Festnahmen nach Razzia in Islamisten-Szene
1. Februar 2017Das ausgehobene Extremisten-Netzwerk habe einen Anschlag in Deutschland geplant, es habe aber noch kein konkretes Ziel gegeben, teilte Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) mit. Zuvor hatte die Polizei am frühen Morgen wegen des Terrorverdachts zahlreiche Gebäude in ganz Hessen durchsucht. Insgesamt 54 Objekte seien betroffen gewesen, teilte die Oberstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main mit. Durchsucht worden seien unter anderem Wohnungen, Geschäftsräume und Moscheen. Die Aktionen richteten sich laut Oberstaatsanwaltschaft gegen insgesamt 16 Beschuldigte zwischen 16 und 46 Jahren.
Die Behörden wollen nun prüfen, ob weitere Personen in Haft genommen werden. Bei Beschuldigten ohne deutsche Staatsbürgerschaft würden auch "aufenthaltsbeendende Maßnahmen" geprüft, kündigte Beuth an. Ob Flüchtlinge unter den mutmaßlichen Extremisten sind, ließ der Minister offen. "Mit den Maßnahmen senden wir eine deutliche Botschaft an die radikalen Islamisten in Hessen: Wir haben die Szene fest im Blick", zeigte sich Beuth zufrieden.
Verhafteter bereits im Visier der tunesischen Behörden
Gegen einen 36-jährigen Tunesier wurde Haftbefehl erlassen, wie es weiter hieß. Er soll als Anwerber und Schleuser für die Terror-Organisation "Islamischer Staat" (IS) tätig gewesen sein. Er habe ein Terrornetzwerk aufbauen wollen, um einen Anschlag zu verüben.
Der Hauptverdächtige wurde um vier Uhr morgens in Frankfurt festgenommen. Nach Angaben des hessischen Landeskriminalamtes (LKA) hatte sich der Mann bereits von 2003 bis 2013 in Deutschland aufgehalten und reiste 2015 erneut als Asylbewerber ein. Er musste eine nicht verbüßte Freiheitsstrafe aus der Zeit seines ersten Deutschland-Aufenthalts absitzen und kam anschließend in Auslieferungshaft. Eine Abschiebung nach Tunesien scheiterte daran, dass die tunesischen Behörden die nötigen Unterlagen nicht rechtzeitig vorlegten, obwohl der Verdächtige im Heimatland wegen des Terror-Angriffs auf das Bardo-Museum und die südtunesische Grenzstadt Ben Gardane vor Gericht gestellt werden sollte.
Der Mann sei aus dem Abschiebegefängnis entlassen worden, aber ab diesem Zeitpunkt mehrere Monate lang rund um die Uhr observiert worden, teilte das LKA mit. Ermittelt wird auch gegen zwei 16 und 17 Jahre alte Jugendliche, die versucht haben sollen, nach Syrien auszureisen, um sich dort von Terrororganisationen im Umgang mit Waffen und Sprengstoff ausbilden zu lassen.
Tunesien will Auslieferung des Terrorverdächtigen
Wie die Deutsche Presse Agentur berichtete, will Tunesien nach Angaben eines Justizsprechers die Auslieferung des in Hessen verhafteten Terrorverdächtigen beantragen. Sobald die Identität des Mannes bekannt sei, werde man die notwendigen Schritte einleiten, sagte der Sprecher des auf Terrorfälle spezialisierten Gerichtes in Tunis, Sufian al-Saliti, der Deutschen Presse-Agentur. Man stehe mit Interpol in Kontakt.
Mehr als 1100 Beamte an Aktionen beteiligt
Nach Angaben seines Ministeriums waren mehr als 1100 Polizeibeamte an den Durchsuchungen beteiligt. Laut dem hessischen LKA war die Razzia von den Ermittlungsbehörden vier Monate lang vorbereitet worden. 150 Beamte seien in dieser Zeit dauerhaft in die Untersuchungen eingebunden gewesen, teilte ein Sprecher des LKA in Wiesbaden mit.
Die groß angelegten Aktion der hessischen Fahnder in Hessen beweist nach Ansicht von Bundesinnenminister Thomas de Maizière die Schlagkraft der Sicherheitsbehörden. "Das zeigt, dass die deutschen Sicherheitsbehörden wachsam sind und entschlossen zugreifen, wenn es geboten und notwendig ist", sagte de Maizière. Die Durchsuchungen und Festnahmen seien in Verantwortung der hessischen Behörden erfolgt, die Bundesbehörden seien informiert worden, die Zusammenarbeit habe funktioniert.
Verhaftungen auch in Berlin
Erst am Dienstagabend waren in Berlin drei Terrorverdächtige verhaftet worden. Bei den Männern im Alter von 21, 31 und 45 Jahren bestand laut Polizei der Verdacht einer geplanten "Ausreise in Kampfgebiete" - womöglich Syrien oder der Irak. Es gebe zudem den Verdacht, dass sie Verbindungen zum IS haben. Eine unmittelbare Anschlagsgefahr für Deutschland habe aber nicht bestanden. Den Männern wird der Polizei zufolge aber vorgeworfen, sich in Ausbildungslagern im Ausland zur möglichen Vorbereitung von Terroranschlägen ausbilden lassen zu wollen.
Wie die Deutsche-Presse-Agentur aus Sicherheitskreisen erfuhr, sollen die beiden Männer offenbar Kontakt zum Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz, Anis Amri, gehabt haben. Wie Amri sollen sie in einer als Islamisten-Treff bekannten Moschee in Berlin-Moabit verkehrt haben. Amri war vor der Moschee noch wenige Stunden vor dem Anschlag von Videokameras gefilmt worden.
sti/myk/cgn/pab (afp, dpa, epd, LKA Hessen)