Verfassungsschutz 2.0
25. September 2015Die Aussprache im Bundesrat war angesichts der vielen und durchaus umstrittenen Änderungen erstaunlich kurz. Damit muss der Gesetzentwurf zur "Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes" doch keine Zusatzrunde im Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat drehen und kann nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten.
Die Reform verpflichtet die Länderkammer die Verfassungsschützer in Bund und Ländern zu einem intensiveren Informationsaustausch und überträgt die Verantwortung für Cyberangriffe dem Bundesnachrichtendienst (BND).
Mehr Kompetenzen für das Bundesamt
Das Bundesamt für Verfassungsschutz erhält mehr Befugnisse. Es soll künftig die Zusammenarbeit der Ämter koordinieren und die Erkenntnisse zu wesentlichen Bereichen zentral auswerten. Bei gewaltorientierten Bestrebungen in den Ländern soll das Bundesamt im Zweifel selbst in die Beobachtung einsteigen können.
Einsatz von V-Leuten wird limitiert
Auch der Einsatz von V-Leuten wird durch das Gesetz neu definiert. Erstmals gibt es festgelegte Regeln und Grenzen für Informanten, die in ein vom Verfassungsschutz beobachtetes Umfeld eingeschleust werden, wie zum Beispiel in die rechts- und linksextreme Szene.
IT-Fähigkeiten sollen "zeitgemäß" genutzt werden
Auch mit dem Segen des Bundesrats soll das Nachrichtendienstliche Informationssystem (Nadis) der Staatsschutzbehörden von Bund und Ländern aufgebohrt werden: Es hatte bisher nur eine Indexfunktion und diente quasi als Aktennachweis. Künftig sollen damit auch Volltextdateien beliebig gespeichert, ausgetauscht und ausgewertet werden dürfen. Die Bundesregierung spricht hier davon, die IT-Fähigkeiten künftig "zeitgemäß" nutzen zu wollen.
Strategische Fernmeldeüberwachung für Cybergefahren
Mit dem Gesetz soll auch die "strategische Fernmeldeüberwachung" durch den Bundesnachrichtendienst (BND) auf "Cybergefahren" ausgedehnt werden. Der Auslandsgeheimdienst soll seinen vielfach kritisierten "Datenstaubsauger" auch gegen IT-Angriffe in Stellung bringen dürfen.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte: "Das Gesetz stärkt die Zentralstellenfunktion des Bundesamts für Verfassungsschutz, intensiviert den Informationsfluss zwischen den Verfassungsschutzbehörden und verbessert die Analysefähigkeit." Der unverzichtbare Einsatz von V-Leuten werde klar geregelt. "Wir setzen damit einen klarem Rahmen und zugleich eindeutige Grenzen", fügte de Maizière hinzu.
Fehler wie bei NSU-Fahndung vermeiden
Die Reform ist eine Reaktion auf die Verfehlungen der Behörden im Fall NSU. Die Sicherheitsbehörden und auch der Verfassungsschutz waren dem "Nationalsozialistischen Untergrund" jahrelang nicht auf die Spur gekommen. Der rechtsextremen Gruppe werden zwischen den Jahren 2000 und 2007 zehn Morde zur Last gelegt.
Die Gruppe um die derzeit in München vor Gericht stehende Beate Zschäpe soll neun Männer aus Zuwandererfamilien und eine Polizistin getötet haben. Ein Untersuchungsausschuss im Bundestag hatte gravierende Mängel bei der Arbeit der Verfassungsschutzämter festgestellt. So seien Informationen versandet und Hinweise übersehen oder ignoriert worden.
mak/jj (dpa, afp, heise.de)