Das Album „Ciudades...Berlin“
6. Dezember 2011"Die Geschichte geht so", erzählt der argentinische Bratschist Juan Lucas Aisemberg: "Ich hatte schon viele Jahre Tango gespielt, aber für meinen Geschmack zu sehr als klassischer Musiker. Weil ich nichts anderes konnte." Sein Vater war ein Freund von Astor Piazzolla, der junge Aisemberg wuchs mit dem klassischen Tango auf. Als er dann aber in den 90er Jahren in Berlin den Vibraphonspieler Oli Bott kennen lernte, waren sie sich schnell einig: Ihr Tango sollte anders klingen.
Eine minimale Besetzung, das war die Idee: Piano, Kontrabass, Bratsche und statt des Bandoneons ein Vibraphon. Es sollte auf keinen Fall eine Kopie der Musik des großen Piazzolla werden, denn schon Oli Botts Lehrer, der Amerikaner Gary Burton, hatte mit dem Argentinier zusammengearbeitet. "Das war für mich immer eine Blockade", sagt der heute 37-jährige Bott. "Ich hatte das für mich schon ad acta gelegt: Wenn Gary Burton mit Piazzolla gespielt hat, warum sollte ich es dann noch versuchen?"
Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile
2002 ist die richtige Besetzung gefunden: die Franco-Vietnamesin Tuyêt Pham am Klavier, der Deutsche Arnulf Ballhorn am Kontrabass, Juan Lucas Aisemberg an der Bratsche und Oli Bott am Vibraphon. Alle vier sind erfolgreiche Musiker. Pianistin Tuyêt Pham war Schülerin bei Dietrich-Fischer Dieskau und konzertiert heute im In- und Ausland. Arnulf Ballhorn ist als Kontrabassist Orchestermitglied der Komischen Oper Berlin. Juan Lucas Aisemberg spielt mit Berühmtheiten wie Gustavo Beytelmann und gibt weltweit Konzerttourneen. Und Oli Bott schloss sein Kompositions- und Vibraphonstudium am Berklee College of Music in Boston mit "Summa cum Laude" ab und erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen.
Was sie verbindet, ist ihre Begeisterung für die Harmonien des "Nuevo Tango", des Neuen Tangos, begründet von Astor Piazzolla. "Diese Kombination aus unendlich langen Melodiebögen und gleichzeitig diese wundervollen Akzente im Bass, im Piano, die für Bewegung sorgen; so lebe ich, so höre ich Tango, und so liebe ich ihn auch", erklärt Bott.
Der Band auf den Leib geschrieben
Vibratanghissimo spielt Piazzolla-Stücke in neuen Arrangements von Juan Lucas Aisemberg. Aber genauso wichtig sind ihnen die eigenen Kompositionen von Oli Bott. Seine Stücke lassen ab und zu den großen Argentinier erahnen, sind aber musikalisch unabhängig. In seinen Tangos begegnen sich Klassik, Jazz, Samba und sogar türkische Rhythmen.
Das Zusammenspiel der vier Instrumente klingt dann wie eine Unterhaltung zwischen guten Freunden: Keiner gibt den Ton an, aber jeder lässt dem anderen Raum für seine eigene Meinung. Wenn er komponiere, sagt Bott, sehe er alle vier Personen vor sich und versuche so zu gestalten, wie er sie "erfühle". "Es kann sein, dass es dann später ganz anders gespielt wird, was aber auch gar nicht schlimm ist." Oli Bott versteht sich als derjenige, der die Basis vorgibt, doch jeder soll seine eigene Kultur und Persönlichkeit mit einbringen.
Hommage an die Tangometropole
Die Tangos aus Vibratanghissimo aktuellen Album "Ciudades...Berlin" erzählen vom Tempo der Hauptstadt, wie sie lebt, arbeitet und feiert. Vibraphon und Bratsche übertrumpfen sich gegenseitig in Läufen und Schnelligkeit, treiben sich zum Höhepunkt und treffen sich schließlich, um gemeinsam zur Ruhe zu kommen und die "tote Stunde" zu zelebrieren. "Ciudades...Berlin" ist der Auftakt einer Trilogie, den Tangometropolen Berlin, Buenos Aires und Paris gewidmet. Oli Bott sagt: "Jetzt fangen wir erst richtig an, wir haben uns frei gespielt."
Autorin: Camilla Hildebrandt
Redaktion: Matthias Klaus