Mehr Reichsbürger, Extremisten und Spione
24. Juli 2018"Die Bedrohungen sind vielfältig", sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts in Berlin: Spione, Reichsbürger, Islamisten und Extremisten im linken und rechten politischen Spektrum seien die größten Gefahren für Deutschland.
Vor allem der islamistische Terrorismus sei eine "anhaltend hohe Bedrohung", erläuterte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Hans-Georg Maaßen. Dabei seien nicht mehr nur Rückkehrer, sondern vor allem Einzeltäter, die sich in Deutschland aufhalten, vom Verfassungsschutz als hohes Gefahrenpotenzial identifiziert worden. Daneben gehörten Cyberangriffe zu den großen Herausforderungen der Sicherheitsbehörden, erklärte der Geheimdienstchef.
Mehr Gewaltbereitschaft unter Extremisten
Besorgniserregend sei vor allem die steigende Gewaltbereitschaft unter Extremisten. Mit 21.700 Extremisten im linken wie rechten politischen Spektrum zählten die Verfassungsschutzbehörden nach eigenen Angaben im aktuellen Berichtsjahr so viele Personen wie nie zuvor zum gewaltorientierten Spektrum. Mit 12.700 Personen sei rund die Hälfte aller Rechtsextremisten gewaltbereit. Zwar sei die Zahl der rechtsextremen Gewalttaten im vergangenen Jahr leicht zurückgegangen. Das hänge allerdings damit zusammen, dass es weniger Sammelunterkünfte für Asylbewerber gebe, die zuvor häufig das Ziel der Angriffe von Rechtsextremisten waren.
Im linken Spektrum sind dem Bericht zufolge mit 9000 Personen nur ein Drittel der Linksextremisten gewaltbereit. Die Zahl linksextremistisch motivierter Gewalttaten gegen Polizisten und Sicherheitsbehörden sei dagegen um mehr als zwei Drittel gestiegen. Die Steigerung führen die Verfassungsschützer vor allem auf den G20-Gipfel in Hamburg zurück, der von schweren Ausschreitungen überschattet wurde. In solchen Fällen will der Bundesinnenminister künftig härter durchgreifen. "Wer Polizisten angreift, greift den Rechtsstaat an und wird eine starke Reaktion erfahren", sagte Seehofer.
Salafisten sind unter Islamisten die stärkste Gruppe
Innerhalb der islamistischen Szene zeichnete sich 2017, wie auch schon im Jahr 2016, eine Kräfteverschiebung in den gewaltorientierten Bereich ab. Trotz der militärischen Erfolge gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) sei die Zahl islamistischer Extremisten in Deutschland auf 25.810 Personen stark angestiegen. Im Jahr 2017 sei die Zahl der Salafisten in Deutschland noch einmal um über 1000 Personen auf 10.800 angestiegen. "Die Anhänger der salafistischen Ideologie sind damit die einzige islamistische Gruppe mit signifikant steigendem Personenpotenzial", heißt es in dem Bericht.
Unter den Salafisten gebe es auch sogenannte Gefährder, deren "konsequente Abschiebung" der Bundesinnenminster noch verbessern wolle. Die Sicherheitsbehörden definieren als "Gefährder" Menschen, denen sie eine schwere politisch motivierte Straftat wie einen Terroranschlag zutrauen. Die Frage, ob die Bundesregierung selbst künftig verstärkt Abschiebungen regeln solle, nannte Seehofer "überlegenswert". Bisher sind dafür maßgeblich die Bundesländer zuständig.
Spionage vermehrt politisch motiviert
Vor allem Agenten aus Russland, China und dem Iran seien in Deutschland aktiv, aber auch der türkische Nachrichtendienst MIT spähe in der Bundesrepublik vermehrt politische Oppositionelle aus. Russische Nachrichtendienste betrieben ihre Spionage in Deutschland mit einem hohen organisatorischen und finanziellen Aufwand, heißt es in dem Bericht.
Während bei russischer Spionage traditionell die politische Haltung der Bundesregierung gegenüber Moskau eine wichtige Rolle spiele, stand bei China lange die Wirtschaftsspionage im Vordergrund - die Agenten würden sich mittlerweile aber auch um politische Aspekte kümmern. Dennoch, so warnt der Verfassungsschutz in seinem Bericht, könne die Wirtschaftsspionage weiter der deutschen Technologiekompetenz schaden. "Mit der Nutzung des Cyberraums steigerte sich das Ausmaß der Spionage noch um ein Vielfaches", erläutert der Bericht. Cyberangriffe gegen Deutschland werden demnach vermehrt aus dem Iran registriert.
Von Waffen-Affinität zur Gewaltbereitschaft: Die Reichsbürger
Eine besondere Rolle weist der Geheimdienst in seinem diesjährigen Bericht den sogenannten Reichsbürgern zu. Aktuell gebe es in Deutschland inzwischen 18.000 Menschen, die die Bundesrepublik und dazugehörige staatliche Intuitionen ablehnen, erklärte der Bundesinnenminister bei der Vorstellung des Berichts. Dort ist für 2017 noch von 16.500 Menschen die Rede.
Drei von vier Reichsbürgern sind dem Verfassungsschutz zufolge männlich und älter als 40 Jahre. Unter diesen "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" identifizierte die Sicherheitsbehörde 900 Rechtsextremisten. Während in den vergangenen Jahren im Geheimdienstbericht oft von einer hohen "Affinität zu Waffen" gesprochen wurde, sei nun festzustellen, dass die Reichsbürger vermehrt dazu bereit seien, ihre Waffen auch für "schwerste Gewalttaten" einzusetzen.