"Verantwortung auf höheren Ebenen"
26. August 2004"Es besteht institutionelle und persönliche Verantwortung auf höheren Ebenen", heißt es in dem Abschlussbericht, den James Schlesinger, ein ehemaliger Verteidigungsminister, am Dienstag (24.8.) in Washington vorstellte. Für die Misshandlungen irakischer Häftlinge in dem Gefängnis Abu Ghraib in der Nähe von Bagdad können nach Ansicht der vom Pentagon eingesetzten Untersuchungskommission nicht nur einzelne Soldaten verantwortlich gemacht werden.
Chaos im Gefängnis
Der Bericht enthält allerdings keine Andeutungen darauf, dass Verteidigungsminister Donald Rumsfeld die Misshandlungen persönlich angeordnet oder gebilligt haben könnte. Seine politischen Vorgaben hätten aber bei niederen Rängen Verwirrung ausgelöst, heißt es. Insofern trage das Pentagon eine gewisse Mitschuld.
Vorwürfe erhebt die Kommission vor allem gegen den Ex-Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte im Irak, Ricardo Sanchez. Er hätte energischer einschreiten müssen, als die Führungsprobleme in Abu Ghraib deutlich geworden seien. In dem Militärgefängnis bei Bagdad habe Chaos geherrscht. Die Misshandlungen seien Akte von Brutalität und sinnlosem Sadismus, die sich bei einer vernünftigen Ausbildung der Wachmänner und einer besseren Dienstaufsicht hätten verhindern lassen, heißt es in dem Bericht.
"Willkürliche Aktivität"
In den meisten Fällen hätten die Misshandlungen nicht im Zusammenhang mit Verhören gestanden und somit auch nicht der Erpressung von Geständnissen gedient, heißt es in dem Bericht weiter. Es habe sich um "willkürliche Aktivitäten der Nachtschicht" gehandelt. Mehrere in dem Folterskandal beschuldigte Soldaten hatten erklärt, sie hätten auf Anweisung von Verhörspezialisten des Militärgeheimdiensts gehandelt. Der Bericht kam aber zu dem Schluss, dass die Misshandlungen kein Ausdruck einer systematischen Praxis gewesen seien. Die Soldaten seien zu den Quälereien "nicht von höheren Regierungsverantwortlichen oder der Militärhierarchie angestiftet" worden.
Ungeklärte Todesfälle in Afghanistan
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat den Untersuchungsbericht des US-Verteidigungsministeriums scharf kritisiert. In dem Bericht sei versäumt worden, die Regierungspolitik zu thematisieren, die zu den Misshandlungen geführt habe. Zwar sei die Haftanstalt Abu Ghraib im Irak Gegenstand der Untersuchungen gewesen, nicht aber andere Militärgefängnisse im Irak sowie in Afghanistan, obwohl es dort die meisten ungeklärten Todesfälle von Gefangenen gegeben habe. Die Menschenrechtsorganisation forderte eine Untersuchungskommission nach dem Vorbild des Gremiums zu den Terroranschlägen vom 11. September.
Rumsfeld nicht als Zeuge
Bei den Anhörungen von vier Angeklagten vor einem Militärgericht in Mannheim erklärte Richter James Pohl, er werde hochrangige Geheimdienstoffiziere in den Zeugenstand rufen, falls nicht auch gegen sie ein Verfahren aufgenommen werde. Den Antrag der Verteidigung, auch Rumsfeld und seinen Stellvertreter Stephen Cambone zu vernehmen, lehnte der Richter allerdings ab. Die Verteidigung habe nicht genug Beweise für deren Mitverantwortung vorgelegt, sagte er.
Militärankläger Michael Holly kündigte an, dass bald auch zwei Soldaten des militärischen Geheimdienstes angeklagt würden. Sie sollen die Misshandlungen und Demütigungen in Abu Ghraib angeführt haben. Holly wollte auch eine Anklage gegen höhere Geheimdienstoffiziere nicht ausschließen, falls in einem internen Untersuchungsbericht der Streitkräfte Beweise gegen sie vorgelegt würden. (ch)