigenen Treuhandfond für die eingeforderte Millionensumme eingerichtet. Seit Januar 2008 gibt es zudem ein Technisches Sekretariat, das die so genannte ITT-Initiative - also das Angebot, den Sektor nicht zu erschließen - betreut. Ein ehemaliger Außenminister des Landes leitet das Büro. Dennoch - bei dem Streit zwischen Umweltschützern, Nichtregierungsorganisationen, Ölmultis und der Wirtschaft in Ecuador, "fragt man sich, wie ernst das Angebot der ecuadorianischen Regierung wirklich ist", sagt Ute Koczy. Daher sei es umso wichtiger, zügig zu handeln.
Die Uhr läuft vorerst bis zum 5. Oktober weiter. So lange hat die ecuadorianische Regierung die Frist verlängert. Für die Zeit danach plant sie bereits - auch wenn Präsident Correas Offerte an die Welt am Ende erfolglos bleiben sollte. Der Verkauf der Förderkonzessionen für den ITT-Block wird schon vorbereitet.