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Verfassungsschutz wird reformiert

Marcel Fürstenau7. Dezember 2012

Bei den Ermittlungen gegen Rechtsterrorismus haben die Sicherheitsbehörden an vielen Stellen versagt. Daraus ziehen die Innenminister jetzt Konsequenzen. Kritikern gehen sie allerdings nicht weit genug.

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Eingang des Bundesamtes für Verfassungsschutz in Köln (Foto: dpa/lnw)
Bild: picture-alliance/dpa

Die Innenminister von Bund und Ländern haben auf ihrer Konferenz in Rostock-Warnemünde eine weitreichende Reform des Verfassungsschutzes auf den Weg gebracht. Künftig soll das in Köln ansässige Bundesamt (BfV) als Zentralstelle fungieren. Die 16 Landesämter werden verpflichtet, ihre Erkenntnisse dem BfV mitzuteilen. Damit sollen künftig Pannen wie im Zusammenhang mit dem "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) vermieden werden.

Der Terrorzelle werden zehn Morde, Bombenanschläge und Banküberfälle zur Last gelegt. Der NSU blieb jahrelang unentdeckt, obwohl die Sicherheitsbehörden frühzeitig Hinweise auf gewaltbereite Rechtsextremisten hatten. Vieles spricht dafür, dass die Taten zumindest teilweise hätten verhindert werden können, wenn insbesondere die Verfassungsschützer in Bund und Ländern untereinander besser kommuniziert hätten.

Mitarbeiter müssen umdenken

Der Innenminister Nordrhein-Westfalens, Ralf Jäger, verspricht sich von der nun vereinbarten Reform einen Mentalitätswechsel in den Behörden. "Das, was an Defiziten, Pannen und möglicherweise Fehlern beim Entdecken der NSU-Zelle offenbar geworden ist, soll es in Zukunft nicht mehr geben", sagte der Sozialdemokrat. In der Vergangenheit prägten Geheimniskrämerei und Konkurrenzdenken das Verhältnis zwischen den Behörden. Diesen Eindruck hat auch der NSU-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages gewonnen.

Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger vor einer Stellwand seines Ministeriums. (Foto: dpa / lnw)
Zuversichtlich: NRW-Innenminister Ralf JägerBild: picture-alliance/dpa

Ein weiteres wichtiges Element der Reform sind aus Jägers Sicht die beschlossenen Regeln für V-Leute des Verfassungsschutzes. In Zukunft sollen Personen, die Straftaten begangen haben, nicht mehr als Spitzel arbeiten. In jedem Einzelfall müsse geprüft werden, "ob es Sinn macht, eine Quelle anzuwerben". Unter den Quellen beim ersten NPD-Verbotsverfahren waren 2003 auch hochrangige Funktionäre der rechtsextremen Partei - unter anderem daran war es gescheitert. Für das angestrebte zweite Verfahren haben die Verfassungsschutzämter nach Angaben der Innenminister auf Spitzeldienste solcher V-Leute verzichtet. Allerdings nur, um die Chancen auf ein erfolgreiches Verfahren zu erhöhen.

Zentrales Register für V-Leute

Grundsätzlich aber sollen die Verfassungsschutzämter weiterhin V-Leute anwerben, um Informationen aus dem rechtextremen oder einem anderen Milieu zu bekommen. Im Unterschied zu früher werden diese jedoch in einem zentralen Register erfasst. Auch hier gilt das Prinzip des umfassenden Informationsaustausches zwischen den einzelnen Behörden. Darüber freut sich Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) besonders, weil er den Verfassungsschutz als "Frühwarnsystem" für "zwingend notwendig" hält. Weil dieses Frühwarnsystem im Zusammenhang mit dem NSU versagt hat, trat der langjährige Präsident des Bundesamtes, Heinz Fromm, im Sommer zurück.

Verfassungsschutz will wachsamer sein

Außerdem sollen die Parlamente mehr Kontrollmöglichkeiten bekommen. "Transparenz ist wichtig, um Akzeptanz herzustellen", sagte Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann. Er spielte damit auf die Kritik des Untersuchungsausschusses an, der die Hintergründe der NSU-Morde aufklären soll: Der Verfassungsschutz kooperiere nicht ausreichend, monierten Ausschussmitglieder. Zum Teil wurden sogar noch Monate nach dem Auffliegen der Terrorzelle Akten vernichtet, die möglicherweise einen NSU-Bezug hatten.

Grüne und Linke wollen Verfassungsschutz auflösen

Die Obfrau der Linken im Untersuchungsausschuss des Bundestages, Petra Pau, lehnt die Reform des Verfassungsschutzes in der beschlossenen Form ab. Die logische Konsequenz aus dem NSU-Desaster wäre, ihn aufzulösen. Ein transparenter Geheimdienst sei ein "unversöhnlicher Widerspruch, einer Demokratie abträglich", erklärte Pau. Ähnlich wie die Linken-Politikerin äußerte sich der Grüne Hans-Christian Ströbele, der ebenfalls im NSU-Untersuchungsausschuss sitzt und Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die deutschen Geheimdienste (PKG) ist.

Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele, Mitglied des NSU Untersuchungsausschusses,gibt ein Statement. (Foto: dpa) pixel
Verärgert: Der Grüne Abgeordnete Hans-Christian StröbeleBild: picture-alliance/dpa

Skeptisch bleibt auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar. Ein Gesamtkonzept für die Reform der Sicherheitsbehörden sei nicht erkennbar, sagte er der Deutschen Presseagentur (dpa). "Ich hoffe, dass etwas mehr dabei herauskommt als wieder nur eine Datei", hatte Schaar anlässlich der Innenministerkonferenz gesagt. Dass eine V-Leute-Datei Kernstück der Verfassungsschutzreform sein soll, wird den Datenschützer also kaum zufriedenstellen.