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Verhärtete Fronten

Gesine Dornblüth17. November 2008

Der Krieg im Kaukasus währte nur wenige Tage, aber der Konflikt zwischen Georgiern und Russen ist bis heute nicht beigelegt. Nun startet in Genf ein weiterer Vermittlungsversuch. Wie sieht die Position der Georgier aus?

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Soldaten und Panzer (Quelle: AP)
Die russischen Truppen sind größtenteils aus Georgien abgezogen. Doch der Konflikt schwelt noch.Bild: AP

Das Verhältnis zwischen Russland und Georgien ist spätestens seit dem Fünf-Tage-Krieg im August zerrüttet, und Diplomaten schließen weiter nicht aus, dass der Konflikt um die abtrünnigen georgischen Provinzen Südossetien und Abchasien wieder ausbrechen kann. An diesem Dienstag (18.11.2008) wollen Vermittler der Europäischen Union und der Vereinten Nationen die Kontrahenten in Genf erneut ins Gespräch bringen.

Es ist bereits der zweite Vermittlungsversuch, ein erster war Mitte Oktober mit einem Eklat gescheitert. Den Diplomaten gelang es nicht einmal, beide Parteien in einen Raum zu bringen - zu gegensätzlich waren die Positionen.

Politiker sind versorgt

Vor gut drei Monaten war Gori, die Stadt nahe der Grenze zu Südossetien, Ziel russischer Luftangriffe geworden. Der Rentner Gurami Mariamidze wohnt in einem der fünfstöckigen Wohnblocks, die damals komplett ausbrannten. Die Bilder der Häuser gingen um die Welt.

Heute sind die Wohnungen komplett wieder hergerichtet. Mariamidze ist zufrieden mit der Aufbauhilfe der Regierung, aber lieber wäre es ihm gewesen, die Georgier hätten den Krieg mit Russland vermieden: "Jetzt, nachdem ich viele Experten im Radio gehört habe, scheint mir: Unsere Politiker sind auch schuld am Krieg. Aber denen geht es ja gut. Sie sind versorgt", sagt er.

Die Regierung weicht nicht von ihrem Standpunkt ab

Ein Mann zieht Kühe über eine Straße in Gori (Quelle: AP)
Es kehrt wieder Leben ein in die Straßen von Gori.Bild: AP

Solche Stimmen sind in Georgien immer häufiger zu hören. Die Regierung aber weicht auch drei Monate nach dem Krieg nicht von ihrem Standpunkt ab: Russland trage die alleinige Schuld an dem Krieg und die georgische Armee habe die südossetische Hauptstadt Zchinwali aus Notwehr angegriffen, um einen russischen Einmarsch aufzuhalten.

Georgien sei das Opfer russischer Aggression und dem Nachbarn auch jetzt hilflos ausgeliefert, beteuert auch die stellvertretende Außenministerin, Nino Kalandadze: "Wir können nicht handeln, wir warten im Moment und hoffen, dass Russland demnächst irgendwann zur Vernunft kommt."

Russland hat zwar seine Truppen aus dem georgischen Kerngebiet abgezogen, aber in Südossetien und Abchasien stehen erheblich mehr russische Soldaten als vor dem Krieg im August. Und Russland hat die beiden Gebiete als unabhängige Staaten anerkannt. Für die Georgier ist das unannehmbar. Sie betrachten Südossetien und Abchasien nach wie vor als Teile Georgiens, und deshalb wollen sie es auch nach wie vor nicht hinnehmen, wenn südossetische und abchasische Vertreter in Genf mit am Tisch sitzen: "Wir reden mit Russland, weil es nur einen Gegner gibt, und das ist Russland", sagt Kalandadze, "es sind nicht die separatistischen Regierungen. Die Separatisten werden von den Russen regiert." In Südossetien und Abchasien seien die Regierungen nicht vom Volk gewählt, so Kalandadze weiter.

Karte mit Georgien und den Teilrepubliken
Georgien und Russland streiten sich um die Regionen Abchasien und Südossetien.

Straßen bauen und über Handel reden

Genau diese Ignoranz gegenüber den Menschen in Südossetien und Abchasien hatte dazu beigetragen, dass sich die Bewohner der abtrünnigen Gebiete in den vergangenen 15 Jahren immer weiter von der Zentralregierung in Tiflis entfernt hatten. Das muss ein Ende haben, meinen Oppositionspolitiker in Georgien wie Kacha Kukava von der Konservativen Partei: "Es geht nicht darum, ob wir diese Regierungen mögen oder nicht – sie vertreten die Bevölkerung dort", betont er. Natürlich sei zu es früh, über den politischen Status dieser Regionen zu verhandeln. Trotzdem könnten Garantien für den Waffenstillstand ausgehandelt und der Status der Vertriebenen geklärt werden, so Kukava weiter. "Wir sollten Eisenbahnverbindungen und Straßen zwischen den Landesteilen wiederherstellen und über Handel reden."

Die Verhandlungen in Genf bieten dazu Gelegenheit. Doch es ist fraglich, ob die zerstrittenen Parteien sich auf einen Dialog einlassen werden. Oppositionspolitiker Kukava gibt dem georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili die Schuld dafür, dass die erste Genfer Gesprächsrunde im Oktober gescheitert ist: "Er missbraucht die Verhandlungen für Propaganda-Zwecke. Die Gespräche in Genf sind auch deshalb gescheitert, weil Saakaschwili ein Statement abgeben und sagen wollte, dass Russland allein für den Krieg verantwortlich sei." Gegenüber der georgischen Presse hätte Saakaschwili gesagt, der Abbruch der Verhandlungen sei ein Sieg der georgischen Diplomatie. "So kommen wir nicht weiter", sagt Kukava.

Noch immer explodieren Bomben

Michail Saakaschwili (Quelle: AP)
Streitbar als Diplomat: der georgische Präsident Michail Saakaschwili.Bild: AP

Unterdessen kommt es an der Verwaltungsgrenze zwischen Südossetien und dem georgischen Kernland immer wieder zu Zwischenfällen. Vor einer Woche kamen dort zwei georgische Polizisten bei einer Bombenexplosion ums Leben. Diplomaten warnen, der Krieg sei noch nicht vorbei.

Nino Burjanadze war bis vor einem halben Jahr Parlamentspräsidentin von Georgien. Mittlerweile kritisiert sie die georgische Regierung aufs Schärfste und warnt: "Die Regierung sollte die internationale Gemeinschaft um Hilfe bitten und auf internationaler Ebene aktiv werden. Aber ganz sicher sollte sie keinerlei militärische Gewalt anwenden." Genau das sei es, was Russland jetzt wolle, glaubt Burjanadze. "Sollte die georgische Regierung militärisch auf Provokationen reagieren, dann bin ich mir mehr als sicher, dass Russland dieses Mal sogar Tiflis bombardieren würde. Die Politikerin ist überzeugt: "In diesem Fall wäre es sehr schwer, die internationale Gemeinschaft für die georgische Seite zu gewinnen. Uns bleiben nur diplomatische Anstrengungen"