Verbraucher bleibe wachsam!
14. November 2001Der Euro kommt, demnächst auch als Bargeld. Ab dem 1. Januar 2001 landen Euros und Cents im Portmonee. Aber schon jetzt muss man in deutschen Geschäften schwer aufpassen, bei der doppelten Auszeichnung in Euro und D-Mark nicht die groß gedruckten niedrigen Euro-Preise für höhere D-Mark-Preise zu halten. Vielleicht auch einer der Gründe, warum die Mehrheit der Deutschen Umfragen zu Folge davon überzeugt ist, dass die Euro-Umstellung zu Preiserhöhungen genutzt wird.
"Ich war ganz erstaunt, als ich zu meinem Bäcker kam und ich mich über den Preis des Brotes wunderte, der früher 4,95 Mark betrug und jetzt nach der Umstellung auf den Euro 5,48 Mark", berichtet eine Kundin, die eine satte Preiserhöhung von fast elf Prozent beobachtet hat.
Aber nicht nur Bäcker, so kann man bei der Verbraucherzentrale in Nordrhein-Westfalen erfahren, werden bei Klagen über Preiserhöhungen im Zuge der Euro-Umstellung besonders häufig genannt. Auch bei Schokolade, die beispielsweise früher 89 oder 99 Pfennige gekostet hat, haben sich die Preise auf jetzt 1,15 Mark nach oben verändert. Auch führende Bierbrauer denken offen über Preiserhöhungen nach. Nach der Euro-Umstellung strebt Warsteiner zum Beispiel einen Preis für eine Kiste von 10,99 Euro an. Das würde gegenüber heute einer Preiserhöhung von 7,5 Prozent entsprechen.
Hintergrund für die Diskussion: Ein Euro sind 1,95583 Mark. Der häufig verwendete Ladenpreis von 1,99 Mark ergibt also rein rechnerisch 1,02 Euro. Ein Preis, der psychologisch aber nicht gut am Markt ankommt.
Christina Neckel, Euro-Expertin bei der Verbraucherzentrale Düsseldorf, beobachtet seit längerem den Markt und kennt die verschiedenen Formen der Preiserhöhungen: "Es gibt einige Händler, die schon zu Anfang des Jahres die Preise erhöht haben und dann eventuell zum Ende hin etwas die Preise senken werden, damit der Eindruck einer Preissenkung erweckt wird. Da gibt es natürlich auch Fälle, wo jetzt zum Ende des Jahres die Preise erhöht werden und schon neue, angenehme Euro-Schwellenpreise gebildet werden, wo man davon ausgehen kann, dass in solchen Fällen häufig nach oben gerundet wird."
Eine andere Alternative ist, die Preise stabil zu halten, aber die Packungsgröße so zu verändern, dass es de facto zu einer Erhöhung kommt, sagt Neckel: "Ein Beispiel für die Packungsgrößen-Veränderung ist die Marmelade von Schwartau. Da wurde die Gläsergröße geändert und die Preise wurden nicht entsprechend angepasst, so dass man jetzt für den selben Inhalt mehr bezahlen muss als früher."
Trotz solcher Beispiele erkennt Hubertus Pellenger, Pressesprecher des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels, keinen Trend zu einer generellen Preissteigerung durch die Euro-Umstellung: "Bei der Umstellung auf den Euro muss es Auf- und Abrundungen geben. Beide sollten sich allerdings die Waage halten. Dafür sorgt aber auch schon der scharfe Wettbewerb im Einzelhandel. Der verbietet es den Unternehmen, hier ungerechtfertigte Preiserhöhungen vorzunehmen."
Untersuchungen bestätigen diese Ansicht des Pressesprechers des Einzelhandels eher, als dass sie ihm widersprechen. Das Statistische Bundesamt analysiert jeden Monat etwa 18.000 Preise ausgewählter Produkte. Das Ergebnis der letzten Untersuchung: Preistreiberei wegen der Euro-Umstellung ist kaum festzustellen.
Die Bundeszentrale der Verbraucherverbände überprüft alle sechs Wochen 1.093 Produkte. Ihr Fazit: Bei 108 Fällen gab es Preissteigerungen von bis zu 33 Prozent. Allerdings gab es auch bei 77 Produkten eine Preissenkung. Einen dramatischen Teuerungs-Trend stellen also auch die obersten Verbraucherschützer bisher nicht fest.
Dennoch will man den Markt im Auge behalten. Die Verbraucherzentrale in Nordrhein-Westfalen hat sich zusammen mit den Nordrhein-Westfälischen Verbraucherministerium eine ganz besondere Idee einfallen lassen, Preiserhöhungen an den Pranger zu stellen. Auf einer speziellen Internetseite der Verbraucherzentrale NRW haben Verbraucher die Möglichkeit, Beschwerden über erhöhte Preise los zu werden, berichtet Verbraucherschützerin Christina Neckel: "Da steckt die Idee hinter, den Verbrauchern die Möglichkeit zu geben, konkrete Fälle zu nennen, in denen es zu Preiserhöhungen kam und Verbraucher denken, dass dies nicht gerechtfertigt ist. Wir werden die Beschwerden entgegen nehmen und uns dann an den jeweiligen Anbieter wenden, eine Stellungnahme fordern und das Ganze dann im Internet veröffentlichen."
Diese Einrichtung gibt es zwar erst seit Anfang des Monats, dennoch nutzen schon viele Verbraucher diese Internetseite. Susanne Zövel betreut das Forum: "Hereingekommen ist beispielsweise eine Beschwerde, bei der sich ein Verbraucher beschwert hat, dass das Mineralwasser im Juli noch 6,48 Mark gekostet hat und nun 7,98 Mark kostet. Die Frage ist jetzt, ob diese 23,15 Prozent Preiserhöhung auf den Euro zurückzuführen ist. Das werden wir prüfen, in dem wir bei dem Händler anfragen."
Viele Preiserhöhungen der letzten Monate begründen Händler mit höheren Energiepreisen und dem hohen Dollarkurs. Diese Begründung müssen die Verbraucherschützer so hinnehmen und ins Internet stellen. Klar ist aber auch, dass die Umstellung auf den Euro den Handel etwas kostet. Pellenger: "Das wird insgesamt acht bis zehn Milliarden Mark allein für den Einzelhandel ausmachen. Diese Kosten fallen allerdings nicht zum Stichtag 2.1.2002 an, sondern laufen bereits seit einigen Jahren. Und natürlich gehen diese Kosten auch in die Preise im Einzelhandel mit ein."
Alles in allem: Es gibt keine dramatische Preisentwicklung. Dennoch ist Wachsamkeit angesagt. Wenn zum Beispiel der Bäcker die Preise drastisch erhöht, gibt es zwei Möglichkeiten: Man kauft sein Brot in Zukunft anderswo oder man füllt die Internetseite der Verbraucherzentrale aus und lässt den Bäcker begründen, warum das Brot nun 5,48 Mark statt wie bisher 4,95 Mark kostet. Manchmal bewirkt allein der Zwang zur Begründung schon Wunder.