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Konferenz verzweifelt an Damaskus

Kersten Knipp4. Februar 2013

Der Konflikt in Syrien beherrschte die Sicherheitskonferenz in München. Einig waren sich die Teilnehmer vor allem in einem Punkt: Es spricht wenig dafür, dass sich die Gewalt zügig beenden lässt.

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Plenum der Münchner Sicherheitskonferenz (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Wer nicht mehr weiterkommt, setzt auf Wiederholung. Zwar haben die im Syrien-Konflikt eingesetzten politischen Mechanismen durchweg versagt. Aber wer weiß: Wenn man sie noch mal einsetzt, funktionieren sie vielleicht doch.

Lauschte man auf der Münchener Sicherheitskonferenz den Ausführungen Lakhdar Brahimis, des Syrien-Gesandten der UN und der Arabischen Liga, konnte man den Eindruck gewinnen, er hoffe auf nicht weniger als ein politisches Wunder. Man dürfe die Hoffnung nicht aufgeben, erklärte er. Aber man dürfe auch nicht naiv sein. Und so ist es womöglich strategische Naivität, die ihn ein weiteres Mal auf den UN-Sicherheitsrat hoffen lässt.

Konstruktive Zweideutigkeit

Eine andere Option bleibt vielleicht nicht angesichts des Umstands, dass die Regierung in Damaskus weiterhin nicht mit der Opposition reden und sich von ihrem Entschluss offensichtlich auch nicht abbringen lassen will. Und weil Gerüchte über Brahimis jüngsten, nicht veröffentlichten Bericht an den UN-Sicherheitsrat ohnehin die Runde machten und zumindest in Details offenbar auch zutreffen, gab er in München einige weitere Details preis.

Syrien-Sondergesandter Lakhdar Brahimi und syischer Oppositionführer Moas al-Chatib (Foto: AFP/Getty Images)
Syrien-Sondergesandter Lakhdar Brahimi (rechts) und der Chef der syischen Opposition, Moas al-Chatib, in MünchenBild: AFP/GettyImages

So fordert er in dem Text die Mitglieder des Sicherheitsrats auf, sich noch einmal zusammenzusetzen. Wenn sie sich nicht einigen könnten, die syrische Regierung zu verurteilen, sollten sie doch zumindest auf ein Dokument Bezug nehmen, nämlich die Genfer Erklärung vom Juni 2012. Diese habe den Charme "konstruktiver Zweideutigkeit", wie es Brahimi formulierte - indem sie nämlich vorschlägt, eine neue Regierung zu bilden, die für alle Konfliktparteien akzeptabel sei. Die Zuversicht, dass sich beide Seiten auf eine solche Regierung einigen könnten, hegt Brahimi indes nur bedingt. Doch die Hoffnung darf sich ja in der Diplomatie nicht unterkriegen lassen.

Mitverantwortung der Staatengemeinschaft

Derzeit blockiert sich die internationale Staatengemeinschaft im Sicherheitsrat selbst. Und darüber, so erklärte Moas al-Chatib, der Vorsitzende der syrischen "Nationalen Koalition der Oppositions- und Revolutionskräfte", unterstütze sie indirekt das Regime. Das mache darum ungestört weiter: 60.000 Syrer seien in dem Konflikt bislang getötet worden, 40 Prozent der Infrastruktur seien zerstört, über drei Millionen Häuser unbewohnbar. Tausende Syrer vegetierten im Gefängnis dahin. Und auch die kalkuliert gegen Zivilisten gerichteten Angriffe gingen weiter. So würden etwa Bäckereien mit Mörsern beschossen, die davor in langen Schlangen wartenden Menschen von den Truppen des Regimes niedergestreckt. Selbst auf Schulkinder ziele das Regime.

