Krisendiplomatie im Chaos von Kiew
20. Februar 2014Aus dem Zentrum der ukrainischen Hauptstadt wurde ein neues Blutbad gemeldet, die Demonstranten auf dem Maidan-Platz waren voll und ganz damit beschäftigt, ihre Barrikaden wieder aufzubauen: Inmitten der größten Gewalteskalation seit Wochen setzten die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Polens den ganzen Tag über ihre ambitionierte Pendeldiplomatie in Kiew fort. Die Verhandlungen seien "sehr schwierig", berichtete der französische Minister Laurent Fabius.
Tauziehen bis in die Nacht
Fabius äußerte sich nach einer zweiten Gesprächsrunde mit Oppositionsvertretern und wollte anschließend zusammen mit den Kollegen Frank-Walter Steinmeier und Radoslaw Sikorski die Verhandlungen mit Präsident Viktor Janukowitsch fortführen. Aus Kreisen der deutschen Delegation hieß es, es werde mit einer langen "Nachtsitzung" gerechnet oder einer Fortsetzung an diesem Freitag. Später verlautete, auch Vertreter der verschiedenen Oppositionsgruppen sollten zu dem Treffen hinzustoßen.
Steinmeier hatte betont, eine Lösung sei nur in der Ukraine selbst möglich, und zwar durch die Wiederaufnahme des politischen Dialogs. Das EU-Trio hat dafür einen Fahrplan im Gepäck. Janukowitsch soll zunächst die Gewalt beenden und seine umstrittenen Vollmachten zurücknehmen. Letztendlich geht es um eine Übergangsregierung in Kiew sowie baldige vorgezogene Parlaments- und Präsidentenwahlen.
Für Erklärungen des polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk aus Warschau, dass Janukowitsch prinzipiell vorgezogenen Wahlen noch in diesem Jahr zugestimmt habe, gab es keine Bestätigung. Laut Tusk soll der Staatschef zudem grundsätzlich eingewilligt haben, binnen zehn Tagen eine Regierung der Nationalen Einheit zu bilden.
Sanktionen vorbereitet
In Brüssel verständigten sich die EU-Außenminister währenddessen bei einer Dringlichkeitssitzung darauf, Einreiseverbote und Kontosperren gegen die "Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen, Gewalt und den Einsatz übermäßiger Härte" in der Ukraine zu verhängen.
Die Strafmaßnahmen sollen aber erst in Kraft treten, wenn es in Kiew zu neuer Gewalt kommt. Derzeit will man die laufenden diplomatischen Bemühungen abwarten, ungeachtet der großen Skepsis in Brüssel.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am Donnerstagabend mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und US-Präsident Barack Obama telefoniert. Sie habe die Präsidenten über die laufende Vermittlungsmission der Außenminister in Kiew informiert, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin mit. "Die Bundeskanzlerin und die Präsidenten stimmten darin überein, dass schnellstmöglich eine politische Lösung der Krise in der Ukraine gefunden werden und das Blutvergießen aufhören müsse", wurde mitgeteilt.
Auch Putin schickt Vermittler
Der russische Außenminister Sergej Lawrow warf dem Westen erneut Erpressung in der Ukraine-Frage vor. Kremlchef Putin schickte offenbar auf Bitten Janukowitschs den scheidenden Menschenrechtsbeauftragten Wladimir Lukin als Vermittler nach Kiew.
SC/wl (afp, APE, dpa, ARD)