Verstärkte Repression gegen Chinas Uiguren
17. April 2014China ist ein Vielvölkerstaat. Neben der übergroßen Mehrheit der Han-Chinesen leben dort 55 nationale Minderheiten, die meisten an der Peripherie des Landes. Allerdings fühlen sich einige Minderheiten auch kulturell an den Rand gedrängt. Die chinesische Propaganda zeichnet zwar gerne ein Bild des harmonischen Zusammenlebens der verschiedenen Nationen. Wie wenig das zumindest im Falle der rund 10 Millionen Uiguren im zentralasiatischen Nordwesten Chinas stimmt, zeigte sich erneut am vergangenen Wochenende (12./13.04.2014). In der Stadt Aksu hatte ein 17-jähriger mit seinem Motorrad eine rote Ampel überquert – und war von der Polizei erschossen worden. Die anschließenden Proteste seien brutal niedergeschlagen worden, berichtete Radio Free Asia. Jegliche Berichte über den Tod des Jungen und die Proteste mussten nach Angaben der Webseite China Digital Times auf Anweisung des Staatlichen Informationsamtes von chinesischen Webseiten entfernt werden.
Allgegenwärtig: Bilder von Verschleppten
Der tragische Zwischenfall in Aksu bildete den Hintergrund für eine Konferenz der Exil-Uiguren in München. Die stand unter dem Titel: "Verschwiegene Verbrechen gegen die Menschlichkeit – Verschleppungen, willkürliche Verhaftungen und außergesetzliche Tötungen von Uiguren in China". Drei Tage lang diskutierten Vertreter der Uiguren aus 25 Ländern in den Tagungsräumen des Hotel Regent unweit des Münchner Hauptbahnhofes. An den Wänden mahnten Bilder verschleppter oder getöteter Uiguren. Alim Seytoff ist Pressesprecher der Dachorganisation World Uighur Congress (WUC) und spricht im Gespräch mit DW.DE vom massenhaften Verschwinden von Uiguren. Die chinesischen Behörden verweigerten jede Auskunft über die Verschleppten. Außerdem beklagt Seytoff, dass es seit dem Amtsantritt von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping vor einem Jahr etwa ein Dutzend außergerichtlicher Tötungen von Uiguren gegeben habe. "Oft erschießen die Sicherheitskräfte Uiguren ohne Prozess oder Anhörung. Im Nachhinein bezeichnen sie die Opfer dann einfach als Separatisten, Terroristen oder Extremisten."
Einmischung erwünscht
Der Uiguren-Sprecher wünscht sich, dass westliche Regierungen wie die deutsche oder die der USA oder auch die Europäische Union die Situation der Uiguren bei ihren chinesischen Partnern ansprechen - sei es bei den verschiedenen Menschenrechtsdialogen oder auch bei Staatsbesuchen. Ulrich Delius, als Asien-Referent der Gesellschaft für bedrohte Völker auf der Konferenz, bestätigt, dass sich die Lage der Uiguren kontinuierlich verschlechtert habe: "Wir haben es von Tag zu Tag mit einem repressiveren Regime in der VR China zu tun, die mit aller Macht gegen die Uiguren, aber auch gegen Tibeter oder Han-Chinesen vorgehen, die sich für ihre Menschenrechte einsetzen. Und das ist das Problem: Wir haben es mit einem übermächtigen Gegner zu tun, der ein enormes Renommee hat - wirtschaftlich, politisch, militärisch. Das macht die Lage so schwierig."
Auch Uiguren-Sprecher Seytoff unterstreicht, dass die chinesische Führung zu glauben scheine, die Lösung des Problems liege in stärkerer Repression. Dass selbst so gemäßigte Kritiker des Pekinger Kurses wie der uigurische Hochschullehrer Ilham Tohti wegen angeblichen Separatismus angeklagt werden, stützt diese Annahme. Im Übrigen legen die Vertreter der Exil-Uiguren in München großen Wert auf die Feststellung, dass sie jede Form von Gewalt ablehnen. Der Terroranschlag auf dem Bahnhof der südwestchinesischen Stadt Kunming etwa, bei dem über 30 Menschen ums Leben kamen, wurde einhellig verurteilt.
Neben dem Erfahrungs- und Informationsaustausch diente die Münchner Konferenz auch der Vorbereitung auf den 5. Juli. Dann jährt sich zum fünften Mal der Tag, an dem in Xinjiang der Konflikt zwischen einheimischen Uiguren und zugewanderten Han-Chinesen gewaltsam aufbrach. Bei den Übergriffen beider Seiten in Urümqi kamen 2009 nach offiziellen Angaben knapp 200 Menschen ums Leben. Auf der Tagung in München allerdings berichteten Augenzeugen von deutlich mehr Toten.
München - Hauptstadt der Exil-Uiguren
München wurde als Konferenzort ausgewählt, weil hier das Büro des World Uighur Congress angesiedelt ist. Dass München sich zur Hauptstadt der Exil-Uiguren entwickelt hat für Dolkun Isa, den Generalsekretär des WUC, einen einfachen Grund. In den Zeiten des Kalten Krieges war in der bayrischen Landeshauptstadt der amerikanische Auslandssender Radio Liberty angesiedelt - der auch ein uigirisches Programm ausstrahlt. Das hat uigurische Aktivisten und Journalisten nach München gelockt. Inzwischen ist Radio Liberty nach Prag umgezogen, die Uiguren aber sind in München geblieben. Im Mai plant der WUC eine weitere Konferenz in Deutschland: Dann soll der Fokus auf der religiösen Unterdrückung der mehrheitlich muslimischen Uiguren liegen.