Verteilen statt Verschwenden – Die Foodbank in Prag
11. November 2008Vincenco Aiello, Generaldirektor der Ferrero-Filiale in Prag, hat ab und zu ein Problem. Ein Problem, das Kinder nicht kennen. Signor Aiello hat zu viel Schokolade. "Das sind alles Waren, die wir eigentlich noch verkaufen könnten", sagt er. "Aber wenn ein Kunde seine Bestellung zurückzieht, dann haben wir manchmal mehr Schokolade als wir absetzen können. Overstock nennen wir das. Wenn wir also einen Schokoladen-Overstock haben, dann schicken wir sie an die Lebensmittelbank hier in Prag."
Die Lebensmittelbank in Prag gibt es noch nicht sehr lange. Es war der in Tschechien lebende französische Journalist Fabrice Martin-Plichta, der 2004 auf die Idee kam. "Das Wort Lebensmittelbank kannte ich aus Frankreich und der Grundgedanke schien mir so selbstverständlich, dass ich dachte, das gibt es in der Tschechischen Republik auch", erzählt er. "Aber das war nicht so. Und deshalb habe ich bei verschiedenen karitativen Organisationen herumgefragt und mich dann an die Arbeit gemacht."
Kindertraum aus Schokolade
Zwei Jahre später, also 2006, eröffnete schließlich Fabrice Martin-Plichta die erste Lebensmittelbank in Prag. "Sie dient einerseits dem Kampf gegen die Verschwendung und Vernichtung von Lebensmitteln", erklärt er. Immer noch würden zu viele Lebensmittel in Tschechien auf die Müllkippe gebracht oder verbrannt. Auf der anderen Seite helfe die Lebensmittelbank Armen und Menschen in Not. Alles, was es dazu braucht, ist ein Büro, das zwischen den Lebensmittelfirmen und den charitativen Einrichtungen vermittelt. Und natürlich ein Lager.
In der kleinen Lagerhalle der Foodbank am Stadtrand von Prag pumpt Pavlína Linhartová den Hubwagen hoch und schiebt mühsam eine vollbepackte Palette an ihren Platz. Eine Tonne Kindertraum aus Schokolade. "Wir befinden uns hier im Lager der Lebensmittelbank", sagt sie. "Von hier aus verteilen wir die angelieferten Lebensmittel der Firmen an verschiedene charitative Organisationen für Kinder, behinderte Menschen, Obdachlose und so weiter."
Meist nur kurz haltbar
Heute ist die Lagerhalle nur zu einem Drittel gefüllt. Die Firmen liefern unregelmäßig, erklärt Pavlína Linhartova. Dafür finden wir hier aber die süße Lieferung von Senior Aiello. Kinder würden bei dem Anblick große Augen machen. Aber genau für sie sind die Süßigkeiten bestimmt. Nikolaus steht bald vor der Tür. Ansonsten liefern die Firmen vom Kaffee bis zur Konserven alles, was man in Küchen braucht.
"Die Sachen sind zwar meistens nur noch kurz haltbar, abgelaufene Waren dürfen wir gar nicht verteilen", erklärt Pavlína Linhartova. "Und wenn Frischware gebracht wird, dann kommen sofort die sozialen Einrichtungen und holen es ab."
Süßigkeiten fürs Selbstbewusstsein
Das Kinderheim Känguruh – ebenfalls am Stadtrand von Prag. Hier sind Klein und etwas Größer untergebracht, wenn sie von ihren Eltern verlassen wurden, wenn sie gequält oder sexuell missbraucht wurden. Auch hierhin kommen die Waren aus der Lebensmittelbank. Jana Voldřichová, die Leiterin des Kinderheims Känguruh: "Die Lebensmittelbank hilft uns. Oft mit Süßigkeiten, aber auch mit vielen anderen Lebensmitteln, die wir täglich brauchen."
Gerade jetzt vor Nikolaus und Weihnachten helfen besonders die Süßigkeiten. Die Kinder im Heim haben oft ein Selbstvertrauen voller Narben, sagt die Heimleiterin. In einer normalen Familie würden sie zum Nikolaus auch Süßigkeiten bekommen. "Wenn die Kinder jetzt etwas mit in die Schule nehmen können, wofür wir sonst gar kein Geld hätten, dann haben auch sie mal das schöne Gefühl, etwas Besseres dabei zu haben."
Probleme mache manchmal nur das Haltbarkeitsdatum. Meist läuft es ein paar Tage später ab. "So kommt es dann, dass die Kinder manchmal an einem Tag fünf Schoko-Kekse bekommen, am nächsten dann nur noch einen und am dritten Tag keinen mehr." Macht aber zusammen immerhin noch sechs Kekse. Und sechs Kekse von der Lebensmittelbank sind allemal besser als gar kein Keks.