Häuserruinen im syrischen Homs (Foto: Reuters)
Wie hier in Homs liegen viele Gebäude in Syrien in Trümmern, Zehntausende Menschen verloren in dem Bürgerkrieg bislang ihr LebenBild: Reuters

Trotz alledem suche seine Koalition den Dialog mit der syrischen Regierung - unter der Bedingung, dass diese die politischen Gefangenen freilasse. Das könnte ein erster Schritt sein. Gehe die Regierung auf diesen Vorschlag aber nicht ein, warnte er, könnte der Krieg schlimme Auswirkungen auf die gesamte Region haben. "Wir Syrer lieben das Leben", erklärte er. "Aber wir haben keine Angst vor dem Tod."

Die Rolle des Iran

Angesichts eines solchen Szenarios mochte niemand den Ausführungen des iranischen Außenministers Ali Akbar Salehi applaudieren, der dafür warb, der Politik mehr Zeit zu geben. Der Iran habe mit der syrischen Opposition gesprochen und begrüße eine friedliche Lösung des Konflikts. Wer allerdings Recht habe und wer Unrecht, darüber werde einst die Geschichte das Urteil fällen.

In jedem Fall aber sollten die Syrer über das politische Schicksal ihres Landes selbst entscheiden. "Sie brauchen keine Vorschriften von außen." Unbeantwortet blieb die Frage von Ruprecht Polenz, dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestags, warum der Iran das Regime dann mit Waffen unterstütze.

Ein Gefühl von Hilflosigkeit

Fragen und ein Gefühl der Hilflosigkeit lagen über der Konferenz. Aus der Not wurden neue Vorschläge geboren, die allerdings auch höchst problematisch sind. Wenn Russland im Sicherheitsrat weiter sein Veto einlege, schlug Kenneth Roth, der Direktor der Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch", vor, könne man den Sicherheitsrat in Zukunft ja aus dem Spiel lassen. Eine Option, die in direktem Gegensatz zu dem stand, was Lakhdar Brahimi nur wenige Minuten vorher geäußert hatte.

Auch US-Senator John McCain brachte einen unkonventionellen Gedanken ins Spiel. Ungeachtet aller bisherigen Vereinbarungen über den defensiven Charakter der in der Türkei stationierten Patriot-Raketen, hätten diese eine Reichweite bis nach Aleppo. Also könne man damit syrische Flugzeuge abschießen und auf diese Art eine Sicherheitszone etablieren. Dies würde dazu beitragen, dass die Syrer wieder Vertrauen zu den westlichen Mächten gewännen.

Furcht vor Extremismus

Dieses Vertrauen ist ernsthaft gestört - und das könnte gewaltige Probleme in der Zukunft aufwerfen. Er habe, berichtet McCain, mit einer Lehrerin in einem syrischen Flüchtlingslager in der Türkei gesprochen. Viele der jungen Menschen, die dort lebten, seien verzweifelt. Die Lehrerin sei sicher, dass sie später Rache auch an denen nehmen würden, die ihnen jetzt nicht helfen.

US-Senator John McCain (Foto: Reuters)
US-Senator John McCainBild: REUTERS

Er habe große Sorgen, erklärte McCain weiter, dass die Frau Recht haben könnte. Doch noch bevor es soweit sei, müsse man mit zunehmendem Extremismus in Syrien und dann auch in der ganzen Region rechnen - eine Einschätzung, die nahezu alle Referenten der Diskussionsrunden zu Syrien teilten.

Damaszener Finsternis

Auf wenig, sehr wenig darf man hoffen in Syrien. Zumindest einen vagen Hoffnungsschimmer hegte Wolfgang Ischinger, der Leiter der Sicherheitstage, bis zuletzt. In München, sagte er, fände in vielen Hinterzimmern ja auch Echtzeit-Diplomatie statt. Vielleicht würden derzeit ja dort neue Chancen erarbeitet.

Diplomatie allerdings ist ein diskretes Geschäft. Aus den Hinterzimmern drang bis zum Ende der Konferenz nichts durch. Die Damaszener Finsternis warf ihren Schatten in diesen Tagen bis nach München.