Lage in Sri Lanka eskaliert
17. Oktober 2006Nach dem schweren Selbstmordanschlag auf die Armee hat die Luftwaffe in Sri Lanka Bombenangriffe auf das Gebiet der Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) geflogen. Der LTTE-nahe Internetdienst Tamilnet berichtete, dabei seien in der Nacht zu Dienstag (17.10.) ein einjähriges Baby und ein zwölf Jahre altes Mädchen ums Leben gekommen. 15 Zivilisten seien verwundet worden. Auch ein Kinderheim sei bombardiert worden. Das Verteidigungsministerium teilte mit, die Kampfflugzeuge hätten im Nordosten der Insel die Stellung der Befreiungstiger von Tamil Eelam vollständig zerstört.
Schwerer Selbstmordanschlag
Tamilische Rebellen hatten am Montag (16.10) einen mit Sprengstoff beladenen Kleinlaster in einen Militärkonvoi der sri-lankischen Marine gerammt und etwa 100 Soldaten in den Tod gerissen. Der Anschlag ereignete sich rund 180 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Colombo nahe der Stadt Dambulla in der Mitte des Inselstaats, wie ein Militärsprecher mitteilte. Demnach befanden sich die Soldaten auf dem Weg in den Heimaturlaub und waren deshalb unbewaffnet. Bis zu 150 von ihnen wurden verletzt. Auf dem Sammelplatz hielten sich zum Zeitpunkt der Explosion nach Militärangaben mehr als 340 Soldaten auf.
Friedensvermittler erwartet
Zwei Hubschrauber waren im Einsatz, um die Verletzten abzutransportieren. Die Explosion ereignete sich an einem Transitpunkt für Soldaten, die ihren Stützpunkt verlassen oder dorthin zurückkehren. Es war einer der schwersten Anschläge seit Abschluss des brüchigen Waffenstillstands im Jahr 2002. Die LTTE äußerten sich vorerst nicht zu dem Angriff. In der Vergangenheit haben sie eine Verwicklung in Attentate meistens zurückgewiesen.
Nach den heftigen Kämpfen der letzten Wochen sollte am Montag der Friedensprozess mit dem Besuch des japanischen Sondergesandten Yasushi Akashi in Colombo neuen Auftrieb erhalten. Auch der norwegische Vermittler Jon Hanssen-Bauer wird in Kürze in Sri Lanka erwartet. Ziel ist die Vorbereitung neuer Friedensgespräche Ende dieses Monats in der Schweiz.
Heftige Kämpfe
Am vergangenen Dienstag (10.10.) hatten die norwegischen Vermittler noch vorsichtig optimistisch verkündet, die Befreiungstiger und die Regierung seien nach langer Zeit wieder zu Friedensgesprächen bereit. Nur Stunden später brachen im Norden der Insel schwere Kämpfe aus. Nach Militärangaben starben bis Donnerstag (12.10.) mindestens 129 Soldaten und mehr als 200 Rebellen, mehr als 700 Menschen wurden verletzt.
Keine der beiden Seiten will vor der Weltgemeinschaft als jene Partei dastehen, die Verhandlungen durch neue Gewalt sabotiert. Die LTTE werfen der Regierung vor, am Mittwoch eine "Großoffensive" gegen die Rebellen eröffnet zu haben, Colombo sei der "Aggressor". Im LTTE-nahen Internetdienst Tamilnet, der ein Foto von blutbefleckten Soldatenleichen veröffentlichte, hieß es, mit ihrer "Offensive" zerstöre die Armee Friedenshoffnungen.
Gegenseitige Beschuldigungen
Militärsprecher Prasad Samarasinghe sagte dagegen, die Rebellen hätten am Mittwochmorgen (11.10.) Armeestellungen angegriffen, "obwohl sie versprochen hatten, an den Verhandlungstisch zurückzukehren". Regierungstruppen, die nach seinen Angaben auch am Donnerstag weiter in LTTE-Gebiete eindrangen, handelten in Selbstverteidigung. Keineswegs, betont Samarasinghe, sei das als Offensive zu verstehen.
Die LTTE hatten zur Bedingung für Friedensgespräche gemacht, dass die Streitkräfte Sri Lankas alle Offensiven gegen die Rebellen einstellen. Die Rebellen werfen der Regierung nun vor, vor den geplanten Gesprächen möglichst viel Terrain erobern zu wollen, um dann aus einer Position der Stärke heraus verhandeln zu können.
Experten hatte erstaunt, dass die LTTE, die den Konflikt bis zum Sommer ohne schlüssigen Grund eskalieren ließen, der geballten Macht des Militärs wenig entgegenzusetzen hatte. Die Rebellen ließen sich aus strategisch wichtigen Stellungen vertreiben, auch die befürchteten schweren Terroranschläge in der Hauptstadt Colombo sind bislang weitgehend ausgeblieben. Mit dem jüngsten Anschlag haben die Rebellen nun erneut ihre Handlungsfähigkeit bewiesen. Der Bürgerkrieg hat seit 1983 mehr als 66.000 Menschen das Leben gekostet. (stu)