Vertrag für Koalition unterzeichnet
27. November 2013Eine kleine Politikerunde um die CDU-Vorsitzende, Bundeskanzlerin Angela Merkel, SPD-Chef Sigmar Gabriel und den bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Horst Seehofe hatte die wichtigsten Kompromisse des Koalitionsvertrags in einer Marathonsitzung ausgehandelt. Nach insgesamt 17 Stunden stimmte auch die große Verhandlungsrunde mit mehr als 70 Teilnehmern am frühen Mittwochmorgen dem Papier zugestimmt.
Merkel nannte den Vertrag eine gute Grundlage für eine erfolgreiche vierjährige Regierungsarbeit. "Wir haben gute Chancen, dass wir 2017 sagen können, dass es den Menschen besser geht als heute", sagte die CDU-Chefin bei der Vorstellung des 187 Seiten starken Vertrags. Gabriel zeigte sich überzeugt, dass die Vereinbarung mit der Union von der Parteibasis gebilligt wird. Sozialdemokraten stünden seit 150 Jahren dafür, das Leben der Menschen zu verbessern. Seehofer bekannte, er habe von Anfang an eine große Koalition gewollt.
Damit sind jetzt die Leitlinien einer möglichen schwarz-roten Regierungspolitik der nächsten vier Jahre deutlich – der dritten Konstellation dieser Art in der Geschichte der Bundesrepublik. Sowohl CDU, CSU und SPD zeigten sich überzeugt, dem Koalitionsvertrag ihre "Handschrift" verliehen zu haben.
Über Wochen umstrittene Fragen scheinen damit zumindest vorläufig gelöst: So will das schwarz-rote Regierungsbündnis in spe den lange umstrittenen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde ab Januar 2015 tatsächlich einführen. Allerdings können die Tarifpartner in einer Übergangszeit bis Ende 2016 auch Abschlüsse vereinbaren, die darunter liegen. Hier haben sich die Sozialdemokraten durchgesetzt, zumindest größtenteils.
Einvernehmen auch bei Änderungen in der Rentenpolitik: Union und SPD wollen auf Verbesserungen von Mütterrenten wie auch Erwerbsminderungsrenten hinarbeiten. Damit werden zukünftig jene Mütter mehr Rente beziehen, die ihre Kinder vor dem Jahr 1992 bekommen haben.
Ferner soll eine "solidarische Lebensleistungsrente“ für Geringverdiener von bis zu 850 Euro pro Monat ab 2017 kommen. Zudem planen die Koalitionäre, die Rente mit 67 teilweise zurückzunehmen. So sollen Bürger bereits mit 63 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen können, wenn sie 45 Jahre lang in die Rentenkasse eingezahlt haben. Damit haben sich sowohl die Unionsparteien als auch die Sozialdemokraten mit ihren rentenpolitischen Forderungen durchgesetzt. Weiterhin verständigten sich die Parteien auf die Einführung einer PKW-Maut, welche durch ein Gesetz im Jahr 2014 geregelt werden soll. Dies war eine zentrale Wahlkampfforderung des kleinen Koalitionspartners CSU. Von Seiten der SPD hieß es im Anschluss, die Zustimmung zu PKW-Maut sei lediglich ein Prüfauftrag und keine endgültige Festlegung.
Ein Kompromiss auch im Bereich des Staatsbürgerschaftsrechts: Danach müssen sich in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern künftig nicht mehr bis zum 23. Geburtstag für einen der beiden Pässe entscheiden. Dies war eine zentrale Forderung der SPD. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt betonte, dass die Optionspflicht nur für in Deutschland geborene Jugendliche abgeschafft würde - nicht aber prinzipiell.
Damit plant die kommende schwarz-rote Regierungskoalition Veränderungen und Mehrausgaben vor allem bei den staatlichen Sozialleistungen. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe betonte dennoch, dass es gemäß des jetzt geschlossenen Vertrages keine Steuererhöhungen geben soll. Vor allem um die Finanzen wurde nämlich bis zuletzt von den drei Parteichefs gerungen, wurden die erwarteten Mehrausgaben zwischenzeitlich doch mit bis zu 50 Milliarden Euro beziffert. Zu viel für die Union. Der Kompromiss lautete zuletzt, dass die neuen Ausgaben nicht mehr als 23 Milliarden Euro im Jahr kosten dürften und dieses Geld durch Umschichtungen im Haushalt wieder einzusparen sei.
Die Finanzen stehen – und trotzdem hat das neue schwarz-rote Regierungsbündnis seine letzte Hürde noch nicht genommen. Denn die SPD lässt ihre 473.000 Mitglieder darüber abstimmen. Nur wenn sich bei dieser schriftlichen Mitgliederbefragung in der ersten Dezemberhälfte eine Mehrheit findet, kann die Regierungsarbeit beginnen. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles zeigte sich nach dem erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen zuversichtlich, dass dieser Vertrag auch bei der Parteibasis Zustimmung findet.
SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach ergänzte: "Das Gesamtpaket ist so sozialdemokratisch, dass wir unseren Mitgliedern die Zustimmung empfehlen müssen."
Mit Rücksicht auf das Votum der Parteibasis soll die Aufteilung der Ministerposten noch aufgeschoben werden, melden Nachrichtenagenturen. Sicher ist, dass in einer Regierung unter Kanzlerin Merkel sechs Ministerien an die Sozialdemokraten, fünf Ministerien an die CDU und drei Ministerien an die CSU gehen sollen. Stimmt die SPD-Parteibasis zu, dann könnte Angela Merkel am 17. Dezember im Deutschen Bundestag als Regierungschefin wiedergewählt werden.