70 Jahre seit dem Pogrom von Iasi
1. Juli 2011In Deutschland hat die Erinnerungs- und Gedenkkultur einen hohen Stellenwert. Hier hat nach dem Zweiten Weltkrieg ein langwieriger Prozess stattgefunden, bis die sogenannte "Schlussstrichmentalität“ überwunden war, deren Verfechter ein Ende der Debatte zum Thema Nationalsozialismus gefordert hatten. Im Osten Europas gab es dieses Problem noch nie: In den Ländern der Helfershelfer Hitlers konnte bisher eine solche Debatte gar nicht aufkommen, weil hier noch keine nennenswerte Vergangenheitsbewältigung stattgefunden hat.
Zu den eifrigsten der „willigen Vollstrecker Hitlers“, um einen vom amerikanischen Historiker Daniel Goldhagen geprägten Begriff zu verwenden, gehörte Rumäniens Diktator Ion Antonescu. Wie schwierig der Umgang mit der eigenen faschistischen Vergangenheit und speziell mit dieser Diktatur in Rumänien ist, zeigt ein jüngst vom rumänischen Präsidenten Traian Basescu ausgelöster Skandal.
Historische Verklärung
In einer TV-Talkshow hatte der Staatschef die Schuld des als Kriegsverbrecher verurteilten Marschalls Ion Antonescu relativiert und den damals noch jungen und de facto entmachteten König Michael als mitschuldig am Holocaust in Rumänien erklärt. Politologen, Historiker und Vertreter der Zivilgesellschaft reagierten empört auf diese Sichtweise Basescus.
In einem Gespräch mit der Deutschen Welle wies der rumänische Historiker Liviu Rotman darauf hin, dass "der Holocaust hier manipuliert wurde, um eine persönliche Meinung zu argumentieren". Die Aussage des Staatspräsidenten stehe im krassen Gegensatz zu den bisherigen bedeutenden Stellungnahmen Basescus zur Tragödie des Holocaust.
Das Grauen von Iasi
Auch der Historiker Alexandru Florian erkannte "eine klare Diskrepanz zwischen dieser Sichtweise und den früheren Äußerungen" des Präsidenten. Florian, Direktor des 2005 gegründeten Holocaust-Instituts in Bukarest, organisierte zwischen dem 26. - 29. Juni eine Veranstaltungsreihe in Iasi, dem Ort des ersten großen Pogroms gegen die rumänischen Juden. Damit hatte vor genau 70 Jahren die Shoa in den von Rumänen verwalteten Gebieten begonnen. Eine Woche nach dem folgenschweren Befehl Antonescus zum Einmarsch der rumänischen Truppen an der Seite der deutschen Soldaten in die damalige Sowjetunion hatte in der ostrumänischen Stadt das große Morden angefangen.
Hier, unweit der Grenze zur UdSSR, wurden während des drei Tage dauernden Pogroms über 13.000 der rund 50.000 Juden – die 50 Prozent der Stadtbevölkerung ausmachten - umgebracht. Unter dem Vorwand der Sabotage zugunsten der Sowjetunion holten rumänische und deutsche Soldaten die Menschen jüdischen Glaubens - Junge und Alte, Frauen und Männer - aus ihren Häusern. Sie wurden auf den Straßen erschossen, in den Hof der Stadtpolizei gebracht und vom Maschinengewehrfeuer der Militärs und Gendarmen niedergemäht. Tausende wurden in Viehwaggons eingepfercht und tagelang ohne Wasser und Verpflegung eingesperrt gehalten, bis sie elend zu Grunde gingen.
Die Wurzel des Hasses
Drei Tage nach dem Anfang des Blutrauschs befahl das Regime dem Militär, dem Morden ein Ende zu setzen. Doch die Kriegsverbrechen und die Verbrechen gegen die Menschlichkeit sollten andauern. Hunderttausende rumänische Juden, vor allem aus Bessarabien und der Bukowina, wurden beraubt, verschleppt, vergewaltigt, gefoltert, starben in den Lagern Transnistriens, das von Rumänien annektiert worden war. An die 25.000 jüdische Zivilisten wurden von den vorgerückten Truppen Antonescus in Odessa angeblich als „Repressalien“ umgebracht und in Massengräbern verscharrt.
Dieser „eliminatorische“ Antisemitismus hatte in Rumänien eine lange Vorgeschichte, sagt der Historiker Liviu Rotman: "Das Pogrom vom 27. -29. Juni 1942 reiht sich ein in eine antisemitische Tradition der rumänischen politischen Kultur, die in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen einen Höhepunkt erlebte".
Die antijüdische Hetze in Rumänien, für die vor allem, aber nicht ausschließlich, die faschistische Eiserne Garde verantwortlich war, hatte schon ein Jahrzehnt zuvor begonnen und die Gesellschaft und das Leben der 800.000 rumänischen Juden vergiftet.
Das Thema "Holocaustleugnung"
Obwohl sich das offizielle Rumänien 2003 unter Präsident Iliescu zur eigenen Verantwortung für den rumänischen Holocaust bekannte, bleibt das dunkelste Kapitel der eigenen Geschichte eine äußerst schwierige Problematik. Selbst Nobelpreisträger Elie Wiesel, Vorsitzender der von Iliescu 2003 unter dem Druck der Verhandlungen zum Beitritt in die NATO und die EU eingesetzten Internationalen Kommission zur Erforschung des Holocausts in Rumänien, sah sich genötigt, einen hohen rumänischen Verdienstorden zurückzugeben. Der Grund dafür: der damalige Staatspräsident hatte den Orden auch an einen erklärten Antisemiten und Holocaustleugner verliehen.
Das Thema "Holocaustleugnung" und die damit einhergehende Problematik der Kriegsverbrechen bleiben in Rumänien auch 2011 aktuell. So hat der umstrittene nationalistische Politiker und Historiker Gheorghe Buzatu von der rechtsextremen Großrumänien-Partei den Tag des Einmarschs der deutschen und rumänischen Truppen in die Sowjetunion am 22. Juni 1941 „eine Sternstunde der rumänischen Geschichte” genannt. Gleichzeitig behauptete er, Antonescu sei keineswegs ein Kriegsverbrecher gewesen. Die Kampagne gegen Sowjetrussland bezeichnete Buzatu als „Heiligen Krieg”. Solche Einstellungen, mit denen der Historiker nicht allein da steht, erschweren eine offene Vergangenheitsbewältigung in Rumänien.
Autor: Peter Janku / Robert Schwartz
Redakteur: Blagorodna Grigorova