Verteidigungsminister unter Beschuss
1. August 2013Der Euro-Hawk-Albtraum für Verteidigungsminister Thomas de Maizière hört nicht auf. Auch in der Sommerpause des Parlaments hat der CDU-Politiker keine Ruhe vor der Frage, wie viel Verantwortung er persönlich am Scheitern des 660 Millionen Euro teuren Drohnenprojekts trägt. Am Mittwoch (31.07.2013) stellte sich de Maizière dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der die Vorgänge ergründen soll.
Das unbemannte Flugzeug sollte Aufklärungsarbeit für die Bundeswehr leisten. Um Soldaten nicht selbst in Gefahr zu bringen, stieß die damalige Regierung von SPD und Grünen die Entwicklung einer Drohne an, die ohne Gefährdung von Bundeswehrpiloten Terrain aus der Luft erkunden sollte. Der damalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, war am Entscheidungsprozess beteiligt, und ist immer noch der Meinung, dass Drohnen für die Bundeswehr unverzichtbar seien. "Das Projekt ist dringend notwendig", sagte Kujat im ARD-"Morgenmagazin". "Unsere Streitkräfte brauchen das, um einen Einsatz erfolgreich durchführen zu können, aber auch für ihre Sicherheit."
De Maizière spricht von Geburtsfehlern
Mit der Herstellung des Fluggeräts wurde die amerikanische Firma Northrop Grumman beauftragt, die deutsche EADS-Tocher Cassidian war für die Aufklärungssoftware zuständig. Laut de Maizière hat es schon in der Entstehungsphase des Projekts Schwierigkeiten gegeben. "Die Probleme wurden zu Beginn des Projekts und im Projektverlauf unterschätzt", sagte der Verteidigungsminister vor dem Untersuchungsausschuss.
Im Mai dieses Jahres dann das Ende des Euro Hawks: Die Drohne hatte keine Zulassung für den deutschen Luftraum erhalten, und diese zu bekommen hätte weitere Investitionen von rund einer halben Milliarde Euro erfordert - und selbst dann wäre eine Genehmigung noch nicht sicher gewesen. Deshalb brach das Ministerium das Projekt ab. Kritiker aus der Opposition werfen de Maizière vor, dem Ganzen nicht früh genug ein Ende bereitet zu haben.
Streit um Bekanntwerden der unlösbaren Probleme
Am Dienstag hatte bereits Stéphane Beemelmans, Staatssekretär im Verteidigungsministerium, vor dem Untersuchungsausschuss ausgesagt. Er bestätigte, was zuvor schon der Minister selbst über den Zeitpunkt gesagt hatte, an dem er von den gravierenden Problemen des Euro Hawks erfuhr: Beemelmans sagte, er habe seinen Chef wirklich erst am 13. Mai 2013 über den Stopp des Drohnenprojekts informiert. De Maizière habe diesen dann gebilligt. Der Verteidigungsminister sagte vor dem Ausschuss noch einmal, dass er zwar schon vorher von Problemen mit der Drohne gewusst habe, betonte aber: "Sie wurden mir immer als lösbar dargestellt."
Genau das bezweifelt die Opposition. Rainer Arnold, der Obmann der SPD im Ausschuss, wirft de Maizière vor, gelogen zu haben. Laut der "Süddeutschen Zeitung" hat der Minister bereits im Dezember 2012 eine Mappe mit Informationen zu den gravierenden Zulassungsplänen des Euro Hawks erhalten. Am Mittwoch veröffentlichte die "Berliner Zeitung" einen Bericht, nach dem in den Papieren Markierungen in Grün, der Farbe des Ministers, gemacht wurden. Das nahm die Opposition als Zeichen, dass sich de Maizière sehr wohl schon früher mit dem Thema auseinandergesetzt hatte. Der Minister leugnete dies in der Sitzung.
Bringschuld oder Holschuld
"Ein Minister, der so mit der Wirklichkeit und der Wahrheit umgeht, hat das Vertrauen der Öffentlichkeit, vor allen Dingen aber auch der Soldaten, verspielt und kann dieses wichtige Ressort nicht mehr führen", sagte Arnold dem Deutschlandfunk.
Regierungspolitiker aus FDP und CDU betonen, dass die Aussage von Staatssekretär Beemelmans genau das bestätige, was de Maizière seit Beginn der Diskussion sagt. Selbst wenn das die Wahrheit sei, würde sie den Minister nicht entlasten, hält Rainer Arnold dagegen. "Ein Staatssekretär muss seinen Minister informieren, ein Minister hat aber auch eine Holschuld." Er müsse sich eigenständig über Vorgänge und Projekte informieren, gerade wenn es um so teure und komplexe Dinge wie den Euro Hawk gehe."
Komplizierte Ministeriumsstruktur
Ein Grund für das Kommunikationsproblem im Bundesverteidigungsministerium könnte der Aufbau des Ministeriums sein. Bereits 2009 sollte es reformiert werden. Das Ziel: Ein Haus, das "vom Kopf bis in die Zehenspitzen" besser zu steuern sei, erklärt Politologe Christian Mölling. Doch so richtig ist man dort wohl noch nicht angekommen. "Sie haben im Grunde eine Verantwortungsdiffusion, sodass am Ende keiner mehr verantwortlich ist", sagt der Rüstungsexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik im DW-Interview. Er sieht de Maizière nicht in der alleinigen Verantwortung für das aktuelle Debakel: "Die Aufgabe des gesamten Ministeriums ist es, den Minister so vorzubereiten, dass er politisch und militärisch nicht scheitern kann. Von daher hat das Ministerium seinen Minister ganz schön im Regen stehen lassen."
Wie sieht nach dem Untersuchungsausschuss die Zukunft von Verteidigungsminister de Maizière aus? Noch immer steht seine Aussage, erst am 13. Mai die entscheidende Information erhalten zu haben, gegen die Aussage der Opposition, dass dies schon früher geschah. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte, dass sie hinter ihrem Minister stehe, und davon ausgehe, dass er alle aufkommenden Fragen beantworten könne. Oppositionspolitiker von SPD, Grünen und Linken fordern seinen Rücktritt. Sollte de Maizière sein Amt vor der Bundestagswahl im September niederlegen? Nein, sagt der ehemalige Bundeswehr-Generalinspekteur Harald Kujat. "Dieses Problem ist nicht in der Zeit von de Maizière entstanden, sondern von einem Minister zum anderen weitergereicht worden", sagt Kujat. "Ich finde nicht, dass er zurücktreten muss."