Verfolgung von Homosexuellen gefährdet Aids-Bekämpfung
20. Juli 2014Yaounde, Kamerun, 15. Juli 2013: Der Journalist und Homosexuellenaktivist Eric Lembembe wird tot in seinem Haus aufgefunden. Sein Körper habe Spuren schwerer Folter aufgewiesen, geben Freunde zu Protokoll. Die Polizei leitet Untersuchungen ein. Das Ergebnis nach einem Jahr: "Nichts", empört sich Drissa Traoré, der stellvertretende Vorsitzende des Internationalen Menschenrechtsbunds FIDH in Kamerun. "Seitdem hat es wahrscheinlich noch nicht einmal eine Anhörung gegeben. Bis heute sind keine Fortschritte zu verzeichnen", sagt Traoré im Gespräch mit der DW. Der Regierung fehle der Wille zur Aufklärung.
Die Zeiten sind nicht günstig für sexuelle Minderheiten in Afrika. Anfang des Jahres unterzeichneten sowohl der nigerianische Präsident Goodluck Jonathan als auch sein ugandischer Amtskollege Yoweri Museveni Gesetze, die Homosexualität unter Strafe stellen - bis hin zu lebenslänglichen Haftstrafen. Auch wenn es Auslegungsspielräume gibt und manche Gesetze nie zur Anwendung kommen, beklagen Menschenrechtler: Die homophobe Haltung afrikanischer Regierungen gebe lesben- und schwulenfeindlichen Strömungen Zulauf. Die schleppende Aufarbeitung des Mordes an dem Kameruner Lembembe sei eine Belohnung für all jene, die Lesben und Schwule und deren Fürsprecher verfolgten, sagt Traoré. "In Kamerun und im südlichen und zentralen Afrika sind Homosexuelle gezwungen, sich zu verstecken."
Isolation mit Gesundheitsrisiken
Die Polizei sei in solchen Fällen selten eine Hilfe, sagt Neela Ghoshal, die in Kenia für die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) arbeitet. "In vielen afrikanischen Ländern gilt: wenn du homosexuell, bi- oder transsexuell bist und einer Gewalttat zum Opfer fällst und diese bei der Polizei melden willst, machen sich die Beamten über dich lustig. Manchmal riskierst du, am Ende selbst festgenommen zu werden." Dass Homosexuelle in die Illegalität gedrängt würden, habe viele negative Effekte, sagt der Menschenrechtler Traoré. Zum Beispiel erschwere es die Aids-Aufklärung. Ein Problem, das Mediziner gerade im Zusammenhang mit der neuen ugandischen Gesetzgebung sehen: Dort kann bereits der Umgang mit Homosexuellen mit hohen Gefängnisstrafen geahndet werden. Öffentliche Aufklärungskampagnen und Gesundheitsberatung sind damit nahezu unmöglich.
In Sachen Aids-Bekämpfung war Uganda einst Vorzeigeland. Die Vereinten Nationen warnen nun vor Rückschlägen. "Wir befürchten, dass die Erfolge, die bei der Aids-Bekämpfung beispielsweise in Uganda erreicht wurden, durch restriktive Gesetze gegen Homosexuelle zunichte gemacht werden", sagte Charles Radcliffe vom UN-Hochkommissariat für Menschenrechte dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Es ist eine statistische Tatsache, dass Länder, die Homosexuelle kriminalisieren, höhere HIV-Infektionsraten haben."
Afrikanische Kommission setzt Zeichen
Homosexuelle verdienen den gleichen Schutz wie alle Afrikaner. Diese Botschaft sendet nun die Afrikanische Kommission für Menschen- und Völkerrechte (ACHPR) mit Sitz in Gambias Hauptstadt Banjul. In einer Resolution, die im Mai 2014 verabschiedet wurde, fordert sie afrikanische Staaten auf, Menschen vor Gewalt zu schützen, die sie aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Identität erleiden. Die Mitgliedsstaaten sollten ferner "sicherstellen, dass Menschenrechtsaktivisten nicht wegen ihrer Arbeit stigmatisiert, benachteiligt oder strafrechtlich verfolgt werden" - auch dann, wenn diese den Schutz sexueller Minderheiten betreffe. Für HRW-Aktivistin Neela Ghoshal ist die Resolution ein großer Schritt nach vorne: "Es ist das erste Mal, dass ein afrikanisches Gremium auf kontinentaler Ebene Gewalt gegenüber Homosexuellen verurteilt."
Zu den elf Kommissionsmitgliedern gehört auch Reine Alapini-Gansou aus Benin. Andere Kommissare kommen etwa aus Uganda und Nigeria. Doch die unabhängige Kommission spreche mit einer Stimme, betont Alapini-Gansou im Gespräch mit der DW. In ihrer Menschenrechtsarbeit weise sie kontinuierlich auf die Nöte der homosexuellen Bevölkerung hin, sagt die Kommissarin: "In Uganda haben wir mit einer Pressemitteilung auf die neue Gesetzgebung reagiert und appellieren immer wieder an die Regierung." Die Entscheidungen der Kommission sind nicht rechtlich bindend. HRW-Aktivistin Ghoshal unterstreicht derweil den symbolischen Wert der Resolution. "Lokale Aktivisten können nun ihre Regierungen unter Druck setzen und fordern, ihren Teil beizutragen."
Eine afrikanische Initiative
Die afrikanischen Lesben- und Schwulenrechtsbewegungen seien es auch gewesen, die die Resolution angeregt und einen Entwurf ausgearbeitet hätten, sagt Ghoshal. Die Tatsache, dass die Initiative allein von Afrika ausging, ist nicht ohne Bedeutung: So hatte Ugandas Präsident Museveni Homosexualität als westliche Mode abgetan, die mit afrikanischen Traditionen nicht vereinbar sei. Indem er das harsche Gesetz unterzeichnete, trotzte er auch dem Druck hochrangiger internationaler Politiker.
Der Westen habe keinen Einfluss auf die Resolution der Afrikanischen Kommission gehabt, sagt Kommissarin Alapini-Gansou energisch. Man habe sich vielmehr auf afrikanische Texte wie die Afrikanische Charta für Menschenrechte berufen. "Keiner kann behaupten, Homosexualität sei eine Erfindung des Westens oder des Orients - und dass Afrika davon ausgenommen ist. Diese Menschen müssen wissen, dass Homosexualität ein menschliches Phänomen ist." Und die afrikanischen Staaten seien verpflichtet, ihre eigenen Rechtsgrundlagen einzuhalten. Der Schutz vor Verfolgung und das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit gelte für alle Menschen in gleicher Weise